Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) — Der Bundeswehr/NATO-Krieg gegen Serbien und die PDS (Leserbrief). In: Bolschewik 9 (2000) Nr. 13, S. 15. — Version: 2023-04-10. — Geladen: 2024-03-29
URL: http:// bolshevik.org/deutsch/bolschewik/ibt_bol13_2000-08.html

Leserbrief:

Der Bundeswehr/NATO-Krieg gegen Serbien und die PDS

Die zur Schau getragene Position der PDS gegen die Bundeswehr/NATO-Aggression gegen Serbien war für viele Linke Anlass sich im Sinne von Aktionseinheiten an Demonstrationen der PDS zu diesem Thema zu beteiligen. Allerdings geben die Begründungen des Neuen Deutschland ein anderes Bild zur 'Antikriegshaltung' der PDS ab, als es aufgrund der spektakulären Äußerung von Gregor Gysi vor dem Deutschen Bundestag zu dieser Frage den Anschein hatte.

Am 7. Juni 1999 stellte sich der Ehrenvorsitzende der PDS, Hans Modrow, auf einer Wahlveranstaltung in Berlin als Kandidat zum europäischen Parlament vor, unter dem Titel 'Gegen ein Europa von NATO Gnaden'. In seiner Rede machte er darauf aufmerksam, dass die Aufnahme der Staaten des Warschauer Pakts in die Europäische Union durch das Tor der NATO geht und er wies darauf hin, dass trotz der Auflösung des Warschauer Pakts im Jahre 1990 die atomare Erstschlagskapazität der NATO auch danach ausdrücklich aufrechterhalten und verteidigt wird. Um so verwunderlicher ist es, dass Hans Modrow in Anbetracht dieser Situation, in einem Interview des Neuen Deutschland immer wieder betont, dass es darum gehe, die Rolle der EU, UNO und OSZE zu stärken, um somit, wie er sagt, für eine friedliche Lösung des Konflikts auf dem Balkan eintreten zu können.

Die Zusammensetzung der EU ist fast mitgliederidentisch mit den europäischen NATO-Partnern. Und auch in der UNO tauchen dieselben Gesichter von Blair, Clinton, Schröder, Jospin u.a. immer wieder auf. Die denken überhaupt nicht daran sich von einem gegenteiligen Votum von China und Rußland im Sicherheitsrat von ihren Kriegsabsichten abhalten zu lassen. Unter der Fahne der NATO iniierten sie ihren Krieg elf Wochen lang gegen Serbien und verwandelten Belgrad sowie andere Städte des Landes und auch des Kosovo unter ihrem gezielten Bombenhagel in ein flammendes Inferno. Sie setzten ein furchterregendes Fanal zur Konstituierung einer offen praktizierenden 'Ordnungsmacht'. Vor allem wenn man bedenkt, dass hier in einer menschenverachtenden Zerstörungswut durch die NATO-Schergen Krankenhäuser, ganze Wohnviertel, Elektrizitätswerke, Wasserwerke und Tabakfabriken in Schutt und Asche gelegt wurden - kurz die gesamte Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung gründlichst zerstört wurde. Gerade im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Jugoslawien erwies sich die UNO weder einflußreicher noch besser als einst der Völkerbund.

Auf diesen Widerspruch in der Argumentation hin angesprochen entgegnete Hans Modrow auf der berliner Veranstaltung, dass der angeführte Vergleich von Völkerbund und der UNO hinkt. Er sagte zur Begründung, der Völkerbund habe den 2. Weltkrieg nicht verhindern können. Was sie sozialdemokratischen Regierungen in Europa mit den NATO-Militaristen gegen Serbien begonnen haben, hätte sich durch das militärische Eingreifen Rußlands zugunsten von Serbien zu einem Weltkrieg ausweiten können. Es war für alle Welt offenkundig, dass die friedensstiftende Rolle der UNO bei diesem Krieg nicht sehr hoch zu veranschlagen war. Jeder, der hierzu nur die Tagespresse verfolgt hat, weiß welche Rolle Kofi Annan bei den Kriegsvorbereitungen spielen durfte - von seiner Rolle während des Krieges , im wahrsten Sinne des Wortes, ganz zu schweigen.

Die Charakterisierung des Völkerbundes durch Lenin im Jahr 1920 und der Vergleich mit der UNO in der jetzigen Situation - insbesondere was die inzwischen vollzogene Umwandlung der deformierten Arbeiterstaaten in Osteuropa Anfang der neunziger Jahre betrifft - ist somit recht naheliegend. In den Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale heißt es unter Punkt 6.: "Jede Partei, die der III. Internationale angehören will, ist verpflichtet, nicht nur den offenen Sozialpatriotismus, sondern auch die Falschheit und Heuchelei des Sozialpazifismus zu entlarven: den Arbeitern systematisch vor Augen zu führen, dass ohne revolutionären Sturz des Kapitalismus keinerlei internationales Schiedsgericht, keinerlei Gerede von Einschränkungen der Kriegsrüstungen, keinerlei 'demokratische' Reorganisation des Völkerbunds imstande sein wird, die Menschheit vor neuen imperialistischen Kriegen zu bewahren." Und auf der Rede der Konferenz der Vorsitzenden der Exekutivkomitees heißt es bei Lenin u.a.: "… Es zeigt sich, dass es keinen Völkerbund gibt, dass der Bund der kapitalistischen Mächte nichts als Betrug ist und dass es sich in Wirklichkeit um einen Bund von Räubern handelt, von denen jeder darauf ausgeht, dem anderen etwas wegzuschnappen …." (LW, Bd. 31).

Als 1951 die Delegation der Sowjetunion bei den Abstimmungen in der UNO zum Koreakonflikt nicht aufpaßte, nutzten die Amerikaner die Gelegenheit und fanden eine Mehrheit; so setzten ihre Ledernacken sich die Blauhelme auf und brandschatzten Korea, bekannt als Koreakrieg. In den sechziger Jahren gelang es dem Pentagon nicht, die UNO für ihren militärischen Überfall auf Vietnam zu nutzen. Trotzdem fand die Kriegsaggression statt und Millionen Vietnamesen wurden im Krieg umgebracht. 1991 wurde mit Zustimmung einer UNO-Resolution gegen den Irak eine gewaltige Militärattacke geführt. Danach wurden gegen den Irak durch eine UNO-Resolution Handelssanktionen verhängt, was zu einer chronischen Unterversorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten im Lande führte und in dessen Folge inzwischen über eine halbe Million Kinder und Alte wegen Unterernährung, bzw. wegen des Mangels an medizinischer Versorgung sterben mußten. Das UNO-Embargo ist eine Kriegsmaßnahme die 1991 auch von der PDS unterstützt wurde!

Ob NATO oder UNO - beides sind zwar nicht ein und dieselbe Organisation - aber in beiden sind jeweils die von Lenin so treffend bezeichneten imperialistischen Räuber versammelt und keiner von ihnen gibt seine imperialen Ziele an der Garderobe ab, wenn er als Kriegsaggressor durch seine Delegierten eine UNO-Versammlung besucht. Inzwischen sind die Kriegsziele der Aggressorstaaten im Kosovo längst durch UNO-Beschlüsse sanktioniert: Unter der NATO bombardiert und unter dem Aushängeschild UNO besetzt. Ein neues Etikett für dieselbe Politik. Das ist Etikettenschwindel! Hans Modrow und die PDS können gar keine Politik 'Gegen ein Europa von NATO Gnaden' betreiben, weil sie diesen Schwindel decken.

Hans Modrow sprach von einer linken Fraktion im Europäischen Parlament, die er mit bilden und unterstützen will. Er sprach in diesem Zusammenhang von der KPF, die mit dazugehören soll. Die KPF gehört zu den eindeutigen Kriegsbefürwortern. Sie sitzt in der französischen Regierung und sie hat keinen Zweifel darüber gelassen, dass sie mit den NATO-Militaristen gemeinsame Sache macht. Entweder ist das ein fauler Block oder die PDS war in Wirklichkeit nur aus gegebenen konjunkturellen Bedingungen heraus gegen den Krieg auf dem Balkan. Was an dieser Fraktion dann links sein sollte, bedarf wohl noch der Erläuterung! Die derzeit von der SPD enttäuschten Serben, die in großer Zahl auf den Demonstationen der PDS mitliefen und auf den Kundgebungen, wie am 8. Mai ihre Hoffnung auf ein baldiges Ende der Bombardierung ihrer Heimat zum Ausdruck brachten, werden hier vom Teufel zum Belzebub geschickt.

Eine Stimme für die PDS zum Europaparlament hätte geheißen, sich in ein Boot mit den Sozialchauvinisten Schröder, Blair, D'Alema, Jospin, Solana und Hue zu setzen! Die Bundeswehr und die anderen imperialistischen Truppen, ob NATO oder UNO, müssen raus aus dem Balkan. Es war die Pflicht der Arbeiterbewegung und der Linken Serbien militärisch zu verteidigen! Den Kriegsverbrechern im eigenen Land muss das Handwerk gelegt werden! Nur eine Regierung der Arbeiter in Europa wird weitere Kriegsgemetzel verhindern können!