Nieder mit dem NATO-Krieg gegen Libyen!

Im März beschloss die UNO eine militärische Einmischung in den libyschen Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Muammar al-Gaddafi und der Opposition im Osten des Landes. Deutschlands Regierung profilierte sich am Anfang des Konfliktes mit einem Alleingang. Die Enthaltung bei der Abstimmung über die UN-Kriegsresolution 1973 war ein Zeichen der Stärke des deutschen Imperialismus. Die Zeiten, in denen die USA auf automatische deutsche Unterstützung zählen konnten, sind lange vorbei. Doch hinter diesem Alleingang stand auch die Angst, in ein militärisches Abenteuer hineingezogen zu werden, dessen Ausgang offen ist. Die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, die kurz nach der Abstimmung in der UNO anstanden, durften ein weiterer Grund für die Enthaltung gewesen sein. Auch die Ankündigung, das deutsche Kontingent bei der Besatzung Afghanistans aufzustocken, zeigt, dass für den deutschen Imperialismus andere Prioritäten gelten.

Nachdem der Kriegseinsatz gegen Libyen losging, stieg Deutschland aber bei der Diskussion, wie es mit Libyen nach einem Sturz Gaddafis weitergehen solle, wieder voll ein. Auch Deutschland hat ein Interesse daran, dass eine neue Regierung weiterhin Öl liefert. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, warum man in Libyen eine dem westlichen Imperialismus wohlgesinnte Regierung braucht: Als Pufferstaat gegen Flüchtlinge, die dem Elend und dem Chaos, Folgen des kapitalistischen Weltmarktes in ihren Ländern, entfliehen wollen. Gaddafi war für die EU eine nützliche Autorität gewesen, als es darum ging, einen Vorposten für die rassistische Festung Europas zu haben. Man bezahlte ihn, damit er die afrikanischen Flüchtlinge, die nach Europa wollten, aufhielt.

Ein Vorfall im Mittelmeer verdeutlichte die Barbarei, die vom Imperialismus und seinen Kriegen ausgeht. Ein Flüchtlingsboot, das Ende März in Tripolis gestartet war, kam in Seenot. Trotz der erheblichen Präsenz der imperialistischen Flotte und trotz eines Seenotrufes der Flüchtlinge, griffen die Kriegstreiber nicht ein, und ließen die Flüchtlinge auf offener See sterben. Von 70 gestarteten Flüchtlingen überlebten lediglich 10. Der Rest starb, unter Aufsicht der NATO-Marine, an Hunger und Durst.

Opposition in Libyen: Stiefellecker des Imperialismus

Innerhalb der Linken und Arbeiterbewegung existiert allgemeine Verwirrung in der Frage, wie man die Opposition zu Gaddafi einschätzen soll. Nachdem in Tunesien und Ägypten Massenbewegungen für ein Ende der jeweiligen Regierungsführer sorgten, war man erst erfreut darüber, dass es auch in Libyen zu Protesten kam, und dann um so verwirrter, als die Opposition innerhalb kürzester Zeit die UNO, die EU und die NATO anflehte, ihnen Gaddafi mit militärischen Mitteln vom Hals zu schaffen.

Die pro-imperialistische Opposition in Libyen ist kein spontanes Produkt der Unzufriedenheit der verarmten und unterdrückten Massen, die mit dem Mut der Verzweiflung gegen das übermächtig erscheinende Regime anrennen, sondern eine von CIA und einer Reihe von europäischen Regierungen von langer Hand geplante „Bewegung“. Die Nationale Front zur Rettung Libyens bestand schon seit 1981 mit Verbindungen zur CIA. Dass diese Opposition schon lange Gespräche mit der EU und den USA über die Beseitigung Gaddafis führte, ist keine Sensation, aber eine Erklärung für das blitzschnelle Zuschlagen der NATO-Kräfte, allen voran Frankreich. Die Proteste in Libyen waren für London, Paris und Washington eben keine Überraschung.

SPD und Grüne: „Ja“ zu Krieg und Sanktionen

Die bürgerliche Arbeiterpartei SPD war empört über die Enthaltung der Regierung von Guido Westerwelle und Angela Merkel im UNO-Sicherheitsrat. Die SPD möchte an der Seite der anderen NATO- und EU-Imperialisten Libyen rekolonialisieren. Sie nimmt damit eine aggressivere Haltung als die Union ein und betont, dass sie sich auch von den alten „Grundsätzen“ der „Nichteinmischung“ verabschiedet hat:

Wer Krieg gegen sein eigenes Volk führt, muss mit Sanktionen rechnen und er ist vor internationaler Strafverfolgung nicht sicher. Diese neue Tendenz im Völkerrecht wird immer wichtiger und sie lässt den alten Grundsatz, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht in „innere Angelegenheiten“ eines anderen Staates einmischen darf, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen zunehmend zurücktreten.
— Markus Engels (Stellvertretender Leiter der Internationalen Abteilung beim SPD-Parteivorstand): Aufbruch in Nordafrika. 25. März 2011. Website der SPD: http://www.spd.de/aktuelles/News/11028/20110325_aufbruch_in_nordafrika.html.

Die Grünen, bürgerlich wie ein Vorgarten, sehen den imperialistischen Angriff auf Libyen mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite drücken sie Besorgnis um die Zivilbevölkerung aus, auf der anderen Seite befürworten sie massive imperialistische Sanktionen gegen die Gaddafi-Regierung. Natürlich unterstützen die Grünen die pro-imperialistische Opposition und bemühen sich deren Perspektive als demokratisch und revolutionär zu verkaufen. Die Opposition selbst zeigt ihre kaufmännischen Qualitäten und macht sich daran, das Erdöl unter ihre Kontrolle zu bringen – selbstverständlich als Teil der „demokratischen“ Umwälzung. Da es nun zum Krieg gekommen ist, wollen die Grünen zumindest noch die Spielregeln kommentieren:

Eine militärische Eroberung der Herrschaftsgebiete Gaddafis lehnen wir ab. Der militärische Einsatz muss strikt an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden und verhältnismäßig im Einsatz der Mittel sein.
— Claudia Roth (Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine einfache Entscheidung. 18. März 2011.
Website von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/keine-einfache-entscheidung.html
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN : Ordentlicher Länderrat 2011, Mainz, 19. März 2011. Revolutionäre Veränderungen in Nordafrika und im Nahen Osten (Beschluss).
Website von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Beschl%C3%BCsse/Beschluesse_Laenderrat/Mainz_2011/Beschluss_Mainz2011_Revolutionaere_Veraenderungen_in_nordafrika.pdf

Nach Ansicht der Grünen muss der Krieg nunmal human geführt werden. Diese Nachricht wird die libyschen Zivilisten, die mit NATO-Raketen bombardiert werden, sicherlich beruhigen.

Die LINKE hingegen weist auf die Rolle der BRD im Nahen Osten hin:

Deutschland hat mit den Diktatoren in der arabischen Region nicht nur verhandelt, sondern bis fünf nach zwölf paktiert. Deutschland hat Waffen und Ausrüstungen geliefert und Ausbildungen durchgeführt.(…) Der deutschen Politik war es gleichgültig, dass in diesen Ländern Demokraten verfolgt wurden, in den Gefängnissen saßen und noch sitzen, dass in diesen Ländern gefoltert wurde und wird, dass Frauen unterdrückt werden. Auch im Krieg paktiert Deutschland mit Saudi-Arabien. Saudi-Arabien mordet mit seinen Truppen Aufständische in Bahrein. Saudi-Arabien unterdrückt alle demokratischen Bewegungen im eigenen Land.
— Partei Die Linke. Parteivorstand: Stoppt den Krieg in Libyen! Frau Merkel, keine Unterstützung für den Krieg! Resolution, 20. März 2011.
Website der Partei Die Linke: http://die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand20102012/beschluesse/stopptdenkrieginlibyenfraumerkelkeineunterstuetzungfuerdenkrieg/

Doch anstatt dem deutschen Imperialismus den Krieg zu erklären und die Arbeiterklasse gegen deutsche Truppen in Afghanistan zu mobilisieren, bleibt sie einmal mehr auf dem Pfad des bürgerlichen Parlamentarismus:

Was kann getan werden? DIE LINKE hat im Bundestag vorgeschlagen, den Export von Waffen und Rüstungsgütern in den gesamten Nahen Osten sofort und dauerhaft zu stoppen. Das kann ein erster Schritt zum weltweiten Waffenexportverbot sein. DIE LINKE will sofort den Export und Import von Öl aus Libyen in die Europäische Union stoppen. Wenn kein Öl mehr fließt und kein Geld mehr kommt, wächst die politische Vernunft. DIE LINKE will, dass sich Europa und Deutschland für Flüchtlinge öffnen.
— Ebenda

Wir werden es vermutlich nie erfahren, ob „die politische Vernunft“ von DIE LINKE wirklich wachsen würde, wenn „kein Geld mehr kommt“, aber man kann jetzt bereits mit Sicherheit festellen, dass die LINKE versucht mit pazifistischen Appellen auf Wählerfang zu gehen. Gleichzeitig deutet man an, das der Krieg gegen Libyen ein taktischer Fehler ist, da er Gaddafi mehr nutzt als dem Imperialismus:

„Der Krieg stärkt Gaddafis autoritäre Herrschaft. DIE LINKE ist solidarisch mit den Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit für eine freie, demokratische und sozial gerechte Heimat eintreten.“
— Ebenda

Die Bedenken sind also rein taktischer Natur. Die LINKE bezieht sich auch uneingeschränkt positiv auf die libysche Opposition, wie es die bürgerliche Presse auch tut, und dichtet den CIA-Handlangern und Islamisten einen progressiven Charakter an.

Imperialismus: Barbarei ohne Ende?

Der Siegstaumel der USA und die Genugtuung der restlichen imperialistischen Welt über die Ermordung Osama Bin Ladens durch eine US-Spezialeinheit, steht dem gestockten Versuch der militärischen Zerschlagung des Gaddafi-Regimes gegenüber. Obwohl auch die NATO mit gezielten Angriffen auf die Gaddafi-Familie versuchte, das Regime zu stürzen, sieht es so aus, als ob dieses alles andere als ein Kartenhaus ist.

Solange die imperialistische Allianz Krieg gegen Libyen führt, werden wir zur militärischen Verteidigung Libyens aufrufen! Das umfasst die Notwendigkeit von Arbeiterstreiks gegen Waffen- und Logistiktransporte für die imperialistischen Truppen. Doch wir geben Gaddafi keine politische Unterstützung — er muss durch die Macht der libyschen, multinationalen Arbeiterklasse gestürzt werden! Dafür braucht es eine revolutionäre Partei, die gegen die imperialistische Intervention vorgeht, die den Charakter der jetzigen Gaddafi-Opposition schonungslos aufdeckt, und die für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse eintritt.

Zerschlagt den Imperialismus durch Arbeiterrevolution!


Erklärung der Internationalen Bolschewistischen Tendenz vom 2011-04-01 zum NATO-Krieg gegen Libyen:
Defeat the Imperialists! Defend Libya Against NATO Aggression!