Kalter Kaffee: Keynesianismus

1. Im allgemeinen

Der Keynesianismus ist ein nationalstaatliches Konzept kapitalistischer Wirtschaftsförderung, sein objektiver Zweck daher die ökonomische und politische Stabilisierung des Systems kapitalistischer Ausbeutung. Dafür empfiehlt er im wesentlichen zwei Mittel:

a) direkte Aufträge des Staates an die Unternehmen - in diesem Sinne enthielten auch die Reaganomics der 80er Jahre trotz aller gegenteiligen Beteuerungen wegen der massiven Rüstungsaufträge (etwa im Rahmen von SDI) keynesianistische Staatsausgaben.

b) Förderung der breiten Konsumnachfrage durch staatliche Umverteilung von "oben nach unten" (Sozialausgaben, Kindergeld, etc.). D.h. daß die ProduzentInnen des Reichtums ein bißchen von dem zurückerhalten, was sie allein geschaffen haben. Diese Variante zielt auf die politische Korrumpierung und Ruhigstellung der Lohnabhängigen, indem man ihnen ein paar Krümel von dem Kuchen zuwirft, den sie selbst gebacken haben, damit sowohl den Großteil des Kuchens (des Mehrwerts) als auch die Bäckerei (die ebenfalls vom Proletariat erzeugten Produktionsmittel) in kapitalistischer Hand bleiben.

Beide Varianten führen zu einer steigenden Staatsverschuldung und damit indirekt zu einer sinkenden Profitrate für das nationale Kapital. Zum Ausgleich bleiben dem kapitalistischen Staat letztlich zwei Wege:

a) nationale Umverteilung, d.h. größere Profite durch Angriffe auf den proletarischen Lebensstandard (z.B Erhöhungen von Massensteuern, sinkende Sozialausgaben, Deregulierung),

b) internationale Umverteilung zugunsten der eigenen Nation(albourgeoisie), z.B. im Rahmen der EU und durch größere Extraprofite in der imperialistischen Konkurrenz um die Ausplünderung der Welt, also imperialistische Aggression.

Die Gangbarkeit dieser Wege für einen konkreten Nationalstaat

hängt ab von den Kräfteverhältnissen sowohl zwischen Proletariat und Bourgeoisie als auch zwischen den imperialistischen Rivalen.

2. Im besonderen

Lafontaine versuchte mit diesen "volkswirtschaftlichen" Kochrezepten aus der keynesianistischen Mottenkiste zu debütieren. Als bürgerlicher Nachfragetheoretiker war er der Meinung "Autos kaufen keine Autos", sondern Menschen, deshalb müsse die Massenkaufkraft angekurbelt werden. Bevor ArbeiterInnen jedoch (möglichst viel) kaufen, müssen sie zunächst möglichst billig produzieren. Die Ironie des kapitalistischen Profitinteresses besteht also darin, daß jeder Kapitalist seine ArbeiterInnen möglichst billig entlohnen möchte, während alle seine Konkurrenten ihre möglichst hoch entlohnen sollten (sind es doch auch mögliche direkte oder indirekte KundInnen).

In der Marktwirtschaft hat jeder Kapitalist genau ein entscheidendes Mittel seine Konkurrenten auszustechen: die Senkung seiner Produktionskosten, das führt schließlich zur allgemeinen Senkung der Löhne und Erhöhung der Arbeitshetze. Für Nachfrage-Erhöhung durch Massenkaufkraft und Kostensteigerungen durch pseudo-ökologische Experimente haben daher kapitalistische Privatunternehmen nur dann Verständnis, wenn sie keine andere Wahl haben. Durch den Sieg der kapitalistischen Konterrevolutionen 1989-1991 von der DDR bis zur UdSSR ist das Klassenbewußtsein und damit die Kampfkraft der Arbeiterklasse weltweit und besonders in Deutschland dramatisch gesunken. Zugleich hat sich in und durch die EU die Stellung Deutschlands in der imperialistischen Konkurrenz erheblich verbessert. Damit stehen dem deutschen Kapital andere, sog. "neoliberale" Mittel zur Verfügung, um diese Gunst der Stunde für sich zu nutzen. Von daher war Lafontaine einfach out und mußte raus.


Bolschewik #12, Mai 1999