Trotzkistisches Bulletin Nr. 3

NEPAL
„Volkskrieg“ im Himalaya

Maoistische „Neue Demokratie“ oder Permanente Revolution?

Am 13. Februar 1996 begann die Kommunistische Partei Nepals (Maoisten) [KPN(M)] einen „Volkskrieg“ in einem der rückständigsten und ärmsten Länder der Welt. Der casus belli war die Weigerung der regierenden Koalition unter Führung der Nepalesischen Kongresspartei, eine 40 Punkte umfassende Liste mit Forderungen der maoistischen Vereinigten Volksfront von Nepal anzusprechen, darunter die Forderung nach einer „neuen Verfassung […] entworfen von gewählten Vertretern des Volkes“ und nach einem Ende der „besonderen Rechte und Privilegien des Königs und seiner Familie“ (Karki & Seddon 2003, S. 184 [Eig. Übers.])Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494 S..

Innerhalb von 24 Stunden hatten maoistische Rebellen und ihre Sympathisanten eine Vielzahl von Zielen im ganzen Land angegriffen. Das Büro der staatlichen Landwirtschaftlichen Entwicklungsbank [Agricultural Development Bank] im zentralen Distrikt Gorkha (die historische Heimat der berühmten „Gurkha“ Söldner) wurde geplündert und Unterlagen über Schulden im Wert mehrerer Millionen Rupien wurden verbrannt. In der maoistischen Hochburg der westlichen Distrikte Rolpa und Rukum wurden Polizeistützpunkte gestürmt und Waffen erobert. Laut Aussagen der KPN(M) wurden Teile eines Abfüllbetriebs von Pepsi in der Hauptstadt Kathmandu „abgefackelt“; die Schnapsfabrik eines „Kompradorenbourgeois“ in Gorkha „wurde in die Luft gejagt“ und beim Überfall auf das Haus eines „berüchtigten feudalen Wucherers“ in Ost-Nepal wurden 1,3 Millionen Rupien in bar beschlagnahmt und viele Kreditverträge vernichtet (Thapa & Sijapati 2004, S. 50 [Eig. Übers.])Thapa, Deepak. ; Sijapati, Bandita: A kingdom under siege : Nepal's Maoist insurgency, 1996 to 2003. The Printhouse, 2004..

Eine Woche nach der Erklärung des „Volkskriegs“ erklärte Innenminister Khum Bahadur Khadka:

Ich bin zuversichtlich, dass wir imstande sein werden, die gegenwärtigen Aktivitäten binnen vier oder fünf Tagen unter Kontrolle zu bringen.
Sharma 2004, S. 49 [Eig. Übers.]Sharma, Sudheer: The Maoist Movement: An Evolutionary Perspective. In: Hutt 2004a. S. 38-57
Hutt 2004a
Hutt, Michael (Hrsg.): Himalayan ‘people's war’ : Nepal's Maoist rebellion. London : Hurst, 2004, 322 S.

Bis zum Ende der zweiten Woche gab es fast 5.000 Vorfälle, von Angriffen auf Polizeistützpunkte bis zur Enteignung von Grundeigentum. Khadka wurde bald ersetzt, sechs Jahre später aber wieder eingesetzt. Zu dieser Zeit waren 60 bis 70 Prozent des ländlichen Nepal unter maoistischer Kontrolle; Anfang 2005 waren es 80 Prozent.

Der überraschende Erfolg der Guerilla wurde durch Nepals bergiges und weitgehend unzugängliches Gelände erleichtert sowie durch die Unerfahrenheit und wahllose Brutalität der Sicherheitskräfte des Regimes und durch Käuflichkeit, Kurzsichtigkeit und Inkompetenz der herrschenden Klasse. Doch der wichtigste Faktor war der maoistische Einsatz zur Organisierung eines Volkskampfes gegen Unterdrückung. Während Trotzkisten für eine Strategie des proletarischen Massenaufstands an Stelle eines ländlichen „Volkskriegs“ eintreten, stehen wir eindeutig auf Seiten der maoistischen Rebellen in ihrer militärischen Konfrontation mit der nepalesischen Bourgeoisie.

Die Strategie der KPN(M) wurde in einer Erklärung skizziert, die überall in Nepal am ersten Tag des „Volkskrieges“ zu Hunderttausenden verteilt wurde. Sie wies „Feudal-, Kompradoren- und bürokratisch kapitalistischen Herrschern“ (Karki & Seddon 2003, S. 188 [Eig. Übers.])Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494 S. die Schuld für Nepals wirtschaftliche Unterentwicklung und un­demokratische politische Struktur zu:

Die Kommunistische Partei Nepals (Maoisten), die proletarische Partei der Söhne und Töchter der Volksmassen, hat beschlossen, den Prozess der zwangsweisen Zerschlagung dieses reaktionären Staates und der Schaffung eines neuen demokratischen Staates einzuleiten. Dieser Entschluss basiert auf dem Gefühl des Dienstes und der Hingabe gegenüber dem Volk, auf der Verpflichtung gegenüber der allmächtigen Ideologie des Marxismus-Leninismus-Maoismus, um die Menschheit ein für alle Mal vom Joch der Klassenausbeutung zu befreien und auf dem Studium der Geschichte der nepalesischen Gesellschaft in diesem Lichte […] Dieser Weg wird sich dadurch entfalten, dass im Einklang mit der historischen Etappe der Entwicklung Nepals von allen Kampfformen Gebrauch gemacht wird, und vor allem, wie wir es schon immer gesagt haben, im Einklang mit der Strategie der Einkreisung der Stadt vom Land aus, mit der Agrarrevolution als Achse und mitten aus und verbunden mit dem ländlichen Klassenkampf.
Karki & Seddon 2003,  S. 192 [Eig. Übers.]Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494  S.

Der maoistische Aufruf zum Klassenkampf war nicht nur rhetorisch. Ein signifikanter sozioökonomischer Wandel wurde in ihren ländlichen „Basisgebieten“ vorgenommen, wo Großgrundbesitz neu verteilt, Schulden der Bauern erlassen, landwirtschaftliche Gemeinden gegründet, rudimentäre Straßen- und Bewässerungssysteme gebaut wurden und eine Parallelregierung eingerichtet wurde. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung wurde Frauen, unteren Kasten und Gruppen ethnischer/nationaler Minderheiten zum ersten Mal rechtliche Gleichstellung zur Teilhabe an den Vorteilen der sinnvollen, wenn auch bescheidenen, soziale Reformen eingeräumt.

Der Erfolg der nepalesischen Maoisten lief der herrschenden „Tod des Kommunismus“-Propagandaoffensive der bürgerlichen Ideologen in der unmittelbar post-sowjetischen Zeit zuwider und übte weltweit einen spürbaren Einfluss auf neue Schichten von Kämpfern aus. Nach dem Sieg der Konterrevolution in der UdSSR und Ost-Europa und der Niederlage oder Vereinnahmung der meisten aufständischen linksnationalistischen Bewegungen in der Dritten Welt, hatten sich viele junge Linke an die amorphe und oft unverhohlen reformistische Politik von „Antiglobalisierung“, Anarchismus und neokolonialer „Solidarität“ geklammert. Aber für die von Gipfelhopping und moralischer Zeugenschaft Enttäuschten erneuerte die Wiederbelebung der maoistischen Guerrilla in Nepal, Indien und den Philippinen die Attraktivität von „Marxismus-Leninismus-Mao-Zedong-Ideen“. Die Financial Times warnte, dass die „Bedrohung durch den Maoismus ein Comeback erfahre“. (Mallet 2006 [Eig. Übers.])Mallet, Victor: The menace of Maoism is making a comeback. In: Financial Times (FT.com) (2006 02 21).

Historischer Kompromiss der KPN(M)

Das Jahr 2006 erwies sich als Wendepunkt für den nepalesischen „Volkskrieg“. Im April lähmten ein Generalstreik und eine 19 Tage währende Massenmobilisierung in Kathmandu und anderen Zentren die Monarchie. Während die Maoisten erfolgreich „die Stadt vom Land aus umzingelten“, spielten sie im Streik nur eine untergeordnete Rolle. Nach einer Verhandlungsrunde mit bürgerlichen und stalinistischen parlamentarischen Parteien stimmte die KPN(M) zu, sich am „Mehrparteienwettbewerb innerhalb eines antifeudalen und antiimperialistischen verfassungsrechtlichen Rahmens“ zu beteiligen (Verma & Navlakha 2007, S. 1843)Verma, Anand Swaroop; Navlakha, Gautam: Peoples War in Nepal : Genesis and Development. In: Economic and Political Weekly (19 May 2007).. Nachdem die Maoisten zwei Jahre später bei den Nationalwahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung eine Mehrheit gewonnen hatten, bildeten sie eine Koalitionsregierung mit Elementen, die sie einst als Mitglieder des „reaktionären Lagers“ denunziert hatten.

Der Preis für die Zulassung zur etablierten bürgerlichen Politik war gepfeffert: Von Gutsbesitzern und Kapitalisten beschlagnahmtes Grundeigentum und Fabriken wurden zurückgegeben, die „Volksgerichte“ und „Volkskomitees“ aufgelöst und die Guerillakräfte der Volksbefreiungsarmee entwaffnet. Als die KPN(M) im Mai 2009 schließlich nach einem Verfassungsstreit aus der Regierung geschmissen wurde, hatte sie wenig für die Opfer von so vielen ihrer Unterstützer vorzuweisen, von denen Tausende im „Volkskrieg“ ums Leben gekommen waren. Im Gegensatz dazu befand sich Nepals herrschende Elite danach in einer viel stärkeren Position.

Das Ergebnis der Wiederannäherung der KPN(M) an die herrschende Klasse, die weiterhin die Konturen der nepalesischen Politik bestimmt, hat international beträchtliche Zwietracht und Verwirrung unter den maoistischen Strömungen erzeugt. Viele verteidigen die Koalition der KPN(M) als ein Beispiel taktischer Flexibilität. Linkere Elemente charakterisieren sie als „Verrat“ infolge einer „rechten opportunistischen Linie“ der Anpassung an bürgerliche Reaktionäre, anstatt eine „neudemokratische Allianz mit „progressiven“ Kapitalisten zu schmieden.

Letztlich ignorieren links-maoistische Kritiker der KPN(M) genauso wie deren rechte Apologeten die grundlegende politische Tatsache, dass Versöhnung mit bürgerlicher Herrschaft das logische Ergebnis der Klassenkollaboration ist, die im Zentrum von Mao Zedongs Konzept der Neuen Demokratie liegt, die lediglich eine Variante der stalinistischen/menschewistischen Vorstellung ist, dass halbkoloniale Länder eine Periode der kapitalistischen Entwicklung durchlaufen müssen, bevor die proletarische Revolution auf die historische Tagesordnung gesetzt wird. Aus dieser „Zwei-Etappen“-Theorie der sozialistischen Revolution ergibt sich zwangsläufig, dass die „nationale Bourgeoisie“ (im Gegensatz zu den schlechten „Kompradoren“kapitalisten) als eine Verbündete der Arbeiterklasse und der Bauern identifiziert wird. Die Aussage der KPN(M) vom Februar 1996 machte dies deutlich:

[O]b es sich um Arbeiter, Bauern, Frauen, Lehrer, Studenten, kleine Händler, untere Beamte, Ärzte, Professoren oder Mitglieder anderer Klassen, einschließlich der nationalen Bourgeoisie, handelt, alle sind Opfer dieses Feudalstaates, der Kompradoren und bürokratischen Kapitalisten.
Karki & Seddon 2003,  S. 189 [Eig. Übers.]Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494  S.

Dieser kleinbürgerliche Utopismus leitet sich von einer bäuerlich begründeten, ländlich geprägten Weltanschauung her. Von der KPN(M), wie von Mao selbst, werden Arbeiterkämpfe im Wesentlichen als Ergänzung zur umfassenden Strategie der Einkreisung der Städte durch bäuerliche „Basisgebiete“ gesehen. Als das Proletariat schließlich doch, unabhängig von den Maoisten, seinen Kopf erhob, reichte es, selbst die glühendsten Monarchisten davon zu überzeugen, dass der einzige Weg zur Besitzstandswahrung für die herrschende Klasse die Entscheidung für eine Republik wäre. Die Festlegung der KPN(M) auf die Zwei-Etappen-Theorie führte zur Unterordnung der Arbeiterklasse und der armen Bauern unter die frischgebackene „antifeudal“ geprägte nationale Bourgeoisie.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Arbeiter und die Unterdrückten auf dem Altar der Zwei-Etappen-Revolution geopfert wurden. Doch anders als 1963 im Irak, 1965 in Indonesien oder 1973 in Chile, haben Nepals Herrscher die Arbeiterklasse noch nicht erfolgreich enthauptet und die Linke in den Untergrund getrieben. Belebt durch seine Demonstration der Stärke im April 2006 und von der Wiederherstellung bestimmter bürgerlich-demokratischer Rechte profitierend, scheint das nepalesische Proletariat so kämpferisch und politisch bewusst wie seit jeher zu sein. Aber diese Militanz stellt eine Gefahr dar, die die Bourgeoisie unweigerlich zu zermalmen versuchen wird. Während sich die Gewitterwolken der Reaktion verdichten, müssen Nepals Arbeiter versuchen, ihre eigenen unabhängigen politischen Organe mit der Perspektive zu schaffen, alle Unterdrückten in einen revolutionären Kampf um die Ergreifung der staatlichen Macht zu führen.

I. Kombinierte und ungleichmäßige Entwicklung: Nepal, China und Indonesien

Westliche Reiseveranstalter werben für Nepal als „Land der Kontraste“. 2004 kommentierte Michael Hutt:

Ihre Broschüren und Ratgeber haben regelmäßig den dampfenden Dschungel der exklusiven Atmosphäre der hohen Schneegipfel und das moderne urbane Treiben Kathmandus den „traditionellen“ Lebensweisen entlegener ethnischer Gemeinschaften des Königreichs gegenüber gestellt. Allerdings gibt es viele andere Gegensätze und Widersprüche, die nicht in der touristischen Literatur zu finden sind: Zwischen der verfassungsrechtlichen Definition Nepals als hinduistischer Staat und der Existenz bedeutender religiöser Minderheiten; zwischen seinem Status als Mehrparteiendemokratie unter einer konstitutionellen Monarchie und der langfristigen Präsenz einer gut verankerten kommunistischen Bewegung, zwischen seinem Status als Einheitsstaat mit einer Amtssprache und der Anwesenheit vieler verschiedener ethnischer Gruppen innerhalb seiner Grenzen, die Dutzende verschiedener Sprachen sprechen; zwischen seinem Status als eines der meist geförderten „Entwicklungs“länder der Erde und der Verarmung und Marginalisierung eines großen Teiles der Bevölkerung sowie zwischen seinem Ruf als Land des Friedens und der rücksichtslosen Gewalt in den Machtkämpfen, die in verschiedenen Augenblicken seiner Geschichte ausgetragen wurden.
Hutt 2004b, S. 1f [Eig. Übers.]Hutt, Michael: Monarchy, democracy and Maoism in Nepal. In: Hutt 2004a
Hutt 2004a
Hutt, Michael (Hrsg.): Himalayan ‘people's war’ : Nepal's Maoist rebellion. London : Hurst, 2004, 322 S.

Etwa 85 Prozent des nepalesischen 30 Millionenvolks leben in ländlichen Gebieten und 75 Prozent verdienen ihren Lebensunterhalt auf dem Land, ob als Lohnarbeiter, Pächter oder Kleinbauern. Die Bevölkerung ist ungleichmäßig über drei ausgeprägte geographische Zonen verteilt:

Im Süden, an Indien grenzend, liegt der fruchtbare niedrig gelegene Streifen des Terai oder der Ebenenregion, Heimat für 48 Prozent der Bevölkerung, vor allem Madhesi. Das zentrale Hochland mit Höhen von rund 600 bis auf über 4000 Metern, einschließlich Kathmandu, hat lange die Politik Nepals dominiert; es umfasst rund 44 Prozent der Bevölkerung. Schließlich ragen die schroffen Gipfel des Nordens – Everest usw. – entlang der Grenze zur Volksrepublik China auf. Die westlichen Mittel- und Hochgebirgsregionen waren immer die ärmsten Teile des Landes und die stärkste Basis für Unterstützung der Kommunisten.
Vanaik 2008, S. 51 [Eig. Übers.]Vanaik, Achin: The New Himalayan Republic, In: New Left Review 49 (2008) January-February,  S. 47-72

2009 betrug Nepals Durchschnittseinkommen, laut US-Außenministerium, $ 470 und 66 Prozent der Bevölkerung lebten von 2 Dollar pro Tag oder weniger. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf sind extrem niedrig – vor Beginn des „Volkskrieges“ gab es keine Krankenhäuser in den Bezirken Rolpa und Rukum. Die Lebenserwartung (60 Jahre) gehört zu den niedrigsten in Südasien, während die Säuglingssterblichkeit zu den höchsten zählt. Nur 62 Prozent der Männer und bloß 26 Prozent der Frauen können lesen. Vielen Dörfern fehlen zuverlässige Strom- und Wasserversorgung sowie Straßen.

Die Verteilung des Wohlstands in Nepal ist extrem ungleich – die unteren 10 Prozent der Haushalte verfügen über 1 Prozent, während das obere Zehntel über mehr als 50 Prozent verfügt. Auf dem Lande sind nach der jüngsten Landwirtschaftszählung (2001) 25 Prozent der Haushalte „landlos“ (ein Anteil, der unter ethnischen Minderheiten höher ist), 28 Prozent „Kleinstbauern“ mit weniger als 1 Hektar und weitere 20 Prozent sind klassifiziert als „Kleinbauern“ mit 1 bis 2 Hektar. Der erbärmliche Grundbesitz der Kleinst- und Kleineigentümer erfordert oft, dass Haushaltsmitglieder auf den Feldern der Großgrundbesitzer für Lohn oder einen Teil der Ernte oder als Lastenträger oder auf andere Weise als Tagelöhner arbeiten. Viele arbeiten als Lohnarbeiter in den urbanen Zentren Nepals und benachbarten Ländern. Tatsächlich arbeiten rund 10 Prozent der Nepalesen im Ausland und ihre Überweisungen schlugen 2008 mit 17 Prozent des Volkseinkommens zu Buch (Economist 2009)Gurkhas in Nepal : Old soldiers fade away ; Nepalis do not see the Gurkhas in quite the same light as the British do. In: The Economist (2009-07-30)..

Landlosigkeit und Mietverhältnisse sind besonders häufig in den südlichen Ebenenregionen des Terai, wo eine Form von Schuldknechtschaft (Kamaiya) fortbesteht. Historisch aus einem System unbezahlter Zwangsarbeitsdienste entstanden, die für die oberen Kasten Brahmanen und Chetris erbracht wurden, gewährt moderne Kamaiya armen Bauern die Abtragung von Schulden (oft gefälschte) gegenüber Großgrundbesitzern. Das System der Kamaiya wurde offiziell im Juli 2000 abgeschafft, als die Zentralregierung unter maoistischem Druck ein Umverteilungsschema einführte. In vielen Fällen jedoch ging das Land, das an ehemalige Zwangsarbeiter sparsam verteilt worden war, schnell an die Grundherren zurück, weil sich die unter der Kamaiya Verarmten wieder verschuldeten.

Die eklatante Ungleichheit beim Landeigentum, die Fortdauer der Naturalpacht, das Weiterbestehen der Zwangsarbeit und die primitive Landwirtschaftstechnik (Handwerkzeuge und von Tieren gezogene Geräte) werden oft von Journalisten und Universitätsprofessoren als Beweis für den feudalen oder halbfeudalen Charakter von Nepals Wirtschaft angeführt. Es gibt eine Tendenz, die Rückständigkeit des Landes den „extrahierenden“ Neigungen seiner korrupten politisch-wirtschaftlichen Eliten und ihrer angeblichen Isolation von der Weltwirtschaft zuzuschreiben und den Schluss zu ziehen, dass, wenn „Feudalismus“ das Problem ist, dann (mehr) Kapitalismus und eine weitere Integration in den Weltmarkt die Lösung sind.

Maoistische Intellektuelle haben nützlichere und anspruchsvollere Analysen der nepalesischen Unterentwicklung dargelegt, wobei sie den Schwerpunkt auf die Rolle von Klassenausbeutung und Imperialismus legen. Baburam Bhattarai, der führende Theoretiker und die Nummer zwei (nach Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda) der KPN(M), schrieb eine Doktorarbeit an Indiens Jawaharlal Nehru Universität in den 1980er Jahren, die später unter dem Titel Die Natur der Unterentwicklung und der regionalen Struktur in Nepal: Eine marxistische Analyse (Bhattarai 2003b, [Eig. Übers.]Bhattarai, Baburam: The nature of underdevelopment and regional structure of Nepal : a Marxist analysis. Delhi : Adroit Publ., 2003. XX, 540 S. veröffentlicht wurde. Bhattarais Studie ist ein ernsthafter Versuch, ein detailliertes historisch-materialistisches Verständnis der nepalesischen politischen Ökonomie zu entwickeln. Seine Grundthese lautet prägnant in einem der Hauptdokumente der KPN(M):

Nach dem Aufstieg des Kapitalismus zur höchsten Stufe, Imperialismus, ist, wegen des, dem kapitalistischen Entwicklungsprozess innewohnenden, Zentralisierungs- und Konzentrationsprozesses, kein gesellschaftliches System in der Welt imstande, außerhalb des Einflussbereiches der imperialistischen Intervention zu verbleiben. Je primitiver und rückständiger diese sozialen Systeme sind, desto mehr schädigt der Einfluss der imperialistischen Intervention ihren internen Entwicklungsprozess. Besonders im Fall von Gesellschaften, die an der Schwelle des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus stehen, verzerren die Auswirkungen des Imperialismus die inneren Produktionsverhältnisse, indem sie das Wachstum des Kapitalismus von Kompradoren und Bürokraten fördern (also eines Kapitalismus, der sich als Agent des ausländischen Monopolkapitals, in finanziellen und kommerziellen Aktivitäten statt in produktiven Tätigkeiten engagiert und von Anfang an einen monopolistischen Charakter annimmt, indem er sich auf den Staat stützt) anstelle einheimischer Formen von industriellem Kapitalismus.Deshalb ist es notwendig, die Beziehung mit dem Imperialismus zu zerschlagen, während eine fortschrittliche Umwandlung der „internen“ Produktionsverhältnisse durch revolutionäre Mittel herbeigeführt wird.
Bhattarai 2003a, S. 119 [Eig. Übers.]Bhattarai, Baburam: The Political Economy of the People's War. In: Karki & Seddon 2003
Karki & Seddon 2003
Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494 S.

Bhattarais Betonung der Beherrschung des globalen Kapitalismus, der Verwendung rückständiger einheimischer Institutionen durch das Finanzkapital und der Rolle der heimischen „Kompradoren“bourgeoisie als Agent des Imperialismus haben gewisse Parallelen mit dem Konzept der kombinierten und ungleichen Entwicklung, das von dem großen russischen Revolutionär Leo Trotzki erarbeitet wurde. Im Übergangsprogramm von 1938, angenommen auf dem Gründungsparteitag der Vierten Internationale, machte Trotzki folgende Beobachtung:

Koloniale und halbkoloniale Länder sind ihrem Wesen nach rückständige Länder. Aber rückständige Länder sind Teil einer vom Imperialismus beherrschten Welt. Ihre Entwicklung hat daher einen kombinierten Charakter: Die primitivsten Wirtschaftsformen sind kombiniert mit dem neuesten Stand kapitalistischer Technik und Kultur. […]
Die zentralen Aufgaben der kolonialen und halbkolonialen Länder sind die Agrarrevolution, also die Liquidierung des feudalen Erbes, und nationale Unabhängigkeit, also das Abwerfen des imperialistischen Jochs. Beide Aufgaben sind eng miteinander verknüpft.
Trockij 1998, S. 57 [Eig. Übers.]Trockij, Lev D.: The transitional program : the death agony of capitalism and the tasks of the Fourth International / by Leon Trotsky. London [u.a.] : Bolshevik, 1998. [Eig. Übers.]. 218 S.

Es gibt jedoch zwei zentrale Unterschiede zwischen Trotzkis Analyse und jener von Bhattarai. Erstens betonte Trotzki nicht nur das Fortbestehen „primitiver ökonomischer Formen“, sondern auch deren Kombination mit „dem letzten Stand der kapitalistischen Technik und Kultur.“ Bhattarai und die Maoisten tendieren dazu, die dynamische Bedeutung des Wachstums der Lohnarbeit in der Landwirtschaft und die Entwicklung eines kleinen, aber strategisch wichtigen industriellen Sektors im Kathmandu-Tal und im Terai zu unterschätzen oder gar zu ignorieren.

Zweitens stellt die KPN(M), während Trotzki ausdrücklich behauptete, dass die ungelösten Aufgaben der Demokratie und nationalen Unabhängigkeit nur durch eine sozialistische (also proletarische und internationalistische) Revolution sowohl gegen den Imperialismus als auch gegen die „nationale Bourgeoisie“ gelöst werden können, den Kampf „zur Zerschlagung der Beziehung zum Imperialismus“ in einem völlig anderen Licht dar. Bhattarai argumentiert, dass „kein Zweifel besteht, dass die halb feudale Beziehung die wichtigste und entscheidende Beziehung, sowohl qualitativ als auch quantitativ bleibt.“ Das erinnert an Mao Zedongs Behauptung von 1945:

Es sind der ausländische Imperialismus und der einheimische Feudalismus, die für das heutige China überflüssig sind, aber nicht der eigene Kapitalismus; im Gegenteil, es gibt bei uns zuwenig Kapitalismus.
Mao 1969, S. 274Mao, Tse-tung: Über die Koalitionsregierung. In: Ausgewählte Werke / Mao Tse-tung. Bd. 3. Peking : Verl. für fremdspr. Lit., 1969, S. 239-319

Bhattarai und seine Partei stellen eine identische Behauptung für Nepal auf:

Wegen des rückständigen halbfeudalen Staats und des sehr niedrigen Entwicklungsniveaus der Produktivkräfte in Nepal, wäre die grundsätzliche Form der neuen Produktionsverhältnisse am Anfang nicht sozialistisch, sondern kapitalistisch, und erst nach einer Übergangsphase würde eine sozialistische Umgestaltung durchgeführt werden. In der neudemokratischen Etappe gingen Schlüsselindustrien und Finanzunternehmen in Staatseigentum über, einige der größeren Produktionsmittel wären gemeinsames Eigentum des Staates und privater Unternehmen und in der Landwirtschaft, dem größten Sektor der Volkswirtschaft, gäbe es weit verbreitetes Privateigentum der Bauern, während es in Klein- und Mittelindustrie sowie im Handel Eigentum privater Unternehmer und Händler gäbe.
Bhattarai 2003a, S. 155f [Eig. Übers.]Bhattarai, Baburam: The Political Economy of the People's War. In: Karki & Seddon 2003
Karki & Seddon 2003
Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494 S.

Im Gegensatz zum „Halbfeudalismus“ im heutigen Nepal, würde der neudemokratische Kapitalismus der KPN(M) angeblich „unabhängige und autonome Entwicklung produzieren, frei von Unterdrückung und Ausbeutung durch Imperialismus und Expansionismus.“ Er würde auch internationalen Handel „auf der Grundlage von Gleichberechtigung, gegenseitigem Nutzen und nationalen Bedürfnissen“ betreiben, „Land den Bauern“ geben und die Schulden der Bauern abschaffen. Da die KPN(M) die zentrale Achse des sozialen Konflikts am Kampf zwischen „reaktionären“ und „progressiven“ Klassen (anstatt zwischen Ausbeutern und denen, die sie ausbeuten) ausrichtet, ruft sie zu „gemeinsamer Beteiligung“ von Arbeitern, Bauern, Kleinbürgertum und „nationaler Bourgeoisie“ auf, was Joseph Stalin als „Block der vier Klassen“ bezeichnete.

Etappentheorie gegen Permanente Revolution

Im März 1926, während Mao noch ein Lippenbekenntnis zur Idee abgab, dass das industrielle Proletariat eine führende Rolle in der kommenden chinesischen Revolution spielen würde, fragte er:

Wer sind unsere Feinde? Wer sind unsere Freunde? Das ist eine Frage, die für die Revolution erstrangige Bedeutung hat.
Mao 1968, S. 9Mao, Zedong: Analyse der Klassen in der chinesischen Gesellschaft. In: Ausgewählte Werke / Mao Tse-Tung. Bd. 1. Peking : Verl. für fremdspr. Lit., 1968. S. 9-20

Die Passage ist ein Favorit für maoistische Befürworter einer neudemokratischen Allianz mit „progressiven“ Kapitalisten. Nepals Maoisten sind jedoch nicht in der Lage, irgendwelche bürgerlichen „Freunde“ der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft konkret zu identifizieren. Tatsächlich gibt es einen tiefen Widerspruch im Kern der maoistischen politischen Ökonomie. Auf der einen Seite steht die Erkenntnis, dass imperialistische Beherrschung die Bildung einer nationalen Bourgeoisie erstickt, die fähig wäre, signifikante demokratische Reformen und eine einheimische industrielle Entwicklung auf den Weg zu bringen. Auf der anderen Seite basiert die gesamte Strategie der Zwei-Etappen-Revolution auf der Vorstellung, dass das soziale Gewicht und die politische Autorität der einheimischen Bourgeoisie so groß sind, dass keine Möglichkeit der Umwälzung des gesamten ausbeuterischen Systems des kapitalistischen Privateigentums besteht.

In seinem 500-Seiten-Wälzer über nepalesische Unterentwicklung (Bhattarai 2003b), liefert Bhattarai eine verwickelte Darstellung der historischen Entwicklung der „reaktionären“ Klassen und der komplexen Interdependenzen zwischen Großgrundbesitzern und Wucherer, Kaufmann und „bürokratischem“ Kapital und Imperialismus. Doch die „nationale Bourgeoisie“ rechtfertigt kaum eine Erwähnung und es gibt keine Beschreibung irgendwelcher Handlungen, durch die sie sich als „Freund“ der Arbeiter und armen Bauern oder als Unterstützer irgendeiner Art von „fortschrittlicher“ Revolution qualifizierte. Dies liegt daran, dass es in der Epoche des Imperialismus keine historisch fortschrittliche Bourgeoisie in Nepal oder anderswo geben kann.

Die zentrale Prämisse der Zwei-Etappen-Revolution, dass koloniale und halbkoloniale Länder zunächst einen längeren Zeitraum kapitalistischer Entwicklung durchlaufen müssten, bevor sie „reif“ für eine sozialistische Revolution seien, hat eine schäbige Herkunft. Vor der Oktoberrevolution von 1917 bestanden die Menschewiki darauf, dass die russische Arbeiterklasse nur als Erfüllungsgehilfe der angeblichen Bestrebungen der liberalen Bourgeoisie für eine demokratische Republik handeln könnte. 1906 argumentierte Pavel Axelrod, einer der führenden Menschewiki:

Die sozialen Verhältnisse in Russland sind nicht über den Punkt der bürgerlichen Revolution hinaus entwickelt: Die Geschichte treibt Arbeiter und Revolutionäre immer stärker zum Eintreten für bürgerliche Revolution, was sie unfreiwillig zu politischen Knechten der Bourgeoisie macht, anstatt in die Richtung des echten Strebens nach sozialistischer Revolution und die taktische und organisatorische Vorbereitung des Proletariats für politische Herrschaft.
[…]
Wir können im absolutistischen Rußland die objektive historische Voraussetzung für die „politische Zusammenarbeit“ zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie nicht ignorieren.
Axelrod 1976, S. 60 [Eig. Übers.]Axelrod, Pavel: Speech at the Fourth Party Congress. In: Ascher 1976
Ascher 1976
Ascher, Abraham (Hrsg.): The Mensheviks in the Russian Revolution. London : Thames and Hudson, 1976

Lenin verwarf die menschewistische Strategie der Klassenkollaboration und stellte fest, dass die gesamte Bourgeoisie so vollständig mit dem Landadel verbunden war, so große Angst vor dem Proletariat hatte und so abhängig vom Schutz der zaristischen Autokratie war, dass sie unfähig war, irgendeine Wiederholung der „klassischen“ bürgerlichen Revolution von 1789 in Frankreich durchzuführen. Im Februar 1917 führten Massenstreiks und Demonstrationen auf der Straße zur Abdankung des Zaren und zur Bildung von Sowjets (Arbeiterräten) in den Fabriken, dem politischen Kern einer alternativen staatlichen Macht, aber die menschewistischen und sozialrevolutionären Führer dieser Gremien verpflichteten sich zur Treue gegenüber der neu gebildeten bürgerlichen Provisorischen Regierung. Die erste Reaktion vieler „alter Bolschewiki“ (einschließlich Stalin) bestand darin, dem neuen Regime als Ausdruck einer „demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“, ein Konzept, dass Lenin formuliert hatte, ohne jemals einen Block mit der Bourgeoisie vorzuschlagen, bedingte Unterstützung zu geben. Lenins energisches Eingreifen (mit seinen berühmten „Aprilthesen“) machte diese Politik rückgängig und brachte die Bolschewiki auf einen Kurs, der es ihnen erlaubte, die Arbeiterklasse sechs Monate später an die Macht zu führen.

Lehren des Kuomintang Desasters

Die Oktoberrevolution von 1917 sorgte für eine lebendige Widerlegung der Zwei-Etappen-Theorie, die die Erfahrungen Großbritanniens und Frankreichs mechanisch auf ein universelles Modell der sozialgeschichtlichen Entwicklung projiziert hatte. In den Nachwehen der Revolution war Lenin, Trotzki und den anderen Führern der Kommunistischen Internationale (Komintern) nicht klar, dass die bolschewistische Strategie auf koloniale und halbkoloniale Länder anwendbar war, die allgemein rückständiger waren und ein weit kleineres Proletariat als Russland hatten. Folglich unterstützte die Komintern in den frühen 1920er Jahren die Idee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), ein Bündnis mit der bürgerlich-nationalistischen Kuomintang einzugehen.

In der bolschewistischen Führung wuchs unter der Führung Trotzkis eine Gruppe, die über den liquidatorischen Verlauf des Kuomintangeintritts zunehmend besorgt war, während die dominierende Stalinfraktion, die die Strategie als einen „Block der vier Klassen“ kennzeichnete, zunehmend anfing, menschewistische Argumente zur Zwei-Etappen-Theorie wiederzuverwenden. Die Orientierung auf die Kuomintang wurde in wachsendem Maße durch die diplomatische Zwangslage der sowjetischen Außenpolitik und durch die andauernden internen Fraktionskämpfe in der russischen Partei, anstatt durch die Logik des Klassenkampfes in China geprägt.

Im März 1926 zerbrach der Block der KPCh mit der Kuomintang beinahe, als Chiang Kai-shek in Kanton einen Mini-Staatsstreich durchführte als Reaktion auf das, was er fälschlicherweise für eine kommunistische Verschwörung zu seiner Entführung hielt:

Chiang handelte sofort in seiner Eigenschaft als Standortkommandeur und [...] verhängte über Kanton das Kriegsrecht, postierte in allen wichtigen Gebäuden loyale Kadetten oder Polizisten, ließ alle Streikposten der Arbeiterschaft entwaffnen und die in Kanton anwesenden russischen Berater, über 30 Leute, verhaften. Eine Reihe hochrangiger politischer Kommissare der KPCh wurde zur „Umschulung“ in Whampoa festgehalten, KPCh-nahe Zeitungen mußten ihr Erscheinen einstellen. Einige Tage später begann Chiang die Repressalien dann allmählich zu lockern, und Anfang April bekannte er sich erneut zum Bündnis mit der Sowjetunion, doch so wusste niemand mehr, wie man diese Erklärungen zu deuten hatte.
[Der Gesandte der Komintern Michail] Borodin, der sich seit Februar zu Geheimberatungen mit russischen Kollegen über die Strategie der Komintern in Peking aufgehalten hatte, kehrte Ende April nach Kanton zurück und handelte im Lauf der folgenden Tage mit Chiang einen „Kompromiß“ aus: Demzufolge konnten KPCh-Mitglieder künftig keine Guomindang-Abteilungen oder staatlichen Dienststellen mehr leiten; Kritik an Sun Yat-sens „Drei Volksprinzipien“ war der KPCh hinfort untersagt; Guomindang-Mitglieder konnten nicht mehr der KPCh beitreten; die Komintern mußte ihre Weisungen an die KPCh einem Guomindang-Ausschuß vorlegen; dem Exekutivkomitee der Guomindang war eine KPCh-Mitgliederliste auszuhändigen. Da Stalin in Moskau vor einem entscheidenden Machtkampf stand und sich die Blamage der völligen Ausschaltung der KPCh und der sowjetischen Berater in Kanton nicht leisten konnte, ging Borodin auf diese Bedingungen ein.
Spence 2008,  S. 420fSpence, J. D.: Chinas Weg in die Moderne. Erw. Neuausg. Bonn : Bundeszentrale für Politische Bildung, 2008. 1013  S.

Um eine Entfremdung von der hypothetisch „antiimperialistischen“ Bourgeoisie zu vermeiden, wies Moskau die KPCh an, den Klassenkampf in den Städten herunterzuschrauben und den Bauernaufstand auf dem Lande abzuschwächen. Trotzki kommentierte bissig:

Die offizielle Unterwerfung der Kommunistischen Partei unter die bürgerliche Führung und das offizielle Verbot, Sowjets zu bilden (Stalin und Bucharin lehrten, die Kuomintang „ersetze“ die Sowjets), war ein gröberer und schreienderer Verrat am Marxismus, als alle Taten der Menschewiki in den Jahren 1905–1917.

Anfang 1927 warnte Trotzki davor, dass Chiang sich darauf vorbereite, die wachsende Arbeiterbewegung zu zerschlagen und plädierte für die Bildung von Arbeiterräten, um eine Widerstandsbasis gegen einen solchen Versuch zu schaffen. Stalin wies dies als „Überspringen des revolutionärdemokratischen Stadiums der Bewegung“ (Spence 2008, S. 431) zurück und behauptete, Chiang und der Rest der Kuomintang-Führer „müssen […] zu diesem Zweck benutzt, wie eine Zitrone ausgequetscht und dann weggeworfen werden“ (Wujowitsch 1972, S. 327)W. Wujowitsch: Rede (Moskau, Mai 1927). In: Trotzki 1972, S. 319-332
Trockij 1972
Trockij, Lev D.: China: Die erwürgte Revolution. Bd. 1. Trotzki Sammelbuch Bd. 7. Berlin : Verlag Neuer Kurs, 1972
.

Aber so entwickelten sich die Dinge nicht. Während der Kampagne der Kuomintang gegen reaktionäre Kriegsherren, erhoben sich Arbeiter in Shanghai (traditionell das Zentrum der chinesischen Arbeiterbewegung) und übernahmen die Kontrolle der Stadt in Erwartung der Ankunft von Chiangs Truppen. Die KPCh ließ ihre Mitglieder ihre Führungspositionen ausnutzen, um die Aufständischen zu entwaffnen und die Stadt an die Kuomintang zu übergeben. Chiang nutzte die Gelegenheit und ermordete in Kollaboration mit lokalen rechtsgerichteten Paramilitärs, Zehntausende Kommunisten, militante Arbeiter und Studenten.

In den Nachwirkungen dieser enormen Niederlage verallgemeinerte Trotzki seine Theorie der permanenten Revolution und zog den Schluss, dass die Politik, die Lenin in seinen April-Thesen ein Jahrzehnt zuvor skizziert hatte, universell anwendbar sei:

In bezug auf die Länder mit einer verspäteten bürgerlichen Entwicklung, insbesondere auf die kolonialen und halbkolonialen Länder, bedeutet die Theorie der permanenten Revolution, dass die volle und wirkliche Lösung ihrer demokratischen Aufgabe und des Problems ihrer nationalen Befreiung nur denkbar ist mittels der Diktatur des Proletariats als des Führers der unterdrückten Nation, vor allem ihrer Bauernmassen.
Trockij 1971,  S. 158Trockij, Lev D.: Die permanente Revolution. Frankfurt am Main : Verlag Neue Kritik, 1971

Trotzki erkannte, Marx folgend, dass die Bauern trotz ihres zahlenmäßigen Übergewichts, keine unabhängige politische Rolle in der Revolution spielen könnten. Dies verneint nicht die vitale strategische Bedeutung in rückständigen Ländern, dass die revolutionären Arbeiter die die Unterstützung der Bauern (oder zumindest der stärker unterdrückten Schichten) im Kampf mit der Bourgeoisie und ihren imperialistischen Hintermännern gewinnen. Aber die Geschichte hat wiederholt demonstriert, dass die Bauernschaft, eine vielschichtige kleinbürgerliche Masse von (zumindest ehrgeizigen) Grundstückseigentümern, zwangsläufig einer der beiden grundlegenden (und sich unversöhnlich gegenüberstehenden) Klassen in der kapitalistischen Gesellschaft folgen muss, dem Proletariat oder der Bourgeoisie:

Wie die gesamte Erfahrung der neueren Geschichte, besonders die Erfahrungen des letzten Vierteljahrhunderts in Rußland, beweist, bildet ein unüberwindliches Hindernis für die Schaffung einer Bauernpartei die ökonomische und politische Unselbständigkeit der Kleinbourgeoisie und ihre tiefgehende innere Differenzierung, kraft derer die oberen Schichten der Kleinbourgeoisie (der Bauernschaft) in allen entscheidenden Fällen, besonders bei Krieg und Revolution mit dem Proletariat gehen und damit die Zwischenschicht zwingen, zwischen den zwei äußersten Polen eine Wahl zu treffen. Zwischen der Kerenskiade und der bolschewistischen Macht, zwischen der Kuomintang und der Diktatur des Proletariats gibt es keine Zwischenstufe und kann es keine geben, d. h. es gibt keine demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern.
Trockij 1971,  S. 159fTrockij, Lev D.: Die permanente Revolution. Frankfurt am Main : Verlag Neue Kritik, 1971

Mao spielte keine besondere Rolle in den Debatten, die die KPCh und die Komintern über die Kuomintang erschütterten. Seine Begeisterung für Kämpfe armer Bauern in seinem berühmten „Hunan Report“ vom Februar 1927 wurde von der Komintern nicht gut aufgenommen. Beginnend im Jahre 1925, also lange vor dem Massaker von Shanghai, konzentrierte Mao seine Anstrengungen auf die Organisierung von Bauern in Hunan, während er wenig Interesse für das städtische Proletariat zeigte. Bei der Beurteilung der turbulenten Ereignisse von 1926/27, einschließlich des fehlgeschlagenen „Herbsternte-Aufstands“ in Hunan, schrieb Mao, dass von zehn Punkten:

Stadtbevölkerung und Militär nur bei drei Punkten [lägen], während die restlichen sieben den Bauern für ihre ländliche Revolution zuerkannt werden müßten.
Spence 2008,  S. 434Spence, J. D.: Chinas Weg in die Moderne. Erw. Neuausg. Bonn : Bundeszentrale für Politische Bildung, 2008. 1013 S.

Nach dem Debakel von 1927 gab die Kommunistische Partei als Ganzes die städtischen Zentren auf und konzentrierte sich auf die Konsolidierung der bäuerlichen Basisgebiete auf dem Lande, wo die Kuomintang wenig Einfluss ausübte. Neue Demokratie war im Wesentlichen eine Neuformulierung der Zwei-Etappen-Theorie zur Anpassung an diese Umstände. Während die KPCh weiterhin formell die zentrale Rolle des Proletariats mit Rücksicht auf die „Klasse gegen Klasse“-Rhetorik anerkannte, die die „Dritte Periode“ der Komintern kennzeichnete, unternahm sie in der Praxis nur wenig, um irgendeinen Einfluss in der Arbeiterklasse wiederherzustellen.

Maoismus und die Zerstörung des indonesischen Kommunismus

Während des 20. Jahrhunderts wurde in einer Vielzahl von Situationen die katastrophale Niederlage, die die chinesische Arbeiterbewegung im April 1927 erlitten hatte, wiederholt, da stalinistische Parteien Massenkämpfe in Schranken hielten, um eine Entfremdung von der „fortschrittlichen“ Bourgeoisie zu vermeiden. In der Tat tragen Mao und die KPCh besondere Verantwortung für das verheerende Blutbad in Indonesien im Jahr 1965. Die Partai Komunis Indonesia (PKI – Kommunistische Partei Indonesiens) war die größte kommunistische Partei in der kapitalistischen Welt, mit einer Mitgliederzahl von drei Millionen und weiteren neun Millionen im angegliederten Indonesischen Bauernverband (Bauernfront von Indone­sien – Barisan Tani Indonesia). Trotz der beispiellosen objektiven Stärke der Partei und der eindeutig prosozialistischen Bestrebungen der Massen, verfolgte die PKI-Führung, mit der aktiven Unterstützung und Förderung der KPCh, die Chimäre der Einheit mit Präsident Sukarnos bürgerlicher Indonesischer Nationalistischer Partei (PNI – Partai Nasional Indonesia).

Die Ausgabe der Peking Review vom 28. Mai 1965 enthielt einen Brief Mao Zedongs, der der PKI anlässlich des 45. Jahrestages gratulierte und sie als

dem Marxismus-Leninismus treu ergeben und entschlossen gegen den modernen Revisionismus, eine zuverlässige Stoßtruppe der internationalen kommunistischen Bewegung
Mao 1965, S. 6 [Eig. Übers.]Mao, Tse-tung: Chairman Mao Greets 45th Anniversary Of Indonesian C.P.. In: Peking Review Bd. 8. (1965-05-28) Nr. 22, S. 6

begrüßte. Die nächste Ausgabe (4. Juni 1965) mit der Überschrift „Große Siege der marxistisch-leninistischen Linie der indonesischen KP“ druckte den vollständigen Wortlaut der Reden des Delegationsleiters der KPCh und des PKI-Vorsitzenden D.N. Aidit bei einer Massendemonstration in Jakarta (sie enthielt auch Auszüge von Sukarnos Grußadresse an die Kundgebung). Aidit begann mit einem Gruß an

„Ihre Exzellenz, Präsident der Republik Indonesien, der große Führer der indonesischen Revolution, geliebter Bung Karno!“
Aidit 1965, S. 8 [Eig. Übers.]Aidit, Dipa Nusantara: Intensify Revolutionary Offensive and First Oppose “Five Devils” : Chairman D.N. Aidit's Speech. In: Peking Review Bd. 8 (1965-06-04) Nr. 23, S. 8-12

Er fuhr fort, die „Imperialisten und ihre Lakaien“ zurückzuweisen, die sich beschwert hatten, dass

[…] während der Feierlichkeiten zum 45. Jahrestag der Gründung der Indonesischen Kommunistischen Partei, das Porträt von Sukarno gemeinsam mit denen von Marx, Engels, Lenin und Stalin gezeigt wird.
Aidit 1965, S. 8 [Eig. Übers.]Aidit, Dipa Nusantara: Intensify Revolutionary Offensive and First Oppose “Five Devils” : Chairman D.N. Aidit's Speech. In: Peking Review Bd. 8 (1965-06-04) Nr. 23, S. 8-12

Aidit erläuterte:

Die Beziehung zwischen Präsident Sukarno und den indonesischen Kommunisten ist kein Geheimnis oder illegal; es ist eine aufrichtige Beziehung, korrekt und rechtmäßig, zwischen Revolutionären, die an die Wahrheit des Marxismus glauben und der Sache der Revolution dienen.
Aidit 1965, S. 8 [Eig. Übers.]Aidit, Dipa Nusantara: Intensify Revolutionary Offensive and First Oppose “Five Devils” : Chairman D.N. Aidit's Speech. In: Peking Review Bd. 8 (1965-06-04) Nr. 23, S. 8-12

Unter Hinweis auf die Gefahr einer „Invasion imperialistischer Truppen“ schlug Aidit eine „Kombination aus den gut ausgebildeten Streitkräften und dem bewaffneten Volk“ vor, die, so behauptete er, eine „großartige Möglichkeit“ sei, weil:

[…] die Beziehungen zwischen unserem Volk und den Streitkräften von Tag zu Tag enger werden in der Umsetzung der Aufgabe der indonesischen Revolution.
Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, Präsident Sukarno meinen Dank für sein Versprechen auszudrücken, die Arbeiter und Bauern, wenn nötig, zu bewaffnen.
Aidit 1965, S. 10 [Eig. Übers.]Aidit, Dipa Nusantara: Intensify Revolutionary Offensive and First Oppose “Five Devils” : Chairman D.N. Aidit's Speech. In: Peking Review Bd. 8 (1965-06-04) Nr. 23, S. 8-12

Es ist schwer, sich ein größeres Ausmaß an Selbstzerstörung oder Feigheit vorzustellen. Der „geliebte Bung Karno“ hielt es natürlich niemals für „nötig“, die PKI zu bewaffnen. Nach einem rituellen Aufruf zum „Kampf gegen den Opportunismus“ flehte Aidit die Mitglieder der PKI an

„mutige, fähige und gestählte und gemäßigte Kommunisten mit strenger Disziplin, sowohl Parteidisziplin als auch Staatsdisziplin“ zu sein.
Aidit 1965, S. 12 [Eig. Übers.]Aidit, Dipa Nusantara: Intensify Revolutionary Offensive and First Oppose “Five Devils” : Chairman D.N. Aidit's Speech. In: Peking Review Bd. 8 (1965-06-04) Nr. 23, S. 8-12

Während Aidit vor Sukarno kroch, kümmerte sich die CIA um die Vorbereitungen für die „Disziplinierung“ (d. h. Auslöschung) der PKI. Im Oktober 1965 machte der oberste Militär, General Suharto, die Zeitungen der PKI dicht, verbot die ihr angeschlossenen Organisationen und befahl Massenverhaftungen. Die Parteiführung leistete keinen Widerstand und bekannte sich weiterhin pathetisch zu Sukarno. Während isolierte Nester von PKI-Kämpfern spontan versuchten, sich zu verteidigen, war die Partei leicht vernichtet und eine halbe Million Linke, Arbeiter und arme Bauern wurden abgeschlachtet. Die indonesische Linke erholte sich nie von diesem Debakel und das Land stöhnte jahrzehntelang unter Suhartos rechtsgerichteter Militärdiktatur.

Nachdem die PKI zerschlagen worden war, kritisierte Beijing Aidit et al zynisch dafür,

die unabhängige Rolle des Proletariats in Abrede gestellt und es zu einem Anhängsel der nationalen Bourgeoisie gemacht zu haben“.
Peking Review 1967, S. 16 [Eig. Übers.]People of Indonesia, Unite and Fight to Overthrow the Fascist Regime. Hongqui Editorial. In: Peking Review Bd. 10 (1967-07-14) No. 29, S. 15-17

Während einige überlebende PKI-Führer anschließend im Exil eine „Selbstkritik“ herausgaben, vertraten sie nach wie vor, mit Zustimmung ihrer chinesischen Mentoren, eine Strategie der „Einheit“ mit der Bourgeoisie:

Die Korrektur der Fehler, die von der Partei in der Einheitsfront mit der nationalen Bourgeoisie begangen wurden, bedeutet nicht, dass die Partei sich jetzt nicht mit dieser Klasse zu vereinen braucht. Auf der Grundlage des Arbeiter-Bauern-Bündnisses unter der Führung der Arbeiterklasse, muss unsere Partei daran arbeiten, die nationale bürgerliche Klasse für die Seite der Revolution zu gewinnen.
ICP 1967, S. 18 [Eig. Übers.]Indonesian Communist Party : Central Committee ; Political Bureau: Self Criticism by the Political Bureau of The Central Committee of the Indonesian Communist Party (Excerpts). In: Peking Review Bd. 10 (1967-07-21) No. 30, S. 13-21

Die Idee, dass die nationale Bourgeoisie für die Seite „gewonnen“ werden muss, die nach maoistischer Theorie, ihre eigene Revolution ist, legt die grundlegende Inkohärenz der Zwei-Etappen-Strategie bloß. Wie die bürgerlich-liberalen Kadetten in Russland vor 1917, verfolgten Sukarnos Nationalisten einfach eine andere Politik als andere, offen rechtsextreme, Fraktionen der herrschenden Klasse. Sie waren bereit, einige Reformen vorzunehmen, um die kapitalistische Herrschaft zu stabilisieren, im Gegensatz zu Suharto und seinen Hintermännern, die versuchten, die Organisationen der Arbeiter und Bauern zu vernichten, anstatt sie zu vereinnahmen. Solche Teilungen in Links und Rechts bestehen in unterschiedlichem Ausmaß in jeder kapitalistischen Gesellschaft. Aber während die herrschenden Gruppen miteinander über Taktik im Streit liegen mögen, stehen sie vereint gegen jede ernsthafte Bedrohung des kapitalistischen Eigentums. Kein nennenswerter Teil der Bourgeoisie hat sich jemals oder wird sich jemals zur Beteiligung an einem Regime bereit erklären, dessen Ziel letztlich die Liquidierung der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Neue Demokratie wurde in China erst etabliert, nachdem der kapitalistische Staat durch einen Bürgerkrieg zerschlagen, die Großbourgeoisie besiegt worden war und die KPCh die vollständige Kontrolle innehatte.

Die Entstehung der nepalesischen Bourgeoisie

Der ultrareaktionäre und rückständige Charakter von Nepals herrschender Klasse sollte die Gefahr, die der Suche nach einem „progressiven“ bürgerlichen Verbündeten anhaftet, deutlich machen. Während des 17. und 18. Jahrhunderts war das Gebiet des heutigen Nepal in eine Reihe kleiner Bergstaaten unterteilt, deren Herrscher behaupteten, von den aristokratischen Rajputenfamilien abzustammen, die lange in Teilen Indiens geherrscht hatten. Seit dem 11. Jahrhundert waren Kriegsführer der hohen Kasten (Brahmanen und Chetri) und indoarischer Abstammung aus Indien nach und nach in die nepalesischen Berge migriert, bezwangen die verschiedenen indigenen ethnischen Gruppen (allesamt als Janajatis oder „Bergvölker“ bezeichnet). Die neuen Machthaber integrierten in der Regel die Janajatis indem Sie ihnen den Status einer niederen Kaste gaben, die sie der Wehrpflicht und belastender Besteuerung unterwarf. Die indoarische Bevölkerung war selbst in Schichten geteilt mit Handwerkern und Bauern niederer Kasten, die die Kriegsführer bei der Migration begleiteten. Die komplexen sozialen Spaltungen des heutigen Nepal (es gibt schätzungsweise 60-70 ethnische Gruppen und Kasten und rund 70 Sprachen oder Dialekte) ergeben sich aus dieser Geschichte von Eroberung und sozialer Differenzierung.

Der Ursprung des nepalesischen Staates wird in der Regel zurückverfolgt bis zu den Eroberungen des Prithivi Narjan Shah von Gorkha, dem Herrscher eines Bergstaates, der viele seiner Nachbarn erfolgreich überrannte. Die „Gorkha-Expansion“ wurde erleichtert durch überlegene Waffen, durch die Schwäche des benachbarten indischen Mogulreichs (damals Objekt des französisch-britischen Streits) sowie durch die Bereitschaft des Shahs, den Untertanen seiner Rivalen Land zu versprechen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kontrollierte die Shah-Monarchie den größten Teil des zeitgenössischen Nepal. Seine Ausdehnung wurde schließlich 1814-16 durch den Krieg mit der British East India Company gestoppt, die damals ihre Kontrolle über den indischen Subkontinent konsolidierte.

Obwohl Nepal formale Kolonisation vermied, hatte es eine halbkoloniale Beziehung mit Großbritannien über Britisch-Indien. Wie in Ägypten, Äthiopien, Afghanistan und Persien, versuchten die Gestalter des britischen Empire, ihren Aufwand dadurch zu verringern, dass sie den Nepalesen ein gewisses Maß an Autonomie im Austausch für die Kontrolle der Außenpolitik und des Handels gewährten. Das Sugouli-Abkommen von 1816, das bis 1923 in Kraft blieb, untersagte Nepal die direkte Kommunikation mit irgendeiner westlichen Macht:

Fast ein Jahrhundert lang war Nepal damals eine Art politisches Schutzgebiet Großbritanniens; eine Übereinkunft, die sowohl für die Briten als auch für die Herrscher von Nepal Vorteile hatte. Den ersteren wurde ein selbständig betriebener Puffer gegen mögliche feindliche Mächte im Norden garantiert, eine regelmäßige Versorgung mit Soldaten aus den Bergregionen Nepals (die berühmten Gurkhas), ein kleiner aber wachsender abhängiger Markt für Industriegüter und wahrscheinlich sogar noch wichtiger, zu bestimmten Zeiten Rohstoffe und Vorprodukte sowohl aus Nepal als auch aus Tibet. Letzteren wurde ein Minimum an Unterstützung und Schutz garantiert und, viel wichtiger, gewissermaßen Isolierung gegen äußeren Druck für Wandel.
Blaikie 1980, S. 31 [Eig. Übers.]Blaikie, Piers M.; Cameron, David; Seddon, David: Nepal in crisis : growth and stagnation at the periphery. Oxford : Clarendon Press, 1980, 311 S.

Da Nepals führende Familien durch externe Eroberungen nicht expandieren konnten, intensivierten sie ihre Ausbeutung der Bauern und kämpften gegeneinander um die Kontrolle über den Staat. 1846 im Massaker von Kot konnte die Familie Kunwar (die sich später selbst „Rana“ nannte) mit britischer Unterstützung die Kontrolle der Regierung übernehmen, ihre wichtigsten Konkurrenten ausschalten und sich die geschwächte Shah-Monarchie unterordnen.

Die Ranas beherrschten Nepal ein Jahrhundert lang, während das Land allmählich in den kapitalistischen Weltmarkt integriert (d. h. ihm untergeordnet) wurde. Die Ranas erbten und erweiterten ein System des Landbesitzes, in dem alle Flächen, mit Ausnahme einiger gemeinschaftlich gehaltenen Gebiete, die von Janajati-Gruppen besetzt waren, im Prinzip vom Staat kontrolliert wurden. Teile des staatlichen Landes mitsamt den Bauern, die es bearbeiteten, wurden Adelsfamilien, Soldaten, Religionslehrern und Priestern als Belohnung für ihre Verdienste um das Regime zugeteilt. Der Großteil dieses parzellierten (Birta-)Landes ging an Mitglieder hoher Kasten, die entweder mit den Ranas oder der königlichen Familie verwandt waren. Als Gegenleistung für den Zugang zu einem Flecken Land für den Eigenbedarf mussten die Bauern dem Birta-Eigentümer Miete zahlen, unbezahlte Arbeitsdienste leisten und Grundsteuern zahlen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, mussten sich Bauern oft bei ihren Grundherren verschulden, eine Praxis, die oft zu Leibeigenschaft führte.

Da die Bevölkerung wuchs, stieg die Nachfrage nach Grundstücken, was den Grundherren erlaubte, immer höhere Mieten und Zinszahlungen zu erzielen. Als Vertreter des Staates fanden die Grundherren zusätzliche Einnahmequellen in der Ausübung von „Gerechtigkeit“, der Einziehung von Geldbußen und der Regulierung lokaler Märkte. Doch im Gegensatz zum europäischen Feudalismus entstand kein dauerhafter Landadel, weil der Staat das Eigentum und die Kontrolle über die Birta-Zuteilungen behielt.

Die Briten duldeten widerwillig, dass die Ranas ein Monopol über den Binnenhandel aufrecht erhielten. Dies führte zur Schaffung eines nationalen Netzwerks von Marktstädten und Bazaren, wo sich nepalesische Händler schließlich selbst als Vermittler zwischen dem Weltmarkt und heimischen Bauern und Handwerkern etablierten. Die Kaufleute spielten eine Schlüsselrolle bei der Einführung von Industriegütern ins Land, die Chaos unter Bauern und Grundherren anrichteten:

[Die Kaufleute] vernichteten bäuerliches Kunsthandwerk und Heimarbeit, insbesondere im Textilbereich, und profitierten durch Wucher von der wachsenden Armut. Sie ruinierten und vertrieben viele der alten Grundherren, um sich selbst als eine neue Klasse zu etablieren, die Bodenmiete in den Kreislauf von Industriewaren und Profiten einbezog. Sie unterstützten damit das Wachstum des ausländischen industriellen kapitalistischen Übergewichts über die Produktion in Nepal durch Verarmung anstatt durch Umwandlung, während sie die internationalen Interessen etablierten, die sie im Bündnis mit den Dorfpriestern und staatlichen Bürokraten als Opposition oder hegemoniale Gegenmacht innerhalb des Landes repräsentierten.
Mikesell 1999, S. 203 [Eig. Übers.]Mikesell, Stephen Lawrence: Class, state, and struggle in Nepal : writings 1989-1995. New Delhi : Manohar, 1999. 326 S.

Das traditionelle Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und Handwerk wurde erschüttert als einheimische Produkte von den weit billigeren Importen verdrängt wurden. Da die Integration abgelegener nepalesischer Dörfer in die Weltwirtschaft zunahm und die landwirtschaftliche Produktion immer abhängiger von den Einkaufs- und Verkaufsmärkten wurde, wurden Kredite nepalesischer Kaufleute sowohl für Bauern als auch Grundherren lebenswichtig.

Die Dominanz von Kaufleuten (und durch sie des ausländischen Industriekapitals) bewirkte die Umgestaltung des Grundbesitzes in privates (d. h. kapitalistisches) Eigentum. Die Ranas, die königliche Familie und ihre Verbündeten entschieden sich, ihren Besitz in wandelbare Form des Reichtums zu verwandeln, indem Grundherren erlaubt wurde, ihr Eigentum ohne Beschränkungen zu verkaufen, mit Hypotheken zu belasten oder zu vermieten. Dies beschleunigte den Zusammenschluss von Grundbesitz und Handelskapital unter der Dominanz ausländischen Kapitals. Als sich die großen Händler selbst als Grundherren etablierten, hielten sie bestehende Vereinbarungen über Naturalpacht aufrecht, während sich Grundbesitzer an finanzielle und kommerzielle Aktivitäten wagten. In seinen Ethnologischen Notizbüchern, beschrieb Karl Marx einen ähnlichen Prozess in Indien um 1850 und verspottete diejenigen, die diese sozialen Beziehungen vereinfachend als im Wesentlichen „feudal“ beschrieben.

Während der 1930er Jahre versuchten die Ranas, den Auswirkungen des Eindringens ausländischen Kapitals zu begegnen und indigene Manufakturen (vor allem für Textilien) durch eine Kombination von Importquoten und Subventionen seitens des neu geschaffenen Baumwollindustrieamtes wieder zu beleben. Im Laufe der Zeit wuchs bei vielen nepalesischen Eliten (Kaufleute, Grundbesitzer und Intelligenz) die Verärgerung über die Kontrolle des Staatsapparates durch die Ranas. Die Nepalesische Kongresspartei (NCP), 1950 durch den Zusammenschluss von zwei bereits bestehenden Anti-Rana-Parteien (Nepali National Congress und der Nepal Democratic Congress) entstanden, behauptete, für „demokratischen Sozialismus“ zu stehen, war aber eine durch und durch bürgerlich nationalistische Formation, die sich auf Landeigentümer stützte. Die neue Partei wurde von König Tribhuvan, dem Rumpf-Shah-Monarchen, und auch der indischen Kongress-Partei unterstützt, die scharf darauf war, die britisch-loyalen Ranas zu verdrängen. Das indische Regime unterstützte NCP-Milizen bei der Beschaffung von Waffen und bot eine Basis für ihren Aufstand.

Die NCP hatte relativ wenig Schwierigkeiten die Regierungstruppen zu überwinden, war aber alarmiert von der Aussicht, dass ihr begrenzter Kampf gegen die Ranas sich zu einer ländlichen Großrevolte gegen das gesamte System der Ungleichheit und Ausbeutung ausweiten könnte. Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, halfen Nehru und andere indische Politiker dabei, eine Einigung zwischen dem König, den Ranas und der NCP auszuhandeln. Der sogenannte Delhi-Kompromiss von 1951 (alias „Demokratierevolution“) bewahrte die alte Staatsmaschinerie und erhielt bestehende soziale Beziehungen aufrecht, während zugleich einem weiteren Kreis herrschender Eliten die Beteiligung an Regierungsaufgaben eingeräumt wurde. Die Shahs erhielten ihre Vormachtstellung zurück und die Ranas und die NCP bildeten ein gemeinsames Kabinett. Um populäre Forderungen nach radikaleren Veränderung zu beschwichtigen, versprach König Tribhuvan zynisch Wahlen für eine Verfassunggebende Versammlung, brach dann aber sein Wort.

II. Nepalesischer Maoismus: Vom „Volkskrieg“ zum „Mehrparteiensystem“

Als Ursprung des Kommunismus in Nepal wird oft ein Streik im Jahr 1947 in der Biratnager Jute- und Tuchfabrik unter der Führung von Man Mohan Adhikari, einem Aktivisten der Kommunistischen Partei Indiens, ausgemacht. Der Biratnager Streik, der erste bedeutende industrielle Kampf in Nepal, begründete eine starke kommunistische Tradition in der Arbeiterbewegung. Im September 1949 verbanden sich Adhikari und seine Anhänger mit Pushpa Lal Shrestha und linken Dissidenten des Nepalesischen Nationalkongress, um die Kommunistische Partei Nepals (KPN) zu bilden.

Die Weigerung des Königs, die Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung zu ermöglichen, gab der KPN einen Fokus für populäre Agitation. Während die Partei den Delhi-Kompromiss ablehnte, begrüßte sie die entkräftende stalinistische Zwei-Etappen-Strategie und forderte eine All-Parteien-Konferenz, eine Übergangsregierung und eine Verfassunggebende Versammlung, im Wesentlichen die gleichen Forderungen, die die KPN(M) später vorbringen würde. Zwei Jahrzehnte lang war die KPN von bitterem Personalismus und internem Hickhack über die Frage zerstritten, ob die klassenkollaborationistische „erste Etappe“ einen „antifeudalistischen“ Block mit der NCP gegen die Monarchie zur Folge haben sollte oder ein „antiimperialistisches“ Bündnis mit anderen bürgerlichen Parteien (und sogar der Monarchie) gegen die NCP, der als Handlanger von Imperialismus und indischem Expansionismus gesehen wurde. Zunächst rief die KPN zur Bildung einer Volksfront „fortschrittlicher Kräfte“ auf, um sich der NCP zu widersetzen. 1955 ließ die Partei ihre Forderung nach einer Republik fallen und akzeptierte den König als verfassungsmäßiges Staatsoberhaupt – ein Schritt, der den zusätzlichen Nutzen hatte, den rechtlichen Status der KPN wiederherzustellen.

1959 stimmte König Mahendra den ersten allgemeinen Wahlen Nepals unter den Bedingungen einer vom Palast diktierten Verfassung zu, die die Monarchie mit ultimativer Autorität ausstattete. Als die siegreiche Kongresspartei eine bescheidene Reform der Überbleibsel des Birta-Grundeigentumssystems vorschlug, berief sich der König auf eine Notstandermächtigung, löste das Parlament auf, verbot politische Parteien und ließ ihre Führer verhaften. Die Kongresspartei versuchte einen weiteren Aufstand von indischem Territorium aus zu organisieren, aber die Planung wurde abgebrochen, als 1962 der Ausbruch von Kämpfen zwischen China und Indien Nehru veranlasste, die Unterstützung für die Rebellen fallen zu lassen. Die NCP musste ihrerseits widerwillig die Monarchie als Kraft für „Stabilität“ im Kalten Krieg akzeptieren.

Mahendras Auflösung des Parlaments und die Ausrufung einer neuen „parteilosen Demokratie“ (Panchayat) im Jahr 1962 spaltete die KPN in mehrere konkurrierende Fraktionen. Das Zentralkomitee begrüßte, unterstützt von den rechtesten Elementen, die Entscheidung des Königs als „progressiv“. Andere in der KPN sprachen sich für einen Block mit der NCP zur Wiedereinsetzung des Parlaments aus. Die größte Fraktion unter Führung von Mohan Bikram Singh schlug die ursprüngliche Forderung der Partei einer Verfassunggebenden Versammlung vor. Die KPN(M) leitet sich von Singhs KPN (Vierter Kongress) ab, die sich 1979 zur „Ausbildung von Guerilla, Proletarisierung der Parteikader, Schaffung separater Basisgebiete, Maßnahmen gegen lokale Betrüger, und die Einleitung einer Agrarerhebung“ (zitiert in Thapa) verpflichtete. Bis 1996 blieb dieses Engagement ganz und gar rhetorisch.

Viele Jahre lang war die KPN (Marxisten-Leninisten) die wichtigste maoistische Gruppe, die 1971 im Jhapa-Aufstand in Ost-Nepal entstanden war, der einzigen bedeutenden kommunistischen Agrarrevolte vor dem „Volkskrieg“ der KPN(M). Indem sie sich die maoistischen Naxalbari-Guerilla im benachbarten Indien und die Roten Garden der chinesischen Kulturrevolution zu Vorbildern nahmen, beschlossen Mitglieder des Bezirkskomitees von Jhapa, ländliche „Klassenfeinde“ zu beseitigen und es gelang ihnen, sieben zu exekutieren, bevor sie durch staatliche Repression zerschlagen wurden. Dies gescheiterte militärische Abenteuer inspirierte viele Anhänger anderer stalinistischer Splittergruppen und führte 1990 zur Entstehung der KPN (Marxisten-Leninisten [ML]) als der größten kommunistischen Formation.

Trotz ihrer militanten Vorgeschichte, beugte sich die KPN (ML) konsequent der Nepalesischen Kongresspartei. 1979 entfachte sie eine Studentenbewegung gegen das autokratische Panchayat-System, die schnell breite Unterstützung erzielte. Aber als die Kongresspartei (von Indien aus operierend) ein Abkommen mit dem König aushandelte, um das Problem durch Abhaltung eines Referendums zu regeln, demobilisierte die KPN (ML) die Bewegung. Das Militär ging dann dreist vor, um das Ergebnis durch eine Kombination aus Einschüchterung der Wähler und Fälschung von Wahlzetteln zu beeinflussen.

Auch wenn die nepalesische Wirtschaft Ende der 1980er Jahre immer noch überwiegend auf Landwirtschaft beruhte, hatte sie einen bedeutenden Dienstleistungs- und Industriesektor entwickelt. Viele Händler investierten erheblich in Hotels und andere touristische Einrichtungen, während die Errichtung von Teppich- und Bekleidungsfabriken die nepalesische Exportbilanz auf Dauer von landwirtschaftlichen hin zu industriellen Gütern verschob. Die Einführung imperialistisch diktierter „Strukturanpassungsprogramme“ in der Mitte der 1980er Jahre „liberalisierte“ Vorschriften für Investitionen und erleichterte das Eindringen ausländischen Kapitals, vor allem aus Indien und den Vereinigten Staaten. All diese Akteure hatten ein Interesse, einen ihrer Wirtschaftskraft entsprechenden politischen Einfluss zu bekommen.

Plebejische Beschwerden gegen das Regime hatten einen völlig anderen Charakter. In den 1960er Jahren verteilte König Mahendras Landreform lediglich 1,5 Prozent der Ackerflächen um und teilte, was von den kommunalen Ländereien blieb, in einzelne Parzellen auf, die zu klein waren, um rentabel zu sein. Dies hatte den Effekt, die Not der landlosen und armen Bauern zu verschlechtern, da viele neue „befreite“ Kleinbauern in Schulden und Abhängigkeit von den Großgrundbesitzern gerieten. „Strukturanpassung“ und Privatisierung beseitigten unterdessen die Subventionen für Strom, Wasser, Treibstoff und Güter der Grundversorgung, die den ländlichen und städtischen Armen das Überleben ermöglicht hatten.

1989 gelang es der KPN (ML), die Unterstützung von etwa einem Dutzend linker Gruppierungen zu gewinnen, um eine Jana Andolan („Volksbewegung“) gegen das verfassungsmäßige Verbot politischer Parteien in Gang zu bringen. Diese Initiative wurde unterstützt durch die Kongresspartei und den Teil der herrschenden Klasse, den sie repräsentierte. Seit der ersten „Massenveranstaltung“ im Februar 1990 ließ es die KPN (ML) zu, dass die NCP als öffentliches Gesicht und Propagandist für die Bewegung agierte, um die Monarchie nicht zu befremden. Allerdings radikalisierten brutale Polizeirepression und Massenverhaftungen die Proteste auf dem Lande und in den Städten. Die Kampagne wuchs sieben Wochen lang bis zu ihrem Höhepunkt am 6. April 1990, als sich 10.000 Jyapu Bäuerinnen, bewaffnet mit Sensen, dem Marsch von Arbeitern in Kathmandu auf den Palast anschlossen. Mit roten Fahnen und Forderungen für das Ende der Monarchie hatten sich die Demonstranten nach links, weit jenseits von NCP und KPN (ML), bewegt. Als sich die Menge dem Palast näherte, eröffnete das Militär das Feuer und massakrierte rund 1500 Menschen. Um den Zorn der Massen zu dämpfen und die Demonstranten zu demobilisieren, unterzeichneten der König, die NCP und die von der KPN (ML) geführte Linksfront am 9. April schnell ein Abkommen zur Aufhebung des Verbots politischer Parteien. Nachdem sich die Massenproteste gelegt hatten, fegten die NCP und der Monarch die Forderung der KPN (ML) nach einer gewählten Verfassunggebenden Versammlung beiseite und setzten stattdessen ein begrenztes „Komitee für einen Verfassungsentwurf“ ein, das Vertreter der KPN (ML) einschloss.

Der Ausschuss erarbeitete eine Verfassung, die ein parlamentarisches Mehrparteiensystem erlaubte, aber die Monarchie mit einer bedeutenden „Notfall“ermächtigung ausstattete. Wie schon zuvor 1951 die „Demokratierevolution“, öffnete die Jana Andolan einen Weg zu Regierungspositionen und Pfründen für politisch unzufriedene Teile der privilegierten Eliten. In beiden Fällen waren alle Flügel der herrschenden Klasse gegen eine nennenswerte Mobilisierung der Werktätigen aus der Furcht heraus, sie könnte möglicherweise eine Bedrohung für das gesamte System des Privateigentums darstellen. Das Beharren der KPN (ML) darauf, dass Kämpfe der Arbeiter und Bauern ihre bürgerlichen „Verbündeten“ nicht beleidigen dürften, war eine weitaus wertvollere Garantie für die Ausbeuter als alles, was ihr Sicherheitsapparat hätte zuwege bringen können.

Die tatsächliche Erfahrung des Klassenkampfes in Nepal widerlegt alle Behauptungen, dass das primäre Ziel für die arbeitenden Menschen die Beseitigung des „Feudalismus“ sein sollte. Trotzkis Betrachtungen zur Lage in China 1927 lassen sich in vollem Maße auf das heutige Nepal anwenden:

Wie sich herausstellte, brachte die Bourgeoisie nicht eine einzige politische Gruppe hervor, die damit einverstanden war, am revolutionären Kampf gegen Bucharins Feudalismus teilzunehmen. Und das nicht zufällig. In China gibt es keine adeligen Herren, die in Opposition zur Bourgeoisie stehen. Der Grundeigentümer ist im allgemeinen der städtische Bourgeois. Der kleine Grundbesitzer, der Kulak, der niedere Landadlige, ist eng mit dem Wucherer und dem städtischen Bourgeois verbunden.
Wenn man nicht mit Worten spielt, gibt es keinen Feudalismus in China. Im chinesischen Dorf gibt es ein Verhältnis zwischen Eigentümern und Leibeigenen, das jedoch nicht durch feudale, sondern durch bürgerliche Eigentumsformen und eine bürgerliche sozialpolitische Ordnung gekrönt wird […] Natürlich nehmen in China Armut und Knechtschaft unmenschliche Formen an, wie man ihnen selbst im Zeitalter des Feudalismus kaum begegnete. Dennoch beruht der Versuch, Feudalismus in China zu kreieren, mehr noch sein Vorherrschen, nicht auf Tatsachen, sondern auf dem bloßen Wunsch, die Kollaboration mit der Bourgeoisie zu rechtfertigen. Die Fakten haben sich gerächt. In China gab es keine solche Bourgeoisie oder einen Teil der Bourgeoisie, die zustimmen würden, einen revolutionären Kampf gegen den Feudalismus, d. h. gegen sich selbst zu führen.
Trotsky 1976, S. 263f [Eig. Übers.]Trotsky, Leo: Leon Trotsky on China / Ed. by Les Evans and Russell Block. Introd. by Peng Shu-tse : New York : Monad Press, 1976. 696 S.

Langer Marsch in Richtung bürgerlicher Demokratie

1991 fusionierte die KPN (ML) mit einer kleineren stalinistischen Organisation und nannte sich in CPN (Unified Marxist Leninist) [dt.: KPN (Vereinigte Marxisten-Leninisten)] um, gemeinhin UML genannt. Mit der Einführung eines bürgerlich-parlamentarischen Systems, begann die UML wie gewöhnliche Sozialdemokraten zu funktionieren, die vor den Wahlen Versprechen abgaben, die sie hinterher brachen. Man Mohan Adhikari, der neue Präsident der UML, tat die Bezeichnung „kommunistisch“ geradeheraus als bloßes „Markenzeichen“ ab:

Aber die Leute erkennen den Namen wieder. Ich persönlich hätte keine Schwierigkeiten, ihn zu ändern. In einem anderen Land könnten wir Sozialdemokraten sein.
Khadka 1995 [Eig. Übers.]Khadka, Narayan: Factionalism in the Communist Movement in Nepal. In: Pacific Affairs Bd. 68 (1995), No. 1 (Spring 1995), S. 55-76

Prachanda von der KPN(M) prangerte die UML an, auf die Perspektive der Neuen Demokratie zu verzichten, um „die reaktionärsten Revisionisten“ (Karki & Seddon 2003, S. 245 [Eig. Übers.]) zu werden.

Doch die feige Fixierung auf Wahlen und der Eifer der UML, mit bürgerlichen Parteien zu regieren, sind absolut logische Begleiterscheinungen der klassenkollaborationistischen Zwei-Etappen-Strategie. Auf ihrem ersten Kongress 1993 billigte die UML den Begriff der „Mehrparteien-Volksdemokratie“ als Weg zu einem

Mehrparteienstaat und zu einer pluralistischen Gesellschaft mit stetem Kampf gegen Feudalismus, Monopolkapitalismus und allen Formen von Unterdrückung und Ausbeutung.
Khadka 1995 [Eig. Übers.]Khadka, Narayan: Factionalism in the Communist Movement in Nepal. In: Pacific Affairs Bd. 68 (1995), No. 1 (Spring 1995), S. 55-76

Als die Massenmobilisierung von April 1990 Panchayat nach 30 Jahren zu einem Ende zwang, gab es weit verbreitete Hoffnung, dass „Demokratie“ irgendwie zur Befreiung von aufreibender Unterdrückung führen könnte. Es dauerte nicht lange, bis diese Illusionen sich verflüchtigten, als die Massen

zunehmend verstanden, dass eine radikale Bodenreform, die Befreiung der Frauen, das Recht auf Selbstbestimmung der Nationalitäten und soziale Gerechtigkeit nicht im Rahmen der Verfassung von 1990 im Parlament durchgesetzt werden konnten.
Verma & Navlakha 2007, S. 1840 [Eig. Übers.]Verma, Anand Swaroop; Navlakha, Gautam: Peoples War in Nepal : Genesis and Development. In: Economic and Political Weekly (19 May 2007).

1994 bildete Adhikari die erste nationale „kommunistische“ Regierung in Südasien. Während ihrer neun Monate im Amt versagte die UML darin, selbst bescheidene Maßnahmen zur Bodenreform zu erlassen und tat wenig, um die Privatisierungen rückgängig zu machen, die während des früheren Regimes von der Kongresspartei durchgeführt worden waren. Sie setzte von der Weltbank und dem IWF aufgezwungene Maßnahmen zur „Strukturanpassung“ durch, die beitrugen, das Verhältnis von Nepals Schuldendienst zu den Exporten (ein grober Index für den Grad der Beherrschung durch imperialistische Financiers) auf beispiellose 35 Prozent zu verschieben. Adhikari empfing (und ignorierte) vor der Auflösung seiner Regierung im Juli 1995 eine 38-Punkte-Version der Liste von 40 Forderungen der KPN(M), die der NCP im Februar 1996 vor dem Griff zu den Waffen ausgehändigt wurde.

Der unmittelbare Funke für den „Volkskrieg“ scheint eine Welle heimtückischer Polizeirepression gewesen zu sein, die darauf abzielte, dem Widerstand in den maoistischen Hochburgen Rolpa und Rukum das Rückgrat zu brechen. Die Kampagne unter der Bezeichnung „Operation Romeo“, die durch wahllose Verhaftungen, Folter, Vergewaltigungen und außergerichtliche Hinrichtungen gekennzeichnet war, ging nach hinten los. Wie ein maoistischer Kader bemerkte:

Sie hoben einen Stein auf, um ihn auf ihre eigenen Füße fallen zu lassen.
Thapa & Sijapati 2004, S. 50 [Eig. Übers.]Thapa, Deepak. ; Sijapati, Bandita: A kingdom under siege : Nepal's Maoist insurgency, 1996 to 2003. The Printhouse, 2004.

Der maoistische Aufstand zapfte ein tiefes Reservoir von Wut und Frustration unter den ländlichen Werktätigen an. Die KPN(M) sammelte Unterstützung auf der Grundlage ihrer uneingeschränkten Verurteilung des bestehenden Ausbeutungssystems und ihrer Bereitschaft, einen Kampf zu organisieren, um Nepal in eine Neue Demokratie zu verwandeln. Während die KPN(M) die „nationale Bourgeoisie“ als festen revolutionären Verbündeten in der Theorie beibehielt, verurteilte sie alle anderen politischen Parteien rundweg als reaktionär oder revisionistisch. Dies hielt die Identität sowohl der „nationalen Bourgeoisie“ als auch ihrer politischen Vertreter (mit denen eine „Einheitsfront“ geschmiedet werden sollte) in der Schwebe.

Nur der Eklektizismus der 40 Forderungen trübte noch das Wasser. Einige der wichtigen sozialen Ziele könnten nur durch die Zerschlagung des bürgerlichen Staates erreicht werden, z. B. die Dominanz des ausländischen Kapitals zu beenden, das Land denen zu geben, die es bebauen, und Arbeit für alle zu gewährleisten. Die meisten Vorschläge galten jedoch Reformen: Redefreiheit, Schluss mit den „Sonderrechten und Privilegien des Königs“, gleiche Eigentumsrechte für Frauen, Autonomie für ethnische Minderheiten, Widerruf ungleicher Verträge mit Indien, Entwurf einer neuen Verfassung durch „Volksvertreter“, etc. Ein paar hatten eindeutig reaktionäre Implikationen, wie der fremdenfeindliche Aufruf, „kulturelle Verschmutzung“ infolge der Einfuhr von Hindi-Filmen, Zeitungen und Zeitschriften zu beenden. Pradip Nepal, ein UML-Sprecher, sagte:

Die Forderungen waren im Großen und Ganzen ähnlich wie die Forderungen aller in die parlamentarische Politik eingebundenen Oppositionsparteien und hätten durch die generelle Entscheidung des Kabinetts erfüllt werden können. Selbst reine rechtsgerichtete [monarchistische] Parteien wie die Nepal Sadvawana Partei und die Rastrya Prajatantra Partei erheben heute ähnliche Forderungen.
Karki & Seddon 2003, S. 407 [Eig. Übers.]Karki, Arjun ; Seddon, David: The people's war in Nepal : left perspectives. Delhi : Adroit Publ., 2003. 494 S.

Natürlich hatte keine der Oppositionsparteien (einschließlich der UML) tatsächlich versucht, diese Politik umzusetzen, als sie im Amt waren. Ihr Versagen in Kombination mit der scheinbaren Seriosität der KPN(M), gab dem maoistischen Programm beträchtliche populäre Resonanz.

Während eines Jahrzehnts „Volkskrieg“ verfolgten die Maoisten eine zweigleisige (und letztlich widersprüchliche) Strategie. Einerseits unternahmen sie eine klassische Guerilla-Kampagne mit neu entstehenden Organen der politischen Verwaltung in ländlichen Basisgebieten, verteidigt von einer Bauernarmee. Zur gleichen Zeit setzte die Führung der KPN(M) weiterhin formelle und informelle Gespräche mit der Regierung und Oppositionsparteien auf der Grundlage ihres 40-Punkte-Programms fort. Die relative Geringfügigkeit vieler Forderungen öffnete die Tür zu Verhandlungen und machte es möglich, Oppositionsparteien, die einige Positionen der KPN(M) unterstützten, in die Rolle „fortschrittlicher“, „antiimperialistischer“ Bündnispartner zu bringen. Allmählich wurde die Liste zusammengestrichen, während drei „politische“ Forderungen die meiste Aufmerksamkeit erhielten: Übergangsregierung, Verfassunggebende Versammlung und Republik. Schon 2001 signalisierten die Maoisten sogar die Bereitschaft, die Forderung nach einer Republik im Interesse der Erzielung eines Kompromisses fallen zu lassen.

Linksmaoistische Kritiker der KPN(M) neigen dazu, die Entwicklung der Partei nach 2005 als einen Fall zu sehen, in dem die Verhandlungslogik die Gebote des „Volkskriegs“ erdrückt. Die Führer der KPN(M), wie die der KPN(ML) vor ihnen, werden als Anhänger der „rechten opportunistischen Linie“ verhöhnt, die aus unerklärlichen Gründen die Perspektive der Neuen Demokratie aufgegeben und hart erkämpfte Errungenschaften liquidiert haben, um am Tisch der Bourgeoisie zu sitzen. Diese Erklärung läuft darauf hinaus, das Scheitern einer Strategie den persönlichen Schwächen derer zuzuschreiben, die sie durchführen. Was diesen Analysen fehlt, ist jedwede Betrachtung der wesentlichen Verbindung zwischen „Volkskrieg“ einerseits und Klassenkollaboration andererseits. Der Erfolg der Guerilla-Kampagne ließ der KPN(M) nur zwei Optionen, nämlich zu versuchen, die herrschende Klasse zu stürzen oder irgendeinen modus vivendi nach Art der Neuen Demokratie auszutüfteln.

Dynamik des „Volkskriegs“

Wie die früheren Erfahrungen der Jhapa-Kämpfer und der indischen Naxaliten zeigen, gehen ländliche Aufstände selten darüber hinaus ein paar Grundherren zu exekutieren, bevor sie zerschlagen werden. Ihrem Wesen nach sind Bauernkämpfe von Zentren des Handels, der Industrie und der Finanzen isoliert. Selbst die ärmsten Bauern in Nepal, die Sukumbasi, sehen typischerweise im Erwerb von Grundstücken die Lösung ihrer Probleme. Ihr Überleben ist meist abhängig von Grundeigentümern und sie zaudern oft, sich in einem sehr riskanten Kampf auf Drängen der deklassierten Intellektuellen zu engagieren. Wenn Aufstände auf dem Land nicht sofort zerschlagen werden, überleben sie in der Regel, indem sie Gutsbesitzer und reiche Bauern versöhnen oder indem sie sich in sozial und geographisch ausgegrenzte Gebiete zurückziehen. Dies haben die Naxaliten im Wesentlichen erreicht, indem sie sich unter indigene „Stämme“ in Indiens Wälder begeben haben. Die Naxaliten halten sich nicht nur folglich von Städten und Gemeinden fern, sondern auch von der kapitalistischen Landwirtschaft im großen Maßstab in den stark von Polizei kontrollierten Ebenen (Banerjee 2006). Arbeiter haben, anders als Bauern, die soziale Macht, um den Strom der Gewinne, das Lebenselixier des Kapitalismus, zu unterbinden, auf Grund ihrer strategischen Beziehung zu Produktionsmitteln, Transportwesen und Kommunikation.

Der außergewöhnliche Erfolg des „Volkskriegs“ in Nepal liegt an einer Reihe von Faktoren. Das beschwerliche Terrain bot einen gewissen Schutz, den wenig andere Bauernaufstände genossen, während das extrem unterentwickelte Straßen- und Schienennetz den Regierungstruppen erschwerte, Eroberungen der Guerilla zügig zurückzugewinnen. Economic and Political Weekly schrieb, dass rund zwei Drittel des Landes

traditionell außerhalb der Reichweite von Entwicklungsprojekten, Sozialsystemen und Verwaltungseinheiten (einschließlich Polizei) geblieben waren.
Banerjee 2006 [Eig. Übers.]Banerjee, Sumanta: Nepal: A New Flashpoint? In: Economic and Political Weekly Bd. 37 (2002), Nr. 36

Die vergleichsweise große Zahl landloser Bauern und das Fehlen von Großgrundbesitzern in weiten Teilen des Westens trugen dazu bei, dass das Zünglein an der Waage zugunsten des Aufstandes ausschlug. Ein weiteres wichtiges Element war die undifferenzierte Brutalität der Polizei und der Royal Nepal Army (RNA), wie die in Brüssel ansässige International Crisis Group (ICG) kürzlich festgestellte:

Schon vor der signifikanten Eskalation Ende 2001 unter Beteiligung der RNA, waren Polizeiaktionen gegen die Maoisten brutal und richteten sich gegen alle, die verdächtig waren, Sympathisanten zu sein. Sie führten zu Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss, Folter, Vergewaltigungen und außergerichtlichen Hinrichtungen, sowie zu Fällen exzessiver Gewalt wie dem Niederbrennen eines ganzen Dorfes bei Khara im Bezirk Rukum im Jahr 2000. Diese Maßnahmen erhöhten nur die Popularität der Rebellen in den betroffenen Gebieten ….
ICG 2010, S. 7 [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal : Peace and Justice. Asia report. Bd. 184. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2010

*     *     *

Die Armee versprach, den Maoisten eine „blutige Nase“ zu verpassen und stand seitens des Oberkommandos und des Palastes unter starkem Druck, Ergebnisse zu liefern. Aufgrund ihrer Unerfahrenheit in der Bekämpfung von Aufständen war die Armee nur in der Lage, Leichen zu liefern anstelle strategischer Vorteile. Eine Quelle, die während der letzten Stadien des Konflikts in engem Kontakt zur Armee stand, erinnerte sich, dass „entlang der Befehlskette enormer Druck für eine tägliche hohe Todesrate herrschte“. Es gab auch Anreize: Offizieren und Soldaten wurde gesagt, dass die Lieferung von Ergebnissen auch zu diesen Bedingungen, ihre Aussichten auf eine begehrte Position bei einer UN-Friedensmission verbessern würde.
ICG 2010, S. 10 [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal : Peace and Justice. Asia report. Bd. 184. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2010

Von den 13.000 Menschen, die während des Bürgerkriegs getötet wurden, „starb die überwiegende Mehrheit durch die Hände des Staates“ (Ebd.). Im April 2002 erläuterte Innenminister Devendra Raj Kendal das Regierungsprogramm, finanzielle Anreize für das Ausliefern, tot oder lebendig, von Führern der KPN(M) zu bieten:

Jeder, der ihren (der Maoisten) Aufenthaltsort oder ihre Köpfe liefert, bekommt das Preisgeld in der gleichen Tasche, in der die Köpfe gebracht werden.
Banerjee 2002, S. 3715 [Eig. Übers.]Banerjee, Sumanta: Nepal: A New Flashpoint? In: Economic and Political Weekly Bd. 37 (2002), Nr. 36

Die nepalesische herrschende Klasse wird von den größten ausländischen Investoren des Landes unterstützt, den USA und Indien. Indien, selbst Opfer imperialistischer Beherrschung, ist ein wichtiger Akteur im strategisch wichtigen Himalaya:

Die Nepalesen sind sich völlig im Klaren, dass ihr Staat nur durch Indiens Wohlwollen existiert und sie das Schicksal der ihnen benachbarten Bergkönigreiche teilen könnten. 1970 besetzte die indische Armee Sikkim ohne einen Schuss, der winzige Bergstaat wurde unverzüglich von Indien annektiert. 1975 wurde Sikkim ein Staat in der Indischen Union.
[…]
So wurden vier lange unabhängige buddhistische Himalaya-Königreiche – Tibet, Ladakh, Sikkim und Bhutan – von ihren mächtigen Nachbarn Indien und China absorbiert. Obwohl Religion und Kultur der drei letztgenannten nicht weniger reich und unverwechselbar waren als die von Tibet, nahm die Außenwelt kaum Notiz von der Annexion der anderen „kleinen Tibets“.
Margolis 1999, S. 221f [Eig. Übers.]Margolis, Eric S.: War at the top of the world?: the struggle for Afghanistan, Kashmir, and Tibet / Eric S. Margolis. New York : Routledge, 1999. 250 S.

Indien ist darauf bedacht, die Entwicklung von Wirtschafts- oder Sicherheitsbeziehungen Nepals zu China zu verhindern, die die Flut ungleicher Vereinbarungen unterminieren würde, die Kathmandu seit den 1950er Jahren unterzeichnet hat und die den indischen Zugang zu Nepals weitgehend ungenutzter Wasserkraft potentiell bedrohen würden. 1988 verhängte Indien eine 15-monatige Blockade über Nepal für die Einfuhr militärischer Ausrüstung ohne vorherige Zustimmung Neu-Delhis, wie im Friedens- und Freundschaftsvertrag von 1950 vereinbart. Die indische Bourgeoisie ist auch besorgt, dass ein erfolgreicher maoistischer Aufstand in Nepal ihre eigenen abscheulich ausgebeuteten Werktätigen inspirieren könnte, „zu den Waffen zu greifen“. Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, hat die indische Regierung Waffengeschäfte für das nepalesische Militär finanziert. Indische Behörden haben auch mit der westbengalischen Staatsregierung unter Führung der stalinistischen Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) gearbeitet, um nepalesische Maoisten im Exil zu inhaftieren.

Der US-amerikanische Imperialismus hat Nepal lange als Basis für geheimdienstliche und verdeckte Operationen in der Region genutzt, besonders gegen „Rotchina“. Millionen von Dollar für den Dalai Lama und seinen Kreis von Konterrevolutionären halfen, die Aktivitäten tibetanischer „Khampa“-Guerilla zu unterstützen, die in den 1960er und frühen 1970er Jahren von Stützpunkten in Nepal aus operierten. Heute lautet das vorrangige Ziel der USA, den Status Nepals als proindischen Pufferstaat aufrecht zu erhalten, um den chinesischen deformierten Arbeiterstaat militärisch einzukreisen und diplomatisch zu isolieren. Washington teilt die Befürchtungen der indischen Bourgeoisie über den Einfluss nepalesischer Maoisten und die Möglichkeit eines „roten Korridor“, der sich von Kathmandu bis, zu dem von Naxaliten kontrollierten, Ostindien erstreckt. Während des Bürgerkrieges in Nepal, setzte die Bush-Administration die KPN(M) auf ihre sogenannte Beobachtungsliste von Terroristen [terrorist watch list], auf der sie weiterhin steht. Der US-amerikanische stellvertretende Außenminister Richard Armitage erklärte, dass die Maoisten „ein erhebliches Risiko der Durchführung von Terrorakten, die … die nationale Sicherheit, Außenpolitik oder Wirtschaft der Vereinigten Staaten bedrohen“, darstellten (Mage 2007 [Eig. Übers.]). Eine ähnliche Einschätzung wurde von US-Botschafter James Moriarty ausgedrückt:

Offensichtlich ist es nicht der islamische Fundamentalismus [...], sondern eine sehr leidenschaftliche Variante des Maoismus, die große Schwierigkeiten in dieser Region verursachen könnte. Sie haben gesagt, dass sie in die Vereinigten Staaten eindringen wollen. Darüber bin ich nicht allzu sehr besorgt, aber Sie ignorieren, was sie sagen, auf Ihre eigene Gefahr. Sie können nicht über die Maoisten und die Bedrohung, die sie darstellen, die Nase rümpfen.
Griswold 2005 [Eig. Übers.]Griswold, Eliza: It's not easy here in Katmandu: caught between the Maoist rebels and the king's army. In: Harper's Magazine (2005) Mai, S. 64-72

Als Teil ihres „Kriegs gegen den Terror“ schickten die USA Millionen Dollar als militärische Unterstützung sowie 20.000 M-16 Sturmgewehre und einen Trupp von Beratern, um Nepals Sicherheitsapparat zu stärken.

Soziale Errungenschaften in maoistischen Basisgebieten

Gegenüber der von Nepals herrschender Klasse allseits verübten gesellschaftlichen Unterdrückung und mörderischen Ausbeutung, konnten die Maoisten auf bescheidene, aber wichtige soziale Reformen in den vom „Vereinigten Revolutionären Volksrat“ (URPC) kontrollierten Regionen verweisen, die die KPN(M) im Jahr 2001 etablierte. Der URPC wurde ersonnen, um als neu entstehende alternative Regierung zu funktionieren und Neue Demokratie zu institutionalisieren, mit „Volkskomitees“ auf Bezirks-, Dorf-, Regional- und Distriktsebene. Die Maoisten nannten sie „3-in-1-Komitees“, nach der „Drei-Drittel“-Politik von Maos Partei während der zweiten „Einheitsfront“ mit der Kuomintang in den frühen 1940er Jahren:

Das sogenannte „Drei-Drittel“-System, die Praxis nach der die Kommunisten nicht mehr als ein Drittel der Regierungsposten im Guerilla-Gebiet besetzten, war keine „Einheitsfront“ im funktionalen Sinn, d. h., dass sie für die bäuerliche Unterstützung unerlässlich war. Die Einheit zwischen Bauern und Partei basierte nicht auf dem Drei-Drittel-System, weil die Bauern die Kommunisten durch die Massenorganisationen und die Armee tatsächlich unterstützten. Das Drei-Drittel-System war ein Mittel für die Einbeziehung lokaler nicht-kommunistischer Führer, von Grundherren, reichen Bauern und anderen bekannten Personen in die regionalen Regierungen.
Johnson 1962, S. 13f [Eig. Übers.]Johnson, Chalmers Ashby: Peasant nationalism and communist power : the emergence of revolutionary China 1937-1945. Stanford, Cal. : Stanford Univ. Pr., 1962, 256 S.

Die „3-in-1-Komitees“ der KPN(M) dienten praktisch als Frontorganisationen der Partei. Ein Drittel der Mitglieder waren offen Parteimitglieder, während die übrigen meist aus der Volksbefreiungsarmee (VBA) und maoistisch geführten „Massenorganisationen“ kamen.

In den Basisgebieten der KPN(M) wurden die Grundstücke der Großgrundbesitzer unter den Bauern aufgeteilt, Schulden bei Geldverleihern wurden gestrichen, Leibeigenschaft wurde abgeschafft und die Kamaiya-Arbeiter bekamen, zumindest an einigen Orten, bescheidene Parzellen Land. Die Maoisten förderten kooperative Systeme der Landwirtschaft im „Bergland“, um die Beschränkungen kleinen Grundbesitzes zu überwinden, während in Rolpa und Rukum drei „Kommunen“ eingerichtet wurden (Parvati 2005 [Eig. Übers.]. Kleinproduktion von Baumwolle, Seife, Kerzen und Papier wurde neben der Lebensmittelherstellung geschaffen, während arbeitsintensive Programme öffentlicher Arbeiten rudimentäre Straßen und Bewässerungssysteme bauten. Gesundheitsversorgung und Bildung wurden besser zugänglich für die Armen, insbesondere für Frauen und Daliten (Mitglieder der untersten Kaste, die sogenannten „Unberührbaren“).

Nach Maos Beispiel hatte es die KPN(M) nicht auf das Land der reichen Bauern abgesehen und ließ Kaufleute, Händler und andere private Geschäftsinteressen ungehindert operieren. Dies stand nicht nur im Einklang mit der Neuen Demokratie, sondern versorgte auch die Partei und die VBA mit einer Steuerquelle. Trotz hitziger Angriffe gegen den indischen Expansionismus, „vermieden“ die Maoisten „penibel jedes Antasten der erheblichen indischen Wirtschaftsinteressen in Nepal“ (Saubhagya Shah 2004, S. 210)Shah, Saubhagya: A Himalayan Red Herring? Maoist Revolution in the Shadow of the Legacy Raj. In: Hutt 2004a. S. 192-224.

Von besonderer Bedeutung für die Maoisten war die entsetzliche Unterdrückung der Mitglieder niederer Kasten und marginalisierter ethnischer Gruppen. Daliten ist es zum Beispiel in einigen Gegenden verboten, gemeinsame Wasserhähne, Straßen und Elektrizität zu nutzen. Ethnische Minderheiten wurden traditionell den niederen Stufen des Kastensystems zugeordnet und daran gehindert, nennenswerte Bodenflächen zu besitzen. Diese komplexe Mischung von Klassen-, Kasten- und ethnischer Unterdrückung wird durch eine zutiefst frauenfeindliche Kultur zusätzlich verschlimmert:

Der erbärmliche Status von Frauen in Nepal … spiegelt sich in dem nepalesischen Sprichwort wider: „Wenn mein nächstes Leben ein Hundeleben sein wird und ich wählen kann, werde ich lieber ein Hund als eine Hündin sein“. Die Gesichter nepalesischer Frauen sind die verschleppter Frauen, von anämischen Frauen, die vernachlässigt im Kindbett sterben, von armen und ungebildeten Frauen hinter Gittern wegen Fehlgeburten oder Abtreibungen, von menstruierenden Frauen, abgesondert in kalten und unhygienischen Cauchholoo-Verschlägen, von Frauen ohne Sohn, verlassen oder verdrängt in eine polygame Ehe und von kulturell benachteiligten Mädchen, mit einer viermal so hohen Arbeitsbelastung gegenüber ihren Brüdern.
Ein geschlechtsspezifisches Profil von Nepal zeigt, dass Frauen unter 23 diskriminierenden Gesetzen leiden. Die Lebensdauer einer Frau ist zweieinhalb Jahre kürzer als die eines Mannes. Mehr als 40 Prozent der Mädchen sind mit 15 Jahren verheiratet und haben ihr erstes Kind mit 19. Nepals Müttersterblichkeitsrate liegt bei 905 [Todesfällen] auf 100.000 [Lebendgeburten], übereinstimmend nur mit Afghanistan. Frauen sehen jedes neunte Kind unter 5 Jahren sterben …. Mitgift, Polygamie, Schlagen von Frauen und massenhafter Menschenhandel sind weit verbreitet. Die Staatsbürgerschaft folgt der männlichen Linie und das Recht auf Eigentum von Vorfahren ist beschränkt auf unverheiratete Töchter.
Manchanda 2004, S. 244f [Eig. Übers.]Manchanda, Rita: Maoist Insurgency in Nepal. In: Cultural Dynamics 16 (2004) No. 2-3, S. 237-258

In den maoistischen Basisgebieten wurde die Diskriminierung von Daliten, ethnischen Minderheiten und Frauen offiziell verboten, und jeder Gruppe wurde die Vertretung in den „Volkskomitees“ garantiert.“ Frauen haben eine bedeutende Präsenz in den unteren (nicht jedoch den höheren) Rängen sowohl der Partei als auch der VBA – in letzterer wurde der Anteil weiblicher Kämpfer auf 40 Prozent geschätzt. Bilder von Frauen der Magar, bewaffnet mit Sturmgewehren, sind zum Sinnbild für Nepals „Volkskrieg“ geworden. Frauen dürfen Eigentum erben, Schulen besuchen und sich scheiden lassen. Sie sind nicht länger Kinderheirat oder Polygamie ausgeliefert, während häusliche Gewalt und Vergewaltigung beide schwer bestraft werden.

Die emanzipatorische Rolle des nepalesischen Maoismus ist allerdings begrenzt. Dies liegt nicht nur am extrem niedrigen Niveau der Produktivkräfte auf dem Lande, sondern auch am politischen Programm und der kleinbürgerlichen Klassenbasis der KPN(M) selbst. Wie die russischen und chinesischen Stalinisten, die sie sich zum Vorbild nehmen, übernehmen und fördern Nepals Maoisten die reaktionäre Institution der Kleinfamilie. Ein Le Monde- Journalist, der 2003 das von Maoisten gehaltene Rukum bereiste, besuchte ein provisorisches Gefängnis, in dem ein Drittel der Insassen „für Sex vor der Ehe und außerehelichen Sex“ bestraft wurden (Manchanda 2004, S. 250 [Eig. Übers.])Manchanda, Rita: Maoist Insurgency in Nepal. In: Cultural Dynamics 16 (2004) No. 2-3, S. 237-258. Ehe und Treue sind im Gegenteil innerhalb der Partei zu einem noch höheren Maß als außerhalb durchgesetzt. Hisila Yami (alias Par­vati), ein führender weiblicher Kader, die Hauptsprecherin der Partei in Genderfragen, kommentierte: „Ein Verhaltenskodex ist formuliert für Frauen und Männer, insbesondere für die Kämpfer, so dass Sexualität zur Ehe führt, wenn beide Partner nicht verheiratet sind … Wenn einer oder beide verheiratet sind, werden sie verwarnt und bestraft“ (Manchanda 2004, S. 250 [Eig. Übers.])Manchanda, Rita: Maoist Insurgency in Nepal. In: Cultural Dynamics 16 (2004) No. 2-3, S. 237-258. Parvati scheint vergleichsweise aufgeklärter zu sein als andere Führer der KPN(M). In ihrem jüngsten Buch, People’s War and Women’s Liberation in Nepal [Volkskrieg und Frauenbefreiung in Nepal] bringt sie sogar einige Kritikpunkte gegen „die Institution der Ehe“ vor:

Sie ist ein Bündnis der Annehmlichkeit für Männer, um ihren Hegemonismus in vermögensrechtlichen Beziehungen zu verewigen. Für Frauen bedeutet das gleiche Bündnis tatsächlich eine Rand­existenz in häuslicher Sklaverei. Leider trifft dies auch unter den Kommunisten zu, wenngleich in geringerem Maße.
Yami 2007 [Eig. Übers.]Yami, Hisila: People's war and women's liberation in Nepal. Kathmandu : Janadhwani Publ., 2007. 231 S.

Ein führendes Mitglied der KPN(M), Pampa Bushal, flog aus dem ZK und wurde zur „Umerziehung“ in ein Dorf geschickt, nachdem sein „sexuelles Fehlverhalten“ mit einer verheirateten Genossin ans Licht gekommen war. Homosexuelle werden, wie verlautet, auch geächtet.

Die maoistischen Ansichten über Sexualmoral erinnern an das, was Trotzki als den „Thermidor in der Familie“ in der Sowjetunion bezeichnete, als die konservative bürokratische Kaste mit Stalin an der Spitze die beispiellosen Bemühungen der Bolschewiki, Frauen zu befreien und Homosexualität zu entkriminalisieren, aufhob. Letztlich spiegeln sie die Klassenbasis der KPN(M) wider. Sexuelle Unterdrückung und patriarchalische Ideologie sind materiell in der Institution der Familie verwurzelt, die allen Klassengesellschaften eigen ist. Frauenunterdrückung ist eine Funktion ihrer Rolle als unbezahlte Lieferanten von Hausarbeit. Zur Aufrechterhaltung ihrer Unterstützung bei den Kleinbauern, können es sich die Maoisten nicht leisten, die konservativen gesellschaftlichen Moralvorstellungen anzugreifen, die die Monogamie als ein Mittel erzwingen, um das rechtmäßige Erbe des Eigentums sicherzustellen.

Während die KPN(M) die Kernfamilie feiert, versucht sie einige ihrer Symptome mit moralischen Ermahnungen zu verbessern, z. B. mit Kampagnen für eine gerechtere Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Geschlechtern. Doch die Befreiung der Frauen ist nur möglich durch massive Investitionen in den Bau von Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen, Wäschereien, Kantinen, etc., um die Aufgaben im Haushalt zu sozialisieren, die traditionell Frauen zugewiesen werden. Die Befreiung der Frauen in Nepal kann nicht einmal auf der Grundlage der Schaffung einer kollektivierten Planwirtschaft auf nationaler Ebene erreicht werden; sie erfordert ein Maß an Entwicklung, das nur durch die Ausweitung der Revolution auf andere Länder mit weit höherem Niveau der Arbeitsproduktivität möglich wäre.

Die KPN(M) über „Volkskrieg“ und städtischen Aufstand

Die KPN(M) konnte stabile und maßgebliche „Volkskomitees“ nur in einem relativ kleinen Teil der 80 Prozent von Nepal etablieren, die sie schließlich kontrollierte. Außerhalb ihrer sicheren Basisgebiete, wo ihr Halt viel fragiler war, war die VBA regelmäßigen, aber lähmenden Attacken der Sicherheitskräfte ausgesetzt. Parvatis triumphale Erklärung im Jahre 2005, dass die „Präsenz des alten Staates jetzt auf die Hauptstadt, Stabsquartiere der Distrikte und Autobahnen“ (Yami 2005) beschränkt sei, offenbarte, wie schwach der Rückhalt der Maoisten wirklich war. Mit den großen städtischen Zentren von Industrie, Finanzen, Handel und politischer Verwaltung als auch dem wesentlichen Verkehrsnetz des Landes in sicheren Händen, war der nepalesische Staat „eingekreist“, aber nicht gefährdet. Die RNA war nicht in der Lage, die Kontrolle über das ganze Land zurückzugewinnen, aber die VBA nicht in der Lage, die stark verteidigten städtischen Gebiete zu erobern. Mit generöser imperialistischer Unterstützung war die RNA zu einer gut ausgerüsteten Streitmacht von 90.000 gewachsen, weit größer als die geschätzten 30.000 schlecht bewaffneten (wenn auch hochmotivierten) Mitglieder der maoistischen Volksbefreiungsarmee und Milizen.

Die KPN(M) scheint diese Umstände vorausgeahnt zu haben. Auf ihrer zweiten Nationalkonferenz im Januar 2001 nahm sie den „Prachanda-Weg“ an, eine Kombination aus ländlichem „Volkskrieg“ und städtischem Aufstand. Bis dahin hatte die KPN(M) eine Strategie des bewaffneten Aufstands der Arbeiterklasse nur in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern für anwendbar gehalten, aber mit dieser Wendung erkannte sie formell die Gültigkeit sowohl des russischen als auch des chinesischen Modells an und kam zu dem Schluss, dass es zumindest seit den 1980er Jahren notwendig geworden war, beide Strategien zu verschmelzen:

Es sollte überhaupt keine Konfusion darüber geben, dass grundsätzlich die entwickelten imperialistischen Länder im Wesentlichen den Weg des bewaffneten [städtischen] Aufstands gehen müssen und die unterdrückten Länder der Dritten Welt auch heute noch den langwierigen Volkskrieg. Aber die Veränderung, die sich in der oben erwähnten Weltlage ereignete, hat eine Situation geschaffen, die notwendigerweise die Besonderheiten von bewaffnetem Aufstand und langwierigem Volkskrieg miteinander verbindet, und außerdem ist es notwendig, dies zu tun […].
Die militärische Linie eines allgemeinen bewaffneten Aufstands enthält einige grundlegende Eigenschaften wie das ständige Eingreifen der politischen Partei des Proletariats im Zentrum des reaktionären Staates von Anfang an auf dem Boden der politischen Propaganda, Ausbildung der Massen einschließlich der Arbeiter mit kontinuierlichen Streiks und Straßenkämpfen auf der Grundlage revolutionärer Forderungen, planvolle Entwicklungsarbeit in den militärischen Streitkräften und der Bürokratie des Feindes, Durchführung intensiven politischen Kampfes gegen verschiedene revisionistische und reformistische Gruppen von der zentralen Ebene, und schließlich die Eroberung der zentralen Staatsmacht durch bewaffneten Aufstand in der entsprechenden internationalen und nationalen Situation, etc. Es ist offensichtlich, dass das Proletariat eines Landes der Dritten Welt die oben genannten Merkmale des allgemeinen bewaffneten Aufstands zulassen und auch anwenden sollte.
UCPN(M) 2001 [Eig. Übers.]United Communist Party of Nepal (Maoist): The Great Leap Forward: An Inevitable Need of History. Diplomacy in Action. Februar 2001.

Nepal hat seit den frühen 1970er Jahren einen erheblichen Wandel erfahren, als 94 Prozent der „wirtschaftlich aktiven“ Bevölkerung in der Landwirtschaft waren. Heute sind 13 Prozent in der Industrie beschäftigt und weitere 21 Prozent im Dienstleistungssektor, die zusammen für über 60 Prozent des BIP [Bruttoinlandsprodukt] Nepals zu Buche schlagen. Nepals Arbeiterklasse, die sich in den städtischen Gebieten des Kathmandu-Tals und des Terai konzentriert, ist kämpferisch und politisch relativ bewusst. Die Economic and Political Weekly (Navlakha & Varma 2006) berichtete, dass Zeitungsstände häufig marxistische Klassiker neben Mainstream-Magazinen verkaufen. Es gibt auch einen hohen Grad gewerkschaftlicher Organisierung: Eine Veröffentlichung des US-State Department schätzte kürzlich, dass rund eine Million Arbeiter einer Gewerkschaft angehören (USA 2009). Nepals Gewerkschaften sind nicht nach Industrien, sondern nach politischer Parteizugehörigkeit organisiert. Die größte Arbeitergruppierung, die General Federation of Nepalese Trade Unions (GEFONT), ist mit der UML verbunden, während der Nepal Trade Union Congress (NTUC) auf die NCP ausgerichtet ist. Beide Verbände sind in der Textil- und Teppichindustrie vertreten, aber die Mitgliedschaft der GEFONT hat einen höheren Anteil von Arbeitern, während der NTUC mehr Beamte und kleinbürgerliche Fachleute hat. Obwohl sich die Kontrolle der Parteien in den letzten Jahren etwas abgeschwächt hat, ordnen beide großen Verbände in wichtigen Fragen weiterhin ihre Aktivitäten den Anforderungen ihrer jeweiligen parlamentarischen Paten unter.

Bei der Schaffung der Basis für den vom Prachanda­weg diktierten bewaffneten Aufstand, arbeitete die KPN(M) hart daran, ihren Einfluss in den Städten auszuweiten. Der maoistische Studentenverband, der bereits 2001 eine wichtige Kraft war, initiierte eine Kampagne gegen die Ungerechtigkeiten in der Bildung und Gebühren für private Schulen. Andere auf die KPN(M) ausgerichtete Gruppen organisierten Proteste gegen Monarchie, Regierung und Militärübergriffe sowie Diskriminierung wegen Kasten- oder Religionszugehörigkeit. Die Maoisten gründeten auch ihre eigene All Nepal Trade Union Federation (ANTUF) [Allnepalesischer Gewerkschafts­bund]. Die Aktionen des ANTUF zeigten die Ambivalenz der KPN(M) gegenüber der Organisierung der Arbeiter, denn sie schienen nicht durch eine schlüssige Strategie bestimmt zu sein. Er begann Operationen mit einer Serie von Explosionen in der Absicht, Industrielle zu „Spenden“ zu ermuntern. Während manche dieser Aktionen mit Forderungen nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen verbunden waren, schienen viele offenbar keine substanzielle Unterstützung von den Arbeitern in den Fabriken zu erhalten, vielleicht weil erfolgreiche Bombenanschläge oft zu erheblichem Stellenabbau, wenn nicht sogar zur Schließung des Unternehmens führten. Unterstützung für den ANTUF wuchs, nachdem er einen Streik gegen zwölf große Unternehmen im September 2004 organisiert hatte.

Die Haltung der KPN(M) gegenüber den Städten und Kämpfen des Proletariats als bloße Ergänzung zum agrarisch basierten „Volkskrieg“ begrenzte ihre Fähigkeit, das Vertrauen und die Anhängerschaft der städtischen Arbeiterklasse zu gewinnen. Weder in ihrer populären Agitation noch in ihren theoretischen Dokumenten hat die Partei die Bildung von Arbeiterräten oder anderer Organe proletarischer Herrschaft entworfen. Stattdessen wird die maoistisch kontrollierte Gewerkschaft als das geeignetste Gremium gepriesen, um Arbeiter in einer „Einheitsfront“ mit anderen Klassen zu repräsentieren. Es ist unwahrscheinlich, dass die Aussicht auf eine „neudemokratische“ Ausbeutung durch „nationale“ Kapitalisten unter den meisten Arbeitern sehr viel Anklang finden wird, da viele bereits für nepalesische Industrielle arbeiten. Es ist unbestreitbar, dass die städtische Arbeiterklasse trotz weit verbreiteter Unzufriedenheit mit dem parlamentarischen Kretinismus der UML, sich nicht der maoistischen Alternative zugewandt hat.

April 2006: Ende des „Prachanda-Weges“

Das Scheitern der KPN(M), die Anhängerschaft des städtischen Proletariats zu gewinnen, ließ sie ohne einen praktikablen Weg zur Übernahme der Staatsmacht, wodurch sie gezwungen wurde, eine Annäherung an die parlamentarischen Parteien zu suchen, um Einfluss in Kathmandu zu erzielen. Nach König Gyanendras Entlassung der Regierung im Oktober 2002, schrieb Bhattarai, dass der Konflikt „zwischen den rückschrittlichen und fortschrittlichen Kräften“ andauern würde bis „die feudal-bürokratischen Kräfte durch den endgültigen Sieg der demokratischen Revolution vollständig hinweggefegt werden“. Aber er beklagte auch, dass die ins Auge gefassten Partner der KPN(M) in der „demokratischen Revolution“ mit den „feudal-bürokratischen“ Kräften viel zu sanft umgingen:

Die grundsätzliche Schwäche und der Fehler im gesamten Prozess der großen parlamentarischen Parteien lag darin, nicht zu begreifen, dass die uralte feudale Monarchie das wichtigste Bollwerk der Reaktion war, und stattdessen von ihr als Verbündeter der „Demokratie“ zu schwärmen. Folglich konnten diese Parteien während der letzten 12 Jahre an der Macht kein einziges Programm vorstellen, um die Wurzeln von Feudalismus und bürokratischem Kapitalismus abzutrennen und eine materielle Basis für andauernde bürgerlich-demokratischen Institutionen vorzubereiten.
Bhattarai 2002, S. 4608 [Eig. Übers.]Bhattarai, Baburam: Triangular Balance of Forces. In: Economic and Political Weekly Bd. 37 (2002), Nr. 46,  S. 4606-4610
Außerdem hat sich die KPN(Maoisten) öffentlich zu einem Mehrparteiensystem in der Zukunft bekannt. Deshalb lautete ihr ständiger Appell an alle parlamentarischen Parteien: „Ihr akzeptiert die Republik, wir werden ein Mehrparteiensystem akzeptieren“.
Bhattarai 2002, S. 4610 [Eig. Übers.]Bhattarai, Baburam: Triangular Balance of Forces. In: Economic and Political Weekly Bd. 37 (2002), Nr. 46,  S. 4606-4610

Die einzige Einschränkung für ein „Mehrparteiensystem“, war laut Prachanda, dass

die Aktivitäten solcher Elemente, die Feudalismus wahren und Fremdherrschaft einladen, einzudämmen sein werden.
Banerjee 2002, S. 3716 [Eig. Übers.]Banerjee, Sumanta: Nepal: A New Flashpoint? In: Economic and Political Weekly Bd. 37 (2002), Nr. 36

Im Juni 2003 billigte das ZK der KPN(M) formell ein

wettbewerbsfähiges demokratisches Mehrparteiensystem.
Banerjee 2006 [Eig. Übers.]Banerjee, Sumanta: Beyond Naxalbari. In: Economic and Political Weekly Bd. 41 (2006), Nr. 29, S. 3159-3162

Aber trotz ihrer Differenzen mit dem Monarchen, fanden weder die UML noch der Kongress den maoistischen Vorschlag verlockend. Während der vorangegangenen fünf Jahre hatten diese parlamentarischen Lakaien der nepalesischen herrschenden Klasse selbst wenig Rücksicht auf demokratische Feinheiten in ihrem Feldzug zur Niederschlagung des maoistischen Aufstands gezeigt. Und nach der Auflösung des Parlaments hatten sowohl Mitglieder von UML als auch von NCP Posten in den nachfolgenden Regierungen akzeptiert, die vom König ernannt wurden. Das Bild begann sich im Februar 2005 zu ändern, als der König den „Notstand“ ausrief und die volle Exekutivmacht übernahm (wozu er nach der Verfassung von 1990 berechtigt war). Erst als der Monarch dazu überging, Scharen prominenter politischer Aktivisten verhaften zu lassen sowie Medien und Kommunikation zu unterbinden, begannen die parlamentarischen Parteien und die bürger­liche „Zivilgesellschaft“, ernsthafte Einwände zu erheben. Selbst UML und NCP beschränkten sich, auf Geheiß ihrer indischen und amerikanischen Geldgeber, monatelang lediglich auf die Forderung nach Wiedereinsetzung des alten Parlaments. Dies hatte keine populäre Anziehungskraft und, da die maoistischen Forderungen nach einer Republik und einer Verfassunggebenden Versammlung schnell an Unterstützung gewannen (sogar in den Reihen von UML und NCP), änderten die Führer dieser Parteien ihre Taktik.

Im Laufe des Sommers 2005 ermöglichte Indien Gespräche zwischen der Sieben-Parteien-Allianz (SPA), einer Koalition aller Parteien mit signifikanter parlamentarischer Repräsentation, sowie den Maoisten. Bhattarai begann die Möglichkeit zu lancieren, dass es vielleicht notwendig sei, ein vorläufiges Vorstadium einer demokratischen Republik zu durchlaufen, wegen des „Schwankens eines Großteils der städtischen und ländlichen Mittelschichten in Richtung eines revolutionären Wandels“ (Tiwari 2005) und wegen der Opposition Chinas und Indiens gegenüber großen Umwälzungen in der Region. Im November 2005 unterzeichneten SPA und Maoisten eine 12-Punkte-Vereinbarung zur „Beendigung der Autokratie und der Errichtung einer absoluten Demokratie“ (Chandrasekharan 2005)Chandrasekharan, S.: NEPAL: The Political Parties reach the „point of no return“ - Update 78 : Note no.281.. Die SPA wies die Forderung der Maoisten nach einer Republik zurück, stimmte aber der Idee einer konstituierenden Versammlung für den Entwurf einer neuen Verfassung zu. Die Vereinbarung enthielt keine klaren Aussagen und ließ die Möglichkeit einer Wiederherstellung des alten Parlaments offen. Ferner enthielt sie eine Klausel, in der die „Überwachung“ der Maoisten und RNA durch die Vereinten Nationen gefordert wurde, eine langjährige Forderung der KPN(M).

Im März 2006 gaben SPA und Maoisten getrennte, aber identische Aufrufe für einen viertägigen Generalstreik und eine Kampagne des zivilen Ungehorsams ab dem 6. April aus. Im Gegensatz zu den Plänen der Parteiführung jedoch, endeten der Streik und die Demonstrationen nicht am 9. April, sondern wurden stattdessen immer größer und militanter. Wie die Jana Andolan von 1990 entwickelten die Proteste eine Eigendynamik und schon bald forderten Teilnehmer ein Ende der Monarchie. Angaben der International Crisis Group (ICG) besagen:

Anfangs waren Parteikader und Führer kaum bei den Protesten zu sehen und nur sehr selten an der Spitze. Parteifahnen, die Grundausstattung jeder organisierten Demonstration, waren kaum zu sehen. Die meisten Kundgebungen, Ansammlungen und Märsche waren spontan, organisiert von lokalen Aktivisten oder angestiftet von maoistischen Kadern statt gelenkt durch zentrale Planung der Partei. Die Teilnehmer waren überwiegend normale Leute, weder stramme Parteigänger noch mao­istische Unterstützer.
ICG 2006, S. 4 [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal: From people power to peace. Asia report. Bd. 115. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2006. 40 S.

Der Versuch der RNA, eine Ausgangssperre zu verhängen, bekräftigt durch eine „Todesschuss“politik zur Unterdrückung der Proteste, scheiterte und auf die Mengen zu feuern, schürte den Volkszorn noch zusätzlich. Zwischen drei und vier Millionen beteiligten sich 19 Tage lang an den Demonstrationen und Streiks. Die größten Demonstrationen gab es in Kathmandu sowie kleinere in Distriktzentren überall im Land. Etwa 6.000 Demonstranten wurden verletzt, 18 Menschen in Kathmandu wurden getötet und 150 weitere erlitten Arm- oder Beinbrüche. Anders als 1990 gab es nur wenige Fälle von regimetreuen Schlägern in „Vergeltungskomitees“, die Demonstranten angriffen, es gab auch Berichte, dass viele ehemalige Soldaten und sogar Polizisten an den Demonstrationen teilnahmen.

Nepal war im April 2006 in einer vorrevolutionären Situation. Dadurch, dass der Generalstreik das normale Leben zum Stillstand brachte, erhob er klar die Frage, welche Klasse herrschen sollte. Die Führer der etablierten Parteien, besonders die der UML, waren weitgehend diskreditiert und außerstande, irgendwelche praktischen Lösungsangebote für die Probleme der Arbeiter und Bauern vorzulegen.

Die Staatsmaschinerie geriet ins Stocken, da weite Teile des öffentlichen Dienstes, darunter viele in leitenden Positionen, sich den Demonstrationen anschlossen. Intellektuelle und Fachkräfte verließen das Regime und einige Sektionen der Sicherheitsdienste setzten sich ebenfalls ab. Solche Situationen bieten einer revolutionären Partei enorme Chancen, die das Vertrauen der militantesten Arbeiter gewonnen hat und in der Lage ist, die unmittelbaren Forderungen der Massen mit der Notwendigkeit der Eroberung der Staatsmacht zu verknüpfen. Eine bolschewistisch-leninistische Partei hätte den Aufruf zur Abschaffung der Monarchie und der Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung mit der Notwendigkeit demokratisch gewählter Arbeiter- und Bauernräte verknüpft, um dem Kampf eine Richtung zu geben, zusammen mit Betriebsmilizen, die in der Lage gewesen wären, Angriffen der RNA oder anderer Teile des bürgerlichen Repressionsapparats zu begegnen.

Der nächste logische Schritt wäre gewesen, die Enteignung der Großgrundbesitzer und Kapitalisten, ausländischer und einheimischer zu organisieren. Eine Organisation, die in jenen kritischen Tagen fähig gewesen wäre, eine klare Alternative zur bestehenden Ordnung darzustellen, hätte eine soziale Revolution entfachen können, die in ganz Südasien und weit darüber hinaus einen Widerhall gefunden hätte.

Die KPN(M), die als einzige Partei behauptete, irgendeine revolutionäre Alternative darzustellen, wies ein solches Programm nicht vor und konnte dies auch nicht leisten. Ihre Kader spielten eine entscheidende Rolle in den kleineren Zentren, hatten aber wenig Einfluss unter den Arbeitern in Kathmandu. Die KPN(M)-Führung entschied darüber hinaus, sich mit den parlamentarischen Parteien zu verbünden, um Verantwortung für die Wiederherstellung von bürgerlichem Recht und Ordnung in der Hauptstadt zu übernehmen. Als der König ein verzweifeltes allerletztes Angebot unterbreitete, eine zivile Regierung zu ernennen, zwang dies sogar seine ehedem servilen parlamentarischen Lakaien in der SPA dazu ihn zu verachten:

Weit davon entfernt, Öl aufs aufgewühlte Wasser zu gießen, hatte die Proklamation des Königs, einem nepalesischen Sprichwort gemäß, Butterschmalz zum Feuer gegeben. Menschen ergossen sich in größerer Zahl als je zuvor auf die Straßen, dazu entschlossen, dem Palast eine Botschaft zu schicken, der Ausgangssperre zu trotzen und um die Parteiführer wissen zu lassen, dass ein Kompromiss keine Option war.
Kirtipur, die kleine und von unabhängigem Geist inspirierte Stadt außerhalb der Hauptstadt, wo früher eine der beeindruckendsten friedlichen Kundgebungen stattfand, war wie ausgestorben. „Niemand ist hier. Wir sind alle auf dem Weg nach Kathmandu“, sagten junge Männer, die zu Fuß Richtung Ringstraße gingen. „Wir wollen eine Republik, jeder unterstützt dass jetzt.“ Menschenmassen durchbrachen den Sicherheitskordon rund um Patan, die Partnerstadt Kathmandus, und wuchsen an, während sie sich bergab zur Brücke in die Hauptstadt bewegten. „Wir marschieren zum Palast“ riefen ausgelassene Demonstranten über das Dröhnen von Parolen gegen den König hinweg ….
An einem Punkt der Route, die vom größten Demonstrationszug genommen wurde, schätzte ein westlicher Militärexperte die vorbei ziehende Menge auf Zwei- bis Dreihunderttausend.
ICG 2006, S. 13 [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal: From people power to peace. Asia report. Bd. 115. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2006. 40 S.

Die SPA und der Palast versuchten zu verhindern, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten, und arbeiteten einen übereilten Hinterzimmerdeal aus. Der König stellte das Parlament wieder her und bekundete vage Zustimmung zum „schrittweisen Plan“, den das 12-Punkte-Abkommen vorsah. Dies reichte der SPA, um abrupt den Sieg zu erklären, weitere Mobilisierungen abzublasen und sich mit Lorbeeren zu schmücken für alles, was erreicht worden war. Die KPN(M) verurteilte den Deal als einen „historischen Fehler“, aber ihre Bereitschaft, im November 2005 die Vereinbarung zu unterzeichnen, höhlte ihre Kritik an den parlamentarischen Parteien aus. Als die SPA-Führer die Maoisten aufforderten, ihre Blockade von Kathmandu aufzuheben, taten sie dies widerstrebend. Die zweite Jana Andolan fand so ihr Ende.

Das Wohlverhalten der KPN(M) während der Ereignisse des April 2006 beeindruckte sowohl ihre parlamentarischen Verbündeten als auch die nepalesische herrschende Klasse. Während der folgenden zwei Jahre gab es eine Reihe von Verhandlungen unter Beteiligung der SPA, der Maoisten und (in geringerem Maße) des Palastes über die Form der bürgerlichen Demokratie, die errichtet werden sollte. Der erste Schritt bestand in einer Reihe von Vereinbarungen zwischen der KPN(M) und G. P. (Girija Prasad) Koirala von der NCP, der dem wiederhergestellten Parlament präsidierte. Während Koirala in den späten 1990er Jahren Premierminister war, hatte er die antimaoistische Offensive geleitet. Zu jener Zeit charakterisierte Prachanda ihn als „Faschist“, aber jetzt bediente sich Koirala maoistischer Sprache, um vor Störungen durch „reaktionäre Kräfte“ zu warnen (BBC News 2006). Das wiedereingesetzte Parlament sollte durch eine Übergangsregierung, eine vorläufige Verfassung und schließlich durch die Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung ersetzt werden. Um ihre Beteiligung an der provisorischen Regierung zu sichern, stimmte die KPN(M) einer vollständigen Aufhebung all dessen zu, was in zehn Jahren „Volkskrieg“ erreicht worden war. Die „Volkskomitees“ und „Volksgerichte“ in den maoistischen Basisgebieten mussten aufgelöst werden und das gesamte Eigentum, das während des Bürgerkriegs enteignet worden war, musste zurückgegeben werden. Im Einklang mit einer vagen Vereinbarung, dass VBA-Kräfte schließlich in den bürgerlichen Staatsapparat „integriert“ würden, stimmten die Maoisten UN-„Überwachung“ und teilweiser Entwaffnung zu. VBA-Kader wurden in sieben Quartiere abgesondert, während ihre Waffen gelagert und unter Verschluss gehalten wurden, obwohl der Schlüssel offenbar im Besitz der KPN(M) blieb.

Im Gegenzug erhielten die Maoisten verschiedene auf Papier gekritzelte Zusagen der Regierung: Ein wertloses Versprechen der Armee, ihre Waffen nicht gegen die „andere Seite [d. h. die Maoisten] zu verwenden“. Die Vereinbarung täuschte vor, die RNA ähnlichen Beschränkungen wie denen für die VBA zu unterwerfen, nämlich in ihren Kasernen zu bleiben und dass „die gleiche Menge“ ihrer (weit zahlreicheren) Waffen weggesperrt würden. Die Vereinbarung regelte auch den Einsatz der Armee als Grenzschutz-, Flughafen-Sicherheit usw., während die Polizei (die mit der Unterdrückung der Maoisten vor 2001 beauftragt worden war) sich um die innere Sicherheit kümmerte. Andere Regelungen umfassten Versprechungen zum Ende kastenbezogener, ethnischer, regionaler und geschlechtsspezifischer Diskriminierung, „wissenschaftlicher“ Bodenreform und „partizipativer Demokratie“. Prachanda erklärte, dass die Unteretappe des Mehrparteienwettbewerbs bewiesen hätte,

ein notwendiger Prozess für die Bourgeoisie und die nationalen Kapitalisten gleichermaßen, geschweige denn für die Mittelschicht
Pradhan & Wagle 2006 [Eig. Übers.]Pradhan, Prateek ; Wagle, Narayan: We want to stop bloodshed: Prachanda [Interview with Prachanda and Baburam Bhattarai]. In: The Kathmandu Post (2006).

zu sein.

KPN(M) „Unteretappe“: Leitung der kapitalistischen Regierung

Die KPN(M) wies auf drei objektive Faktoren hin, die es notwendig machten, den „Prachanda-Weg“ aufzugeben: Die fehlende wirtschaftliche Entwicklung in den Basisgebieten, die Notwendigkeit, mehr Unterstützung in den städtischen Gebieten zu gewinnen und die Gefahr, dass eine ausländische militärische Intervention jeden Versuch eines städtischen Aufstands niederschlagen würde. Während jede revolutionäre Bewegung mit der Möglichkeit imperialistischer Einmischung zu kämpfen hat, hängen die beiden anderen Faktoren gänzlich von der Strategie der ländlichen Guerilla ab. Im Streben nach größerem Einfluss in den Städten entschied sich die KPN(M) zur Beteiligung an der bürgerlichen Übergangsregierung. Prachanda deutete diese offene Klassenkollaboration zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zur Neuen Demokratie um:

[...] wir haben die Fragen von Klasse, Nationalität, Geschlecht und Region aufgeworfen. Wenn alle diese vier Fragen gelöst sind, dann gipfelt es darin, dass es eine neudemokratische Republik gibt … aber da wir auch über friedlichen Wettbewerb mit der Bourgeoisie sprechen, sieht ihre Form wie bürgerliche Demokratie aus, während sie dem Wesen nach neudemokratisch ist.
Prachanda [Interview im Juli 2006] zitiert in: Verma & Navlakha 2007, S. 1843 [Eig. Übers.]Verma, Anand Swaroop; Navlakha, Gautam: Peoples War in Nepal : Genesis and Development. In: Economic and Political Weekly (19 May 2007).

Den Maoisten wurde eine ungewöhnliche Gelegenheit geboten, um dieses Programm nach ihrem überraschend starken Auftritt in den Wahlen vom 10. April 2008 zur Verfassunggebenden Versammlung zu verwirklichen. Der Economist berichtete, bevor die Ergebnisse vorlagen, dass „die Maoisten, in Ermangelung zuverlässiger Meinungsumfragen, als weithin verhasst galten.“ (Economist 2008)Nepal’s election: Mountains to climb. In: The Economist (2008-04-10). Als die Stimmen ausgezählt waren, hatte die KPN(M) 220 von 575 Sitzen in der Nationalversammlung gewonnen, doppelt so viele wie die NCP, die auf dem zweiten Platz landeten. Die Maoisten erhielten die Hälfte der Direktmandate und weitere 30 Prozent der Sitze, die nach dem Verhältniswahlrecht vergeben wurden:

Westliche Diplomaten mit Sitz in Kathmandu und ihre indischen und chinesischen Partner konnten keinen vernünftigen Grund nennen, warum die Maoisten so überraschende Gewinne erzielten. Man hatte im Gegenteil geglaubt, dass die Wahlen die Maoisten auf ihre wahre Größe reduzieren würden, was sie in eine Lage brächte, in der sie weder daran denken könnten, den Weg zurück in den Dschungel für eine weitere Phase des bewaffneten Kampfes anzutreten, noch über genug Sitze in der Versammlung verfügten, um die Grundfesten einer neu installierten Regierung zu erschüttern.
Adhikary 2008 [Eig. Übers.]Adhikary, Dhruba: A Maoist in Nepal's palace. In: Asia Times Online : South Asia news, business and economy from India and Pakistan (2008).

Die erste Sitzung der Verfassunggebenden Versammlung im Mai 2008 erklärte Nepal zur Republik. Die Frage der Monarchie war nicht mehr wichtig für die herrschende Klasse, sogar viele der Royalisten in der Versammlung stimmten für eine Republik. Die Bourgeoisie war weit mehr darum besorgt, eine geordnete Rückkehr zum Status quo sowohl in den Städten als auch auf dem Lande sicherzustellen, wo es oberste Priorität war, die maoistischen alternativen Machtorgane vollständig zu liquidieren. Während die KPN(M) nicht die bevorzugte Option der Kapitalisten war, bot ihre Präsenz in der Regierung einen wertvollen Vorwand für die Beibehaltung des bestehenden Systems von Ausbeutung und Unterdrückung.

Im Sommer 2008 ging die KPN(M) eine Koalitionsregierung mit der UML und der Madhesi Janadhikar Forum (MJF) ein, eine regionale Partei unter Führung eines ehemaligen Maoisten. Als vorgeblicher Vertreter der Madhesi im Terai ist das MJF in Wirklichkeit eine Agentur der Großgrundbesitzer, die heftig gegen die Agrarreform sind. Prachanda wurde Ministerpräsident und NCP-Führer Ram Yadav Baram wurde (mit der Unterstützung der UML) auf die angeblich zeremonielle Position des Präsidenten gewählt. Tatsächlich wurde das Amt des Präsidenten geschaffen, um die Macht über die Armee aufzuteilen und auf diese Weise sicherzustellen, dass selbst eine maoistische parlamentarische Mehrheit rechtlich nicht die volle Kontrolle über den Staatsapparat ausüben würde. Die KPN(M) stimmte dem zu, da sie darauf bedacht war, der herrschenden Klasse zu versichern, dass sie keine Bedrohung für ihre wesentlichen Interessen darstelle. Bhattarai machte dies bei den Verhandlungen über das Zustandekommen der Regierungskoalition sehr deutlich:

Neulich waren wir bei einer Versammlung von nationalistischen [Kapitalisten] und Händlern und wir versuchten, ihnen zu zeigen, dass unser Schwerpunkt im Moment darauf liegt, den Feudalismus und die feudalen Produktionsverhältnisse abzuschaffen und den sehr abhängigen Kapitalismus, nicht nationalen und internationalen Kapitalismus …. Wissen Sie, wir sind nicht gegen produktiven und industriellen Kapitalismus, der Waren liefert, für Arbeitsplätze sorgt, Wert im Land erzeugt, und zumindest den imperialistischen Interventionen innerhalb des Landes widersteht. Diese Art von nationalem Kapitalismus fördern wir. Wir haben versucht, die Nationalisten und die Händler davon zu überzeugen, dass wir ein günstiges Umfeld schaffen werden.
Mikesell & Des Chene 2008 [Eig. Übers.]Mikesell, Stephen Lawrence; Des Chene, Mary: Baburam Bhattarai: For a „New Nepal“ (Interview). In: Economic and Political Weekly Bd. 43 (2008), Nr. 19

Bhattarai offenbarte die klassenkollaborationistischen Auswirkungen in einem späteren Interview noch deutlicher:

Management und Arbeiter haben jetzt ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung der Wirtschaft. Beide kämpften gegen Feudalismus, Autokratie und Monarchie. Nun liegt es im Interesse von Management und Arbeitern eine pulsierende industrielle Wirtschaft zu schaffen. Aber diese Realität kriegen sie nicht in ihre Köpfe. Diese Regierung spielt ihre Rolle in der Schaffung eines gesunden Verhältnisses zwischen den beiden. Es gab einige Streitigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Frage eines Mindestlohns. Diese wurden behoben. Ich appelliere also an das Management, dass sie für Mindestlohn sorgen. Die Arbeiter sollten nicht auf Bandas [politische Generalstreiks] und Streiks verfallen. Wenn dieses Verständnis geachtet wird, werden wir künftig eine gesunde Umwelt haben.

. . .

… Zumindest für einige Zeit sollte es keine Bandas oder Streiks in den Bereichen Industrie, Gesundheitswesen, Bildungswesen, auf den wichtigsten Autobahnen und in der Versorgungswirtschaft geben. Die Regierung versucht, einen politischen Konsens in dieser Frage zu erzielen.
Adhikari 2009a [Eig. Übers.]Adhikari, Aditya: Interview with Dr Baburam Bhattarai. In: Kathmandu Post (2009-01-12)

Der Interviewer stellte eine Frage, die den Kern der Zwei-Etappen-Strategie berührte:

Q: Gibt es Bemühungen Ihrer Regierung zur Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien von Kapitalisten in Nepal und zur Formulierung einer Politik, die industriellen Kapitalisten helfen wird, aber nicht bürokratischen oder Kompradoren-Kapitalisten?
Adhikari 2009a [Eig. Übers.]Adhikari, Aditya: Interview with Dr Baburam Bhattarai. In: Kathmandu Post (2009-01-12)

Der KPN(M)-Führer antwortete mit dem Eingeständnis, dass die maoistische Unterscheidung zwischen „reaktionären“ und „progressiven“ Elementen der kapitalistischen Klasse im Wesentlichen bedeutungslos sei:

Die gleiche Person oder die gleiche Gruppe haben in Nepal oft einen Doppelcharakter. Die Klassendifferenzierung ist sehr gering. Dieselbe Person kann einen Job in der Landwirtschaft und einen als Dienstleister haben. Es ist sehr schwer zu kategorisieren, welcher Klasse oder Gruppe eine bestimmte Person zufällt. Unter den Unternehmern können auch welche eine gute Arbeit leisten, im Land investieren und zugleich eine Rolle als Kompradorenkapitalist spielen, mit ausländischen Waren Handel treiben und Profit erzielen. Es gibt diesen dualen Charakter. Das ist der Charakter einer Übergangsgesellschaft, wir sollten daher geduldig sein und diese Situation transformieren.
Adhikari 2009a [Eig. Übers.]Adhikari, Aditya: Interview with Dr Baburam Bhattarai. In: Kathmandu Post (2009-01-12)

Die Maoisten werden in der Tat sehr geduldig sein müssen, wenn sie beabsichtigen zu warten, bis die Kapitalisten ihren Appetit verlieren „Gewinne zu machen“ und stattdessen beginnen „gute Arbeit“ zu leisten.

Spannungen in der KPN(M) wegen ihrer erbärmlichen Kapitulation vor dem Klassenfeind spitzten sich zu, als sich herausstellte, dass Land, das früher der königlichen Familie gehörte und Bauern im Terai genommen worden war, auf ein Mitglied des MJF übergegangen war, das in der Zwischenzeit irgendwie einen formalen Besitzanspruch darauf erlangt hatte. Das war zu viel für Matrika Yadav, der von seinem Ministerposten für Landreform in der Koalitionsregierung zurücktrat und schließlich auch noch die Partei verließ, während er den Vorwurf erhob, dass sie „ihren revolutionären Charakter aufgegeben habe und im Strudel der parlamentarischen Parteien und Praktiken gefangen sei“ (TelegraphNepal 2009a [Eig. Übers.])Telegraphnepal.com: Nepal Maoists in disarray after Matrika’s announcement. (2009-02-12).. Yadav hat mittlerweile eine neue Partei gegründet, die den Anspruch erhebt, die wirkliche KPN(M) zu sein.

Nachdem die KPN(M), die mit einer kleineren Gruppe im Frühjahr 2009 fusionierte, um zur Vereinigten Kommunistischen Partei Nepals (Maoisten) oder VKPN(M) zu werden, Eigentum an die Grundherren zurückgegeben hatte und öffentlich ehemalige Royalisten als „Nationalisten“ mit offenen Armen begrüßte, kamen Nepals Herrscher und ihre imperialistischen Paten zu dem Schluss, dass es nicht länger notwendig sei, dass Maoisten die Regierung stellen:

Trotz des Übergangs zu einer föderalen demokratischen Republik und fortdauernder rhetorischer Bekenntnisse zu einem fortschrittlichen, sozial nicht ausgrenzenden „neuen Nepal“, waren Gerüchte über den Tod des alten Nepal stark übertrieben. Das Ende der Monarchie kam in vielerlei Hinsicht jenen Interessen zugute, denen sie gewöhnlich diente: Indem der frühere König Gyanendra als Sündenbock herhalten musste, so sehr er für seine eigenen Probleme verantwortlich war, bot dies der Elite Kathmandus die Freiheit, sich neu zu formieren und sich ein neues Image zu verpassen. Mit der UCPN(M), auserkoren für die Rolle des autoritären Herrschers und der Präsentation von Beispielen fortgesetzten unliberalen Verhaltens, ist es leichter, antimaoistischen Widerstand als demokratisch einzustufen.
Die lautstärkste konservative Wiederbelebung wurde von der städtischen Oberschicht angeführt. Dass die Maoisten nicht die neuen Roten Khmer sind, wie sie prophezeiten, hat sie nicht vom konstanten Geschrei über eine „totalitäre Diktatur“ abgeschreckt …. Ironischerweise beeilten sich die „liberalen Demokraten“ nur dann, sie mit offenen Armen zu begrüßen, als sie wirklich unliberale Maßnahmen, wie ein vollständiges Streikverbot, vorschlugen. Im Gegensatz dazu wurde ein Budget, so unmaoistisch, dass es die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) zufriedenstellte, wegen seines übermäßigen Ehrgeizes mit Spott aufgenommen, und behauptet, dass Programme wie ein nationaler Alphabetisierungsplan verdeckte Schritte hin zu einer Übernahme des Staates seien.
ICG 2009a, S. 5f [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal's Faltering Peace Process. Asia report. Bd. 163. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2009. 45 S.

Während die kapitalistischen Medien voll waren von Denunziationen gewalttätigen Verhaltens durch Mitglieder der 50.000 Köpfe zählenden Jugendorganisation der VKPN(M), war es tatsächlich die Polizei, die für die meisten Morde in der ersten Hälfte des Jahres 2009 verantwortlich war. Einem ICG-Bericht vom 13. August 2009 zufolge waren maoistische Anhänger weit häufiger die Opfer gewalttätiger Angriffe als Täter (ICG 2009b, S. 33)International Crisis Group: Nepal's Future: In Whose Hands?. Asia report. Bd. 173. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2009. 53 S..

Das Gekreische der Opposition erreichte Anfang Mai 2009 einen Höhepunkt, als die Regierung versuchte, den Stabschef der Armee, General Katawal, zu entlassen, der vor der Bildung der Koalitionsregierung öffentlich erklärt hatte, dass er die Integration „indoktrinierter“ VBA-Mitglieder in die Armee nicht zulassen würde. Katawal ignorierte auch die Einwände des maoistischen Verteidigungsministers und vergrößerte die Armee um 3.000 und verschob die Versetzung von acht Offizieren in den Ruhestand, die für einige der schlimmsten Grausamkeiten des Bürgerkriegs verantwortlich waren. Er boykottierte demonstrativ ein nationales Sportereignis, dass Teilnehmer der VKPN(M) einschloss. Als sich der „marxistisch-leninistische“ Verteidigungsminister schließlich durchrang, Katawal zu entlassen, explodierten die Oppositionsparteien, die kapitalistischen Medien und die herrschende Klasse vor Wut. Für sie war eine „unabhängige“ Armee die Garantie dafür, dass sich unter einer maoistisch geführten bürgerlichen Regierung nicht viel ändern würde.

Die Situation war so angespannt, dass Prachanda gezwungen war, eine geplante Reise nach Peking, zur Unterzeichnung eines neuen „Frieden und Freundschaft“-Vertrages, abzusagen, der $ 16,4 Millionen an wirtschaftlicher Hilfe gebracht hätte und China zu Kathmandus wichtigstem internationalen Rückhalt gemacht hätte (Vela 2009)Vela, Justin: China-Nepal ties reach new heights. In: Asia Times Online (2009-03-17).. Nach nervöser Hinterzimmerdiplomatie mit indischen Vertretern waren die maoistischen Koalitionspartner, UML und MJF, gegen die Entlassung, ebenso wie Präsident Ram Yadav Baram, der eine Klausel in der Interimsverfassung zitierte, die in solchen Fragen „politischen Konsens“ verlangte. Ironischerweise hatte Bhattarai zuvor für diese Klausel geworben als Beweis dafür, dass „das durch die vorliegende Interimsverfassung erdachte System nicht das parlamentarische System von Gestern ist“ (Giri 2008, S. 289) Giri, Saroj: Taking the bait: Maoists and the democratic lure in Nepal. In: Journal of Contemporary Asia Bd. 38 (2008), Nr. 2, S. 277-299. Konfrontiert mit einem Misstrauensantrag in der Versammlung, wurde Prachanda zum Rücktritt gezwungen und seine Regierung wurde bald durch eine UML-geführte Koalition ersetzt.

Nepalesische Herrscher erwägen die „Suharto Option“

Die „Flexibilität“ der VKPN(M) verschaffte der nepalesischen herrschenden Klasse einen sehr billigen Sieg. Die „Volkskomitees“ und „Volksgerichte“ wurden nicht nur weitgehend liquidiert und die VBA demobilisiert, sondern die Grundherren erhielten auch ihr Eigentum zurück. Der wichtigste Dienst der VKPN(M) bestand jedoch darin, die wankende kapitalistische Gesellschaftsordnung in einer Zeit von Volksaufruhr und akuter revolutionärer Möglichkeit durch die Legitimierung eines Imagewechsels der bürgerlichen Demokratie zu stabilisieren. Nachdem sich ihre Nützlichkeit für die Eliten erschöpft hatte, wurden die Maoisten wie eine „ausgequetschte Zitrone“ weg geworfen.

Trotz dieser traurigen Bilanz, bleibt die VKPN(M) eine mächtige Kraft in Nepal. Seit Mai 2009 haben sich Hunderttausende Menschen an einer Reihe nationaler Demonstrationen beteiligt, in denen sie „zivile Oberhoheit“ über die Armee verlangten. In den Gebieten, in denen die Maoisten Einfluss haben, wurden die „Volkskomitees“ reaktiviert und Landbesetzungen wurden wieder aufgenommen. Ende November 2009 koordinierte die Partei einen Umzug von Tausenden landloser Hausbesetzer auf einen Landstrich im äußersten Westen des Landes. Die Regierung antwortete mit der Entsendung von Polizei, die das Lager räumte, 1.500 Hütten nieder brannte und vier Hausbesetzer tötete. Die Maoisten konterten mit einem eintägigen Generalstreik am 6. Dezember 2009, der Geschäfte, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel in der Hauptstadt dicht machte.

Die maoistische Führung ist sich bewusst, dass sie weiterhin militante Aktionen organisieren muss, wenn sie ihre Basis behalten und ihre Autorität steigern will. Sie spürt etwas Druck von links durch die „wirkliche“ KPN(M) von Matrika Yadav, der es gelungen ist, eine erhebliche Anzahl unzufriedener maoistischer Kader mit radikaler Rhetorik und kühnen Landbesetzungen im Terai für sich zu gewinnen.

Die Ereignisse vom Mai 2009 scheinen Elemente des linken Flügels in der VKPN(M) gestärkt zu haben, die argumentiert hatten, sich schneller auf die Errichtung einer „Föderalen Demokratischen Nationalen Volksrepublik“ zuzubewegen (konzipiert als „Neue Demokratie“), im Gegensatz zu Bhattarais Politik der „Konsolidierung“ der „Föderalen Demokratischen Republik“. Im Anschluss an das Mai-Debakel, versuchte Bhattarai sich von seiner früheren Auffassung einer langwierigen „Unteretappe“ der bürgerlichen Herrschaft zu distanzieren:

Wir wussten, dass die bürgerlichen Kräfte, nach der Abschaffung der Monarchie, versuchen würden, sich zur Wehr zu setzen, und unser Hauptwiderspruch würde gegenüber den bürgerlich-demokratischen Parteien bestehen ….
Nach dem April 2009 … waren die Phase der Verfassunggebenden Versammlung und die Umsetzung der bürgerlich-demokratischen Republik mehr oder weniger abgeschlossen. Nach unserem Verständnis muss nun der Kampf für die Vollendung der neudemokratischen Revolution fortgeführt werden.
WPRM 2009 [Eig. Übers.]World People’s Resistance Movement (Britain): Nepal: Interview with Comrade Baburam Bhattarai. (2009-10-26).

Dieses erneute Bekenntnis zu einer „neudemokratischen Revolution“ stellt keinen Bruch mit der fatalen Logik der Zwei-Etappen-Theorie dar und öffnet so die Tür zu einer weiteren Runde der Klassenkollaboration. Die militanten Straßendemonstrationen der Maoisten dienen in erster Linie als Druckmittel gegen die anderen im Parlament vertretenen Parteien. Im Oktober 2009 unterbrach die VKPN(M) ihren Boykott der Verfassunggebenden Versammlung, um den Haushalt der von der UML geführten Regierung zu unterstützen. Zwei Monate später gab sie bekannt, dass der „Hauptwiderspruch“ sich verschoben hatte:

Gemäß dem Beschluss des ZK [Zentralkomitee] der Partei, hat sich der Widerspruch geändert. Die Frage der Nationalität stand im Zentrum und es wurde beschlossen, dass der Hauptwiderspruch zwischen der Ein­mischung des Imperialismus (besonders des indischen Expansionismus) durch die Marionetten und Überreste des Feudalismus und dem nepalesischen Volk besteht.
Red Star Fortnightly 2010 [Eig. Übers.]Red Star Fortnightly: UCPN-Maoist develops a new Tactical-Line, (2010-01-06).

Dies ebnet den Weg für eine weitere „antiimperialistische“ Verknüpfung mit der „patriotischen“ Bourgeoisie, während zu einer gefährlich selbstgefälligen Haltung gegenüber der Armee als Garant für die „nationale Unabhängigkeit“ ermutigt wird. Vom maoistischen Führer Lila Mani Pokharel, der die Illusionen Aidits in das indonesische Militär im Jahr 1965 wie ein Echo wiederholte, wird berichtet, dass er behauptete, die Armee würde bei allen Kraftproben auf Seiten der Maoisten stehen:

Die nepalesische Armee hat eine klare Vorstellung davon, wer die Verräter waren und wer die wirklichen Nationalisten …. Ungleiche Verträge und ungleiche Beziehungen mit Indien sollten die wichtigste Sorge der jungen Bevölkerung sein und sie sollte verpflichtet bleiben, Nepals nationale Unabhängigkeit zu sichern.
TelegraphNepal 2009b [Eig. Übers.]TelegraphNepal.com: Nepal Army may support Maoist’s next revolt: Pokharel. (2009-12-28).

Diese Kombination von Volksmobilisierung und Wahnvorstellungen in Bezug auf den kapitalistischen Repressionsapparat wird sich wahrscheinlich als fatal erweisen. Zum ersten Mal seit 2005 hat Indien die Militärhilfe für Nepal wieder aufgenommen und ermutigt offen die Regierung förmlich auf alle Pläne zur Integration der VBA zu verzichten. Bis heute hat sich nichts geändert, die VKPN(M) drängt darauf, dass alle ihre Kämpfer aufgenommen werden sollen, die Armee ist dagegen, irgendeinen von ihnen zu akzeptieren und die Vereinten Nationen (die Quartiere überwachen, in denen die VBA schmachtet) haben eine partielle Integration vorgeschlagen.

Die Armee bemüht sich, dass Beschränkungen für Waffenimporte durch das Friedensabkommen von 2006 aufgehoben werden. Sie interveniert auch aktiv in die Innenpolitik mit langatmigen politischen Dokumenten, die zu einer Volksabstimmung über Säkularismus und Föderalismus aufrufen und Nepals ersten Monarchen, König Prithvingrayan Shah, als Symbol nationaler Einheit hochhalten. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass Vorbereitungen für eine Offensive gegen die Maoisten begonnen haben:

Stete Beachtung der Formalitäten des CPA [Comprehensive Peace Agreement (Umfassendes Friedensabkommen [Eig. Übers.]] ist bei weitem nicht gewährleistet. Generäle haben ihren Wunsch nach einem entscheidenden „Friss oder stirb“-Angriff auf die Maoisten nicht verborgen. Sie haben zunehmend argumentiert, dass der Stillstand im Aufstand ausschließlich externen Faktoren zuzuschreiben sei und nicht der mangelnden Kapazität als Armee: [König] Gyanendra ließ sie im Stich mit seiner tollkühnen und unterentwickelten politischen Strategie, internationale Geldgeber froren ihre Unterstützung ein, als sie am dringendsten benötigt wurde. Die NA [Nepalesische Armee] wurde durch ihre eigene Entschlossenheit, möglichst wenige Opfer zu verursachen, eingeschränkt und die Maoisten als „fehlgeleitete Brüder und Schwestern“ und nicht als militärische Gegner zu behandeln.
Solche Argumente sind bestenfalls dürftig. Sie wurden nicht wegen ihrer Richtigkeit vorgebracht, sondern um verletzten Stolz wiederzugewinnen und, für einige, um das Argument zu unterstützen, dass Nepal eine „Sri Lanka Lösung“ braucht: Ein intensives blutiges Endspiel, in dem Prachanda den Part von Prabhakaran spielen würde, dem verstorbenen Führer der Tamil Tigers. […]
Einige in Indien haben ihre Bereitschaft publik gemacht, eine Herrschaft der Armee gegen maoistische Verankerung oder Unordnung hinzunehmen.
ICG 2009b, S. 16f [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal's Future: In Whose Hands?. Asia report. Bd. 173. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2009. 53 S.

Im Dezember 2009 regte Nepals Botschafter in den USA, Sukhdev Shah, bedrohlich an, dass die Liquidation der PKI 1965 und die blutigen rechtsextremen Militärdiktaturen in Chile und Südkorea die nepalesische Bourgeoisie mit einem Modell für eine mögliche „letzte Option“ versorgen :

Es wäre ein großes Risiko eine Wette darauf abzuschließen, wie sich die Ereignisse in den kommenden Monaten und Jahren entfalten werden, aber die gegenwärtigen Katz-und-Maus-Spiele von politischen Parteien und Maoisten werden den Konflikt wahrscheinlich für eine entscheidende Kraftprobe in den Blickpunkt rücken. Wenn dies passiert, wird [die] Armee eine größere Chance haben, den Sieg zu beanspruchen, unter der Voraussetzung, dass der Konflikt vor allem die Führung an der Spitze betrifft. Ein weiterer großer Unsicherheitsfaktor ist es, ob Nepal das Glück haben wird, dass einige starke Männer, wie Koreas Park Chung-He, Chiles Pinochet oder Indonesiens Suharto, die Gelegenheit wahrnehmen, um die Herausforderung der Unterdrückung Andersdenkender anzunehmen und die Mobilisierung der Staatsmaschinerie auf eine einzige Mission zu fokussieren: Den Aufbau einer starken und wohlhabenden Nation.
Angesichts so vieler Optionen, die über so viele Jahre ausprobiert wurden, um die Armut zu beseitigen und auf den fahrenden Zug von Wachstum, Wohlstand und Chancen zu springen, mag gerade diese letzte Option eine Chance auf Erfolg haben.
Shah 2009 [Eig. Übers.]Shah, Sukhdev: Getting out of the quagmire. (2009-12-20)- myrepublica.com - News in Nepal.

Während Nepals herrschende Klasse klar erkennt, dass es einen fundamentalen Gegensatz zwischen den Interessen der Ausbeuter und denen ihrer Opfer gibt, verfolgen die Maoisten weiterhin die gleiche Strategie, die sich für die PKI als fatal erwies.

III. Maoistische Metaphysik: Das „Neue Demokratie“-Rätsel

Die dramatischen Entwicklungen in Nepal haben international erhebliche Diskussionen zwischen Maoisten ausgelöst, vor allem innerhalb der Revolutionary Internationalist Movement (RIM), die 1984 von 20 maoistischen Organisationen aus der ganzen Welt, einschließlich der KPN(M), gegründet wurde. Die RIM stellte den ersten ernsthaften Versuch zur Bildung einer stalinistischen „Internationale“, seit der Auflösung der Komintern 1943, dar. Es ist jedoch keine zentrale Organisation, sondern eher ein Bund unterschiedlicher nationaler Gruppen, die nur durch die gemeinsame Identifikation mit „Marxismus-Leninismus-Maoismus“ und eine Zeitschrift (A World To Win [Eine Welt zu gewinnen]) geeint sind. Einige Mitgliedsorganisationen der RIM verteidigten die VKPN(M) kritiklos bei jedem Schritt, indem sie ihre Fehler und Zickzacks als geschickte Taktik darstellten. Die in Quebec ansässige Parti communiste révolutionnaire weist z. B. Kritik an den nepalesischen Maoisten einfach zurück:

Wir haben unsererseits nie gezögert, die Revolution in Nepal zu unterstützen. Und wir werden dies auch weiterhin tun, sehr deutlich und mit all dem Enthusiasmus, den die Möglichkeit eines kommunistischen Sieges inspirieren sollte. Die Revolutionäre in Nepal benötigen sicherlich keinen Crash-Kurs über das marxistische Staatsverständnis, sie brauchen keine Predigten, sondern Revolutionen.
Smith 2009 [Eig. Übers.]Smith, Eric: ‘Nepal: The People’s Revolution is Moving Forward. The Red Flag. (2009-12).

Eine Gruppe ehemaliger Anhänger von Bob Avakians Revolutionary Communist Party, USA (RCP), die die „Kasama“-Website (kasamaproject.org/) betreiben, teilen diese Ansicht:

Wenn man Revolution macht, gibt es keine Garantien und keinen verbotenen Weg zur Macht. Es gibt nicht nur zwei Modelle (wie manche behaupten). Oder um es anders auszudrücken: Wenn das Proletariat an diesem Punkt in der Geschichte zwanzig Revolutionen gemacht hätte, gäbe es offensichtlich etwa zwanzig „Modelle“, das bedeutet, wir könnten realisieren, dass es keine festen Modelle gibt.
Connors 2009 [Eig. Übers.]Connors, J. B.: Learning from the Maobadi. Kasama: Newsflash from the Malabar Front! (2009 03 30)

Seit fast einem Jahrzehnt verkaufte die RCP atemlos die Heldentaten ihrer nepalesischen Genossen, unter besonderer Hervorhebung der begeisterten Meldungen, die von Li Onesto geschickt wurden, einem RCP-Unterstützer, der zum ersten „ausländischen Journalisten“ wurde, der aus den Guerillazonen berichtete. Als die KPN(M) entschied, der bürgerlichen Regierung im Anschluss an die Kraftprobe vom April 2006 beizutreten, versickerte die Flut der Berichterstattung der RCP zu einem Rinnsal. Anfang 2009 veröffentlichte die RCP einen Briefwechsel mit der KPN(M), der bis zum Oktober 2005 zurückging. Die RCP beschwor in der Erläuterung ihrer Entscheidung, mit dem Disput an die Öffentlichkeit zu gehen, feierlich „marxistische Prinzipien“ und „internationalistische“ Pflichten, aber es scheint, dass der größte Faktor der mangelnde Respekt seitens der VKPN(M) für die tiefgründige Weisheit des Vorsitzenden der RCP Bob Avakian war:

Gerade als wir uns entschieden hatten, dass nun der Weg [an die Öffentlichkeit zu gehen] richtig ist, erschien ein Artikel von Roshan Kissoon in englischer Sprache in eurer Zeitschrift Red Star (Nr. 21), in dem es eine offene Ablehnung des gesamten Marxismus gibt, beginnend mit Marx selbst, eine offene Ablehnung der gesamten Erfahrung der proletarischen Revolution bis zu diesem Punkt und eine offene Proklamation, dass die Revolution in Nepal nicht mehr tun kann, als einen modernen kapitalistischen Staat aufzubauen, während die Frage des Kampfes für den Sozialismus und Kommunismus zukünftigen Generationen überlassen wird.
Als Teil der antikommunistischen Hetzrede in Red Star Nr. 21, entfaltet Kissoon einen bösartigen und gewissenlosen Angriff und eine persönliche Verleumdung gegen den Führer unserer Partei, Vorsitzenden Bob Avakian, was verwerflich und inakzeptabel ist.
RCP 2009, S. 2 [Eig. Übers.]Revolutionary Communist Party USA: On Developments in Nepal and the Stakes for the Communist Movement: Letters to the Communist Party of Nepal (Maoist) from the Revolutionary Communist Party, USA, 2005-2008 (With a Reply from the CPN(M), 2006). In: Revolution: Voice of the Revolutionary Communist Party, USA (2009), Nr. 160.

Kissoon war offenbar von der hausgemachten „neuen Synthese“ des Vorsitzenden Bob unbeeindruckt und bemerkte unhöflich, dass

niemand außerhalb der RCP USA tatsächlich diesen Unsinn glaubt, und die RCP USA ähnelt eher einem seltsamen Kult als einer wirklichen kommunistischen Partei. Bodenkontrolle an den Vorsitzenden Bob …
Kissoon 2009 [Eig. Übers.]Kissoon, Roshan: Negation of the Negation. In: The Red Star (Nepal’s National Magazine) Bd. 2 (2009), Nr. 1, S. 5+7

Der VKPN(M) war offenbar entgangen, dass sich Bob Avakian zufolge,

Maoismus heute ohne Bob Avakians neue Synthese in sein Gegenteil verwandeln wird. Anstatt den Sprung nach vorn anzutreten, der erforderlich ist, wird es ein Rückzug nach hinten sein, der früher oder später, und vielleicht nicht so viel später, in offener Opposition zum revolutionären Kommunismus enden wird.
Avakian 2009 [Eig. Übers.]Avakian, Bob: Ruminations and Wranglings: On the Importance of Marxist Materialism, Communism as a Science, Meaningful Revolutionary Work, and a Life with Meaning. In: Revolution: Voice of the Revolutionary Communist Party (2009), Nr. 162

Kissoon hat nicht ganz unrecht in Bezug auf die RCP und dessen väterlichen Führer, ebenso wie die RCP dafür plädiert, dass die Politik der VKPN(M) in „einer offenen Ablehnung des gesamten Marxismus, beginnend mit Marx selbst“ münde. (Natürlich könnte dasselbe von Mao Zedongs Billigung des Kniefalls der PKI vor Sukarno gesagt werden, aber es ist unwahrscheinlich, dass die RCP so weit gehen wird.)

Die Kritik der Avakianiten an den Zugeständnissen der nepalesischen Maoisten, ist ziemlich scharf:

Die Organe der Volksmacht, aufgebaut auf dem Lande von Nepal durch den revolutionären Krieg, wurden aufgelöst, die alten Polizeikräfte wurden zurückgebracht, die Volksbefreiungsarmee (VBA), obwohl nie auf dem Schlachtfeld geschlagen, wurde entwaffnet und auf ihre „Quartiere“ beschränkt, während es der alten reaktionären Armee (früher Royal Nepal Army, jetzt umbenannt in Nepal Army), die zuvor fürchtete, ihre Kasernen zu verlassen, außer in großen schwer bewaffneten Konvois, jetzt frei steht, im ganzen Land zu patrouillieren – mit dem Segen eines Verteidigungsministers der KPN(M).
RCP 2009, S. 4 [Eig. Übers.]Revolutionary Communist Party USA: On Developments in Nepal and the Stakes for the Communist Movement: Letters to the Communist Party of Nepal (Maoist) from the Revolutionary Communist Party, USA, 2005-2008 (With a Reply from the CPN(M), 2006). In: Revolution: Voice of the Revolutionary Communist Party, USA (2009), Nr. 160.

Die RCP führt den Ursprung des Problems auf Bhattarais „New State“-Artikel vom Oktober 2005 zurück, in dem die Idee der Hinzufügung einer „Unteretappe“ der bürgerlichen Demokratie ursprünglich vorgeschlagen wurde. In einem Brief vom 4. November 2008 (RCP 2009, S. 5 [Eig. Übers.]) prangerte die RCP dies als Abweichung an, die die Tür für „erstaunliche theoretische Aussagen öffnete … wie die ‚gemeinsame Diktatur des Proletariats und der Bourgeoisie‘“. Die RCP ist sich der katastrophalen Erfahrungen mit der Zwei-Etappen-Revolution in Iran, Irak, Indonesien und Chile und über den Kontrast mit dem Erfolg von 1917 bewusst:

Lenins Linie war klar, es war nicht die Aufgabe der Revolution, eine bürgerliche Republik zu konsolidieren, sondern zu kämpfen, um den bürgerlichen Staatsapparat zu „zerschlagen“ und einen völlig anderen Typ Staat zu etablieren. Und dies ist natürlich genau das, was er getan hat.
RCP 2009, S. 7 [Eig. Übers.]Revolutionary Communist Party USA: On Developments in Nepal and the Stakes for the Communist Movement: Letters to the Communist Party of Nepal (Maoist) from the Revolutionary Communist Party, USA, 2005-2008 (With a Reply from the CPN(M), 2006). In: Revolution: Voice of the Revolutionary Communist Party, USA (2009), Nr. 160.

Wohl wahr, aber was ist mit dem Konzept der Neuen Demokratie, die den Rahmen für die Klassenkollaboration der KPN(M) lieferte? Immerhin befürwortete Bhattarai ausdrücklich ein „Mehrparteiensystem“ vor dem „Neuer Staat“-Artikel von 2005 ohne Einwände von Seiten der RCP. Doch Lenins Politik bestand in unnachgiebiger Opposition gegenüber allen Flügeln der herrschenden Klasse. Die zentrale Aussage in Staat und Revolution lautet, dass es keinen Mittelweg zwischen der Diktatur des Proletariats und der Diktatur der Bourgeoisie geben kann. In einem verworrenen Versuch, Lenin mit Mao in Einklang zu bringen, argumentiert die RCP, dass Neue Demokratie nur eine Form der Diktatur des Proletariats sei:

Neue Demokratie erfordert eine gemeinsame Diktatur der revolutionären Klassen unter der Führung des Proletariats und seiner Vorhut, das heißt, eine spezifische Form der Diktatur des Proletariats, passend zur Etappe der demokratischen Revolution. Während das System der neuen Demokratie die Interessen der nationalen Bourgeoisie anerkennt und schützt, richtet sie sich als Feind gegen den kapitalistischen Sektor der Kompradoren und Bürokraten, der letztlich die dominante Form des Kapitalismus in Nepal ist.
RCP 2009, S. 3 [Eig. Übers.]Revolutionary Communist Party USA: On Developments in Nepal and the Stakes for the Communist Movement: Letters to the Communist Party of Nepal (Maoist) from the Revolutionary Communist Party, USA, 2005-2008 (With a Reply from the CPN(M), 2006). In: Revolution: Voice of the Revolutionary Communist Party, USA (2009), Nr. 160.

So glaubt die RCP, dass antagonistische soziale Klassen bei der Errichtung einer „gemeinsamen Diktatur“ zusammenarbeiten können, weil dieses klassenübergreifende Regime unter „proletarischer“ Führung irgendwie eine Form der Diktatur des Proletariats konstituieren würde.

Diese geisttötende Metaphysik soll zeigen, dass die Theorie der Neuen Demokratie durch die Erfahrungen der chinesischen Revolution von 1949 bestätigt wurde. Wenn die Indonesier es falsch verstanden, verstanden zumindest die Chinesen es richtig. In der Tat gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Erfahrungen: Im Gegensatz zu den indonesischen (und irakischen, iranischen, etc.) Kommunisten führte Maos KPCh eine soziale Revolution durch, die zur Enteignung sowohl des ausländischen und des inländischen Kapitals führte. Aber das war es in der Tat nicht, was Mao im Programm „Neue Demokratie“ vorgestellt hatte, und der endgültige Sieg der KPCh bewies nicht die Lebensfähigkeit, sondern die Unmöglichkeit, einer „gemeinsamen Diktatur“.

Neue Demokratie: Chinesische Volksfront

„Neue Demokratie“ war die chinesische Version der „Volksfront“strategie, die offiziell auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 angenommen wurde – ein panischer Versuch der stalinistischen Bürokratie kapitalistische Verbündete zu organisieren, um der wachsenden Gefahr seitens Nazi-Deutschlands zu begegnen. Nach dem „Langen Marsch“ der KPCh von seinem ländlichen „Jiangxi-Sowjet“ im Südosten Chinas bis zu den isolierten Höhlen und Bergen rund um Yan’an, im der nordwestlichen Provinz Shaanxi, wurde es immer deutlicher, dass der japanische Imperialismus sich vorbereitete, in das nordöstliche China einzumarschieren. Die KPCh reagierte mit dem Versuch, eine zweite „Einheitsfront“ mit der Kuomintang zu errichten. Die Kommunisten hatten bereits deutlich ihr Agrarprogramm abgeschwächt, indem sie eine Politik der Sicherung des Eigentums der reichen und mittleren Bauern annahmen, sowie das Land „aller antijapanischen Soldaten“ (eine Kategorie, die sogar große Grundherren mit einem Sohn in der Roten Armee einschließen konnte). Die Kuomintang reagierte mit mehreren Vorbedingungen, die die KPCh im Februar 1937 akzeptierte. Dies schloss die Eingliederung der „Sowjet“regierung in die Republik China der Kuomintang und die Aufnahme der Roten Armee in die Nationalrevolutionäre Armee ein, die Beendigung von Landbeschlagnahmungen und die Einführung eines „durch und durch demokratischen Systems basierend auf allgemeinem Wahlrecht“. Chiang Kai-shek war nie besonders bedacht auf das „allgemeine Wahlrecht“ in den von der Kuomintang kontrollierten Gebieten, aber er wollte es unbedingt im Gebiet der KPCh einführen, um für reiche Bauern und Grundherren einen Vorteil zu erringen. Die Bedeutung dieser Wendung war den bäuerlichen Unterstützern der KPCh nicht entgangen:

Angst vor und Feindseligkeit gegenüber der Zweiten Einheitsfront waren tendenziell dort am stärksten, wo die Landrevolution am erfolgreichsten war, wo also die Rückkehr der alten Eliten die neue wirtschaftliche und politische Ordnung bedrohte und wo die Bauern schon eine revolutionäre politische Vision begrüßten. Die Partei rief jene auf, die sie in die Erhebungen auf dem Lande geführt hatte, vor allem arme Bauern und Tagelöhner, Zugeständnisse im Sowjet-Gebiet im Interesse der antijapanischen nationalen Einheit zu akzeptieren und als Gegenleistung Arbeitern und Bauern in anderen Teilen Chinas zu ermöglichen, Freiheiten zu erringen, einschließlich des Wahlrechts. Dies waren eher abstrakte Vorschläge, die einer bäuerlichen Bevölkerung überbracht wurden, die nicht selbst die Härte japanischer Angriffe erlebt hatte, aber die Unterdrückung durch Grundbesitzer und Kriegsherr vor dem Hochgefühl der Landrevolution kannten.
Selden 1971, S. 130 [Eig. Übers.]Selden, Mark: The Yenan way in revolutionary China / Harvard East Asian series / East Asian Research Center at Harvard University. Cambridge, Mass. : Harvard Univ. Press, 1971

Dies war der Kontext für die Einführung des Begriffs „Neue Demokratie“ als Bezeichnung für das System, das in den Basisgebieten der KPCh nach den Wahlen im Mai 1937 eingeführt wurde.

Obwohl die Rote Armee offiziell als „Achte Route-Armee“ bezeichnet wurde und nominell unter die Kontrolle des Kuomintang-Militärausschusses gestellt wurde, operierte sie weiterhin unabhängig. Die Basisgebiete blieben ebenso autonom gegenüber der Zentralregierung. Eine Reihe von Zusammenstößen mit der Kuomintang 1938/39 zwang die KPCh, ihr Engagement für die „Einheitsfront“ durch die formale Einführung des „Drei-Drittel“-Systems zu bekräftigen. Während dieser Zeit schrieb Mao eine Reihe von Artikeln, in denen er seine Strategie der Klassenkollaboration ausarbeitete. Zu den wichtigsten dieser Texte zählen „Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas“ (Dezember 1939), „Über Neue Demokratie“ (Januar 1940) und, etwas später, „Über die Koalitionsregierung“ (April 1945). Diese Arbeiten sind westlichen Maoisten vor allem durch die gesäuberten fremdsprachigen Versionen bekannt, veröffentlicht als Ausgewählte Werke von Mao Tse-tung. Stuart Schram, der führende Anthologe von Maos Schriften in der englischsprachigen Welt, stellte im Jahr 1969 fest:

Die Ausgewählten Werke, die seit dem Jahre 1951 in Peking herausgegeben und in mehrere Sprachen übersetzt wurden, enthalten nur etwa die Hälfte der Schriften, die Mao im Lauf der letzten fünfzig Jahre verfaßt hat [...]. Hinzu kommt, daß an diesen Texten so zahlreiche und tiefgreifende Veränderungen vorgenommen wurden, daß man von keinem einzigen Satz annehmen kann, daß er wirklich mit dem identisch ist, was Mao schrieb, wenn man ihn nicht mit der Originalfassung verglichen hat.
Schram 1972, S. 129Schram, Stuart R.: Das Mao-System : die Schriften von Mao Tse-Tung ; Analyse und Entwicklung / Stuart R. Schram. [Aus dem Engl. übers. von Karl Held]. München : Hanser, 1972, 408 S. – Originaltitel: The political thought of Mao Tse-tung.

Zum Beispiel lässt die Version von „Die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas im Nationalen Krieg“ (Oktober 1938) in den Ausgewählten Werken den folgenden Lobgesang auf die Kuomintang aus:

…Die Kuomintang und die Kommunistische Partei bilden die Grundlage der antijapanischen Einheitsfront, doch nimmt unter diesen beiden Organisationen die Kuomintang die erste Stelle ein. Ohne die Kuomintang wäre es unmöglich, den Widerstandskrieg führen und fortsetzen zu wollen. Im Laufe ihrer ruhmvollen Geschichte war die Kuomintang verantwortlich für den Sturz der Ch'ing, die Errichtung der Republik, den Widerstand gegen Yüan Shih-k'ai; für die Durchführung der Drei Politiken der Vereinigung mit Rußland, der kommunistischen Partei und den Arbeitern und Bauern, sowie für die große Revolution von 1926-27.[…]
In der Führung des antijapanischen Krieges und in der Organisierung der antijapanischen Einheitsfront hat die Kuomintang die Rolle des Führers und Rahmens inne… Wenn sie den Widerstandskrieg und die Einheitsfront bis zum Ende unterstützt, dann kann man der Kuomintang eine strahlende Zukunft verheißen…
Schram 1972, S. 199fSchram, Stuart R.: Das Mao-System : die Schriften von Mao Tse-Tung ; Analyse und Entwicklung / Stuart R. Schram. [Aus dem Engl. übers. von Karl Held]. München : Hanser, 1972, 408 S. – Originaltitel: The political thought of Mao Tse-tung.

Maos theoretische Aussagen über „Neue Demokratie“ erfahren eine ähnliche Revision. Laut Schram liest sich die ursprüngliche Definition von „Neue Demokratie“ in „Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas“ so:

Die neudemokratische Revolution ist eine antiimperialistische, antifeudale Revolution der Volksmassen unter der Führung des Proletariats. Es ist eine Revolution der Einheitsfront verschiedener revolutionärer Klassen [Dieser Satz fehlt in der deutschen Übersetzung]. Nur über diese Revolution kann die chinesische Gesellschaft zur sozialistischen Revolution [Fußnote in der englischen Fassung: 1951 in „sozialistische Gesellschaft“ geändert] fortschreiten [Fußnote in der deutschen Übersetzung: In der Fassung von 1951 ist diese Stelle wie folgt verändert: „Nur über diese Revolution kann sich die chinesische Gesellschaft zum Sozialismus weiterentwickeln.“] Einen anderen Weg gibt es nicht.
Eine solche neudemokratische Revolution unterscheidet sich scharf von den demokratischen Revolutionen, wie sie in den Ländern Europas und Amerikas vor sich gegangen sind, da sie nicht die Diktatur der Bourgeoisie, sondern die Diktatur der Einheitsfront aller revolutionären Klassen [Fußnote in der deutschen Übersetzung: 1951 fügte Mao hier ein: „unter Führung des Proletariats“] schafft. Die antijapanische demokratische politische Macht, die im Verlauf des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression geschaffen werden sollte [Fußnote in der deutschen Übersetzung: In der Fassung von 1951: „…die im Verlauf des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression in den von der Kommunistischen Partei geleiteten antijapanischen Stützpunktgebieten geschaffen wurde“.], ist die politische Macht der antijapanischen nationalen Einheitsfront. Das ist weder die Ein-Klassen-Diktatur der Bourgeoisie noch die Ein-Klassen-Diktatur des Proletariats, sondern eine gemeinsame Diktatur mehrerer Parteien, die der antijapanischen [Nationalen (dieses Wort fehlt in der deutschen Übersetzung)] Einheitsfront angehören [Fußnote in der deutschen Übersetzung: 1951 fehlt der Terminus der „Ein-Klassen-Diktatur“; die neue Demokratie wird definiert als „die gemeinsame Diktatur mehrerer revolutionärer Klassen unter Führung des Proletariats“]. Zur Teilnahme an der Ausübung dieser Macht ist jeder - welcher Partei oder Gruppe er auch angehören mag - berechtigt, sofern er den Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge unterstützt und für die Demokratie eintritt.
Schram 1972, S. 202Schram, Stuart R.: Das Mao-System : die Schriften von Mao Tse-Tung ; Analyse und Entwicklung / Stuart R. Schram. [Aus dem Engl. übers. von Karl Held]. München : Hanser, 1972, 408 S. – Originaltitel: The political thought of Mao Tse-tung.

Mao bestritt nicht nur ausdrücklich, dass die „gemeinsame Diktatur“, in der Vorstellung einer „neudemokratischen Revolution“, eine Form der Diktatur des Proletariats wäre, er spielte auch die „Führungs“rolle sowohl der KPCh als auch des Proletariats herunter. Es ist klar, dass Mao in den frühen 1940er Jahren erwartete, dass sich die KPCh an einer Art „demokratischem Regime“ neben der Kuomintang als Vertreter der „revolutionären Klassen“ beteiligen würde. Die Ähnlichkeit mit Bhattarais „demokratischer“ Unteretappe ist unverkennbar.

Schram zeigt ebenso, dass die Version von „Über die Koalitionsregierung“ in den Ausgewählten Werken post-facto ähnliche Einschlüsse der Phrasen „geführt von der Kommunistischen Partei“ und „unter der Führung des Proletariats“ enthält. Dies war vermutlich konstruiert worden, um die Projektion einer langen Periode kapitalistischer Entwicklung im Dokument anzugleichen:

Manche verstehen nicht, weshalb die Kommunisten nicht nur keine Furcht vor dem Kapitalismus haben, sondern sogar unter bestimmten Bedingungen seine Entwicklung fördern. Unsere Antwort ist sehr einfach: Wenn an die Stelle der Unterdrückung durch den ausländischen Imperialismus und durch den eigenen Feudalismus eine gewisse Entwicklung des Kapitalismus tritt, so stellt das nicht nur einen Fortschritt, sondern auch einen unvermeidlichen Prozeß dar. Das kommt nicht nur der Bourgeoisie, sondern auch dem Proletariat zugute, und letzterem sogar noch mehr. Es sind der ausländische Imperialismus und der einheimische Feudalismus, die für das heutige China überflüssig sind, aber nicht der eigene Kapitalismus; im Gegenteil, es gibt bei uns zuwenig Kapitalismus.
Mao 1969, S. 274Mao, Tse-tung: Über die Koalitionsregierung. In: Ausgewählte Werke / Mao Tse-tung. Bd. 3. Peking : Verl. für fremdspr. Lit., 1969, S. 239-319

Die KPCh hatte mit der Kuomintang über eine Rolle in einem solchen „demokratischen“ kapitalistischen Regime seit 1943 verhandelt. Besonders mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg nach dem Angriff auf Pearl Harbor hatte die Kuomintang mindestens so viel Aufmerksamkeit auf die Beseitigung der Kommunisten wie auf den Kampf gegen die Japaner verwandt. Ein Angriff der Kuomintang auf die Neue Vierte Armee der KPCh im Jahr 1941 ließ rund 3.000 getötete kommunistische Soldaten zurück. Trotz der klaren Absichten der Kuomintang und der amerikanischen Rüstungszusagen in Höhe von bis zu 600 Mio. $ für Chiangs Armeen beteiligte sich die KPCh 1946 an der von US-General George Marshall geförderten Political Consultative Conference [Politische Beratende Konferenz] (PCC). Die Chongqing Konferenz führte zur Einigung über die Bildung einer Koalitionsregierung, je zur Hälfte aus Mitgliedern der Kuomintang und anderer Parteien (einschließlich der KPCh). Es gab auch eine Einigung, militärische Einheiten der KPCh in die nationale Armee zu integrieren, die die USA ausbilden und ausrüsten würde.

Mao war begeistert von diesen Vereinbarungen, die eine ZK-Erklärung im Februar 1946 als „einen großen Sieg für die demokratische Revolution in China feierte. Von nun an hat China die neue Phase des Friedens, der Demokratie und des Wiederaufbaus erreicht“ (Westad 1993, S. 147 [Eig. Übers.])Westad, Odd Arne: Cold war and revolution : Soviet-American rivalry and the origins of the Chinese Civil War, 1944-1946. New York : Columbia University Press, 1993. S. 260. Das Yan’an-Zentrum informierte jedes Parteibüro, dass alle „Parteiaktivitäten dieser neuen Phase angepasst werden müssen,“ und warnte vor „linken“ Abweichungen (Westad 1993, S. 148 [Eig. Übers.])Westad, Odd Arne: Cold war and revolution : Soviet-American rivalry and the origins of the Chinese Civil War, 1944-1946. New York : Columbia University Press, 1993. S. 260. Obwohl Liu Shaoqi später für den „Rechtsopportunismus“ (Westad 1993, S. 149 [Eig. Übers.])Westad, Odd Arne: Cold war and revolution : Soviet-American rivalry and the origins of the Chinese Civil War, 1944-1946. New York : Columbia University Press, 1993. S. 260 dieser Periode die Schuld zugewiesen wurde, war Mao selbst angeblich der eifrigste Verfechter dieser Wendung, von der er erwartete, dass sie eine „neue demokratische Ära“ (Westad 1993, S. 149 [Eig. Übers.])Westad, Odd Arne: Cold war and revolution : Soviet-American rivalry and the origins of the Chinese Civil War, 1944-1946. New York : Columbia University Press, 1993. S. 260 einläuten werde.

Die chinesischen Kommunisten stimmten zu, die politischen Machtinstitutionen in ihren Basisgebieten aufzulösen im Austausch für eine legale Präsenz in den von der Kuomintang kontrollierten Städten, genauso wie es die nepalesischen Maoisten vor kurzem getan haben. In einem Interview mit US-Beobachtern räumte Liu die Möglichkeit eines Doppelspiels der Kuomintang ein, nahm aber an, dass die Wahrscheinlichkeit sinken würde „nachdem in China die Demokratie für einen bestimmten Zeitraum praktiziert worden wäre.“ Liu sagte, der nächste Schritt des Prozesses sei „die Ausarbeitung der Verfassung, durch die ein Parlaments- und Kabinettsystem der Regierung, ähnlich dem der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, angenommen werde (Westad 1993, S. 149 [Eig. Übers.])Westad, Odd Arne: Cold war and revolution : Soviet-American rivalry and the origins of the Chinese Civil War, 1944-1946. New York : Columbia University Press, 1993. S. 260.

Der einzige Grund dafür, dass die KPCh 1946 nicht einer Koalitionsregierung beitrat, lag in der Unnachgiebigkeit ihres möglichen Partners. Gut ausgestattet mit militärischer Hilfe aus den USA revidierte Chiang einseitig die PCC-Vereinbarung und startete eine Offensive in der Mandschurei, die die Kommunisten den Japanern abgenommen hatten. Die KPCh konterte durch Erhöhung des Drucks auf ihre Basisgebiete, die Reorganisation der Volksbefreiungsarmee und erneute Landbesetzungen. Der anschließende Bürgerkrieg wütete drei Jahre, bis die Kuomintang nach Taiwan floh und Mao im Oktober 1949 die Volksrepublik China proklamierte.

Im Juni 1949, als die VBA den Norden kontrollierte und durch die Hochburgen der Kuomintang im Süden fegte, schrieb Mao „Über die demokratische Diktatur des Volkes“, das zu einem klassischen Text im maoistischen Kanon wurde. Im Gegensatz zu den bereits genannten Aufsätzen von 1939, 1940 und 1945, musste er nicht mit Verweisen auf die Führung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei nachgerüstet werden. Alle Versuche, die Ära einer neudemokratischen Allianz mit der nationalen Bourgeoisie einzuläuten, scheiterten, da die chinesischen Kapitalisten Chiang während des Bürgerkriegs überwältigend unterstützt hatten. Als die VBA ihre militärische Kontrolle konsolidierte, deutete Mao Neue Demokratie dahingehend um, dass damit eine „demokratische Koalition“ gemeint sei, die Arbeiterklasse, Bauernschaft, städtisches Kleinbürgertum und nationale Bourgeoisie vereine, aber ohne die Kuomintang und ihre „Komplizen.“ In Maos Konzeption, war dies nicht die Diktatur des Proletariats, sondern einfach die lang erwartete Umsetzung der „gemeinsamen Diktatur.“ Erst 1958, während des verheerenden „Großen Sprungs nach vorn“, ersetzte der Begriff „Diktatur des Proletariats“ den der „Volksdiktatur“ als offizielle Beschreibung des Charakters der Staatsmacht in China (Meisner 1986, S. 253 [Eig. Übers.])Meisner, Maurice J.: Mao’s China : a history of the People's Republic, The transformation of modern China series. Rev. and expanded ed. Aufl. New York, NY : Free Press, 1986, 534 S..

Die „Neue Demokratie“ war von Anfang an eine komplette Fiktion. Die Großbourgeoisie, die während des Bürgerkriegs Seite für Chiang bezog, floh nach Taiwan, Hongkong oder in den Westen. Die zurückgebliebenen Kapitalisten wurden rückwirkend als „nationale Bourgeoisie“ klassifiziert. Die meisten von ihnen waren ziemlich kleine Fische: Krämer, Kleinunternehmer und Manager von Industrie- und Gewerbebetrieben. Sie hatten wenig Einfluss unter Chiang und noch weniger unter Mao. Der bürgerliche Staat war zerschlagen worden und wurde durch die VBA ersetzt. Mao tat trotzdem so, als ob er eine Neue Demokratie etablieren würde. Im September 1949 wurde unter Beteiligung von 14 kleinen politischen Parteien eine neue „Political Consultative Conference“ einberufen. Elf von 24 Ministerien der neuen Regierung wurden zunächst von Nicht-Kommunisten geleitet. In Wirklichkeit waren diese Parteien der KPCh völlig untergeordnet und spielten keine Rolle bei der Ausrichtung der Politik. Während die KPCh zur Beseitigung der Grundbesitzer auf dem Lande ermutigte, erlaubte sie zunächst einigen Industrie-und Handelsunternehmen in privater Hand zu bleiben, aber 1956 waren auch diese verstaatlicht worden.

Die chinesische Revolution von 1949, produzierte, kurz gesagt, keine Annäherung an die Neue Demokratie, die Mao als eine notwendige historische Etappe geplant hatte. Stattdessen wurde China in eine Gesellschaft transformiert, qualitativ vergleichbar mit der Sowjetunion unter Stalin, mit kollektiviertem Eigentum und zentraler Planung, in der eine kleinbürgerlich-bürokratische Kaste die politische Macht monopolisierte. Die Volksrepublik war daher ein deformierter Arbeiterstaat von Beginn an. Dies bestätigte wieder einmal die grundlegende marxistische These, dass eine „gemeinsame Diktatur“ antagonistischer sozialer Klassen unmöglich ist, die Staatsmacht muss entweder bürgerliche oder proletarische Eigentumsformen verteidigen.

Menschewistische Etappentheorie & Wirtschaftlicher Voluntarismus

Das Programm der „Neuen Demokratie“ geht, wie alle anderen Varianten der stalinistischen Zwei-Etappen-Theorie, davon aus, dass der Kapitalismus potentiell dazu in der Lage ist, als Agentur sozialen Fortschritts, wirtschaftlicher Entwicklung und nationaler Befreiung in halbkolonialen Ländern zu agieren, wenn nur die „nationale Bourgeoisie“ von den Fesseln des Imperialismus befreit werden kann. Aber das ist völlig utopisch und nicht realisierbar. Die Entstehung eines globalen kapitalistischen Marktes, dominiert von einer Handvoll Monopol­inhabern, schloss jede Möglichkeit kolonialer und halbkolonialer Länder aus, den Weg der „klassischen“ Entwicklung nachzuvollziehen, der von den fortgeschrittenen Ländern beschritten wurde. Die Suche nach einer progressiven „nationalen Bourgeoisie“ ist nicht nur illusorisch, sondern kann sich, wie der Fall Indonesiens demonstriert, oft als fatal erweisen.

Die „nationale Bourgeoisie“ ist eine Kategorie, die definiert und umdefiniert werden kann, je nach politischer Annehmlichkeit. Als Prachanda im Juni 2008 versprach, „Sonderwirtschaftszonen“ (SWZ) in Nepal einzurichten, reagierte die Kommunistische Partei Indiens (Maoisten) mit beißender Kritik. Die indischen Maoisten haben eine führende Rolle im Kampf gegen Versuche der stalinistisch geführten Linksfrontregierung in Westbengalen eingenommen, Sonderwirtschaftszonen auf ausgedehnten Landstrichen einzurichten, die armen Bauern entrissen wurden. Die Tatsache, dass westbengalische Sonderwirtschaftszonen großen indischen Firmen wie dem Tata Konzern, genauso wie auch ausländischen Unternehmen, Vorteile gebracht haben, brachte die KPI (Maoisten) dazu, indische Industrielle als „Kompradoren“ zu bezeichnen, da ihre Tätigkeit „fester Bestandteil der imperialistischen Globalisierungspolitik“ sei.

Stattdessen schlägt sie vor, dass die Kapitalisten ein „am Menschen orientiertes Modell der Entwicklung“ verfolgen, das

„organisch zum Wachstum in den Lebensbedingungen der Menschen passt, ihren Bedürfnissen dient und aus einer einheimischen Bourgeoisie [hervorgeht] und nicht aus riesigen Unternehmen der TNKs [transnationalen Konzerne] und Kompradoren“
Rashmi 2007, S. 7 [Eig. Übers.]Rashmi: Displacement under the plea of development : Two models and two paths of development. In: People’s March: Voice of the Indian Revolution Bd. 8 (2007), Nr. 7, S. 4-8

Trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten darüber, wer zur „nationalen Bourgeoisie“ gehört, sind sich KPI (Maoisten) und VKPN(M) einig, dass eine Etappe kapitalistischer Entwicklung notwendig ist, bevor überhaupt von sozialistischer Revolution gesprochen werden kann. Die Tatsache, dass ernsthafte subjektiv revolutionäre Kämpfer sich beharrlich an die Bourgeoisie anpassen, ist eng mit ihrer Akzeptanz des stalinistischen Dogmas vom „Sozialismus in einem Land“ verknüpft. Stalins Formel, die er zunächst als fraktionelle Waffe innerhalb der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion nach Lenins Tod einführte, verwarf stillschweigend das leninistische Verständnis, dass Kapitalismus in der imperialistischen Epoche ein globales System ist, das die sozialen Strukturen der einzelnen Länder miteinander verbindet.

Wenn man mit der Annahme beginnt, dass eine Voraussetzung für die sozialistische Revolution in einem Land wirtschaftliche Autarkie ist, dann folgt daraus logisch die Idee, dass sich rückständige Länder wie Nepal einer Zwi­schenetappe des „echten“ Kapitalismus unterziehen müssen. Das Konzept der Neuen Demokratie der VKPN(M) fußt auf der Idee, dass Nepal durch den Bruch der Verbindung mit dem Imperialismus (und ihrer inländischen Agenten, den „Kompradoren“), eine moderne kapitalistische Wirtschaft entwickeln könnte und so die materielle Basis für die spätere Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft in vollem Umfang in den eigenen Grenzen vorbringen könnte. Die Anpassungen der VKPN(M) an Nepals herrschende Klasse ergeben sich aus dieser falschen Konzeption.

Eine der grundlegenden Lehren des Marxismus ist, dass der Kapitalismus in der imperialistischen Epoche im globalen Maßstab als Bremse auf die Entwicklung der Produktivkräfte wirkt, trotz der Existenz von Technologien, die materiellen Überfluss für alle erreichbar machen. In einem Interview mit der Chicago Tribune beschrieb Marx 1878 den Sozialismus als

„nicht nur ein örtliches, sondern ein internationales Problem, das durch die internationale Aktion der Arbeiter gelöst werden mußte.“
MEW 1966, S. 511Marx, Karl; Engels, Friedrich: Werke. Bd. 33: Briefe, 1875 – 1880. Berlin : Dietz, 1966, 698 S.

Die RCP, die auf der Verteidigung von Stalins antimarxistischer Auffassung des Sozialismus als einem national isolierten Phänomen besteht, erkennt implizit das Problem, dass die wirtschaftliche Rückständigkeit in Nepal darstellt, rät aber der VKPN(M), es zu „lösen“ wie Mao es in China tat – durch utopischen Idealismus:

Früher in der Geschichte der chinesischen Revolution, war die Frage klar gestellt, ob es möglich wäre, den Sozialismus in einem rückständigen Land aufzubauen. Tatsächlich basierte Maos ganze These von neuer Demokratie sehr darauf, zu zeigen, wie es möglich wäre, dies zu tun, und natürlich ging er dann dazu in der Praxis über. Im Zuge der Kulturrevolution stellte Mao die Losung auf „Revolution erfassen, Produktion fördern“ und zeigte so richtig, dass die Produktivkräfte der Gesellschaft durch weitere revolutionäre Umgestaltung entfesselt werden können, das genaue Gegenteil des Arguments, dass viele in Nepal vorbringen, dass Entwicklung durch kapitalistische Mittel kommen muss.
RCP 2008, S. 14 [Eig. Übers.]Letter from the Revolutionary Communist Party, USA to the Communist Party of Nepal (Maoist). 2008-11-04. In: RCP 2009

Maos wirtschaftlicher Voluntarismus war einfach die Kehrseite seines früheren neudemokratischen Menschewismus, der einen längeren Zeitraum kapitalistischer Entwicklung vorsah, den es nie gab. Um den „Sozialismus“ in einem Land aufzubauen, das wesentlich rückständiger war als das zaristische Russland, entschied sich Mao, die Realität zu leugnen, und erklärte 1956, dass China an der Schwelle der Vollendung des „Übergangs zum Sozialismus“ wäre. Die Kulturrevolution der 1960er Jahre basierte auf der absurden Vorstellung, dass eine vollständig kommunistische Gesellschaft allein durch den revolutionären Willen geschaffen werden könnte, und dass die Mao-Zedong-Ideen alle materiellen Hindernisse überwinden könnten. Die unvermeidliche Erschöpfung, die auf dieses utopische Experiment folgte, bereitete den Boden für die nachfolgende Hinwendung zu marktwirtschaftlichen Reformen unter Deng Xiaoping, dessen Aufstieg, behauptet die RIM fälschlicherweise, die Restauration des Kapitalismus in China markiert.

Bhattarai: Trotzkismus ist „relevanter“ als Stalinismus in Nepal

Trotz ihrer bitteren Erfahrungen damit, Nepals Herrscher zu versöhnen, geben die Führer der VKPN(M) kaum zu erkennen, dass sie ernsthaft die zentralen Lehren der Neuen Demokratie in Frage stellen. Das hat die vorgeblich trotzkistische Internationale Marxistische Tendenz (IMT, assoziiert mit dem verstorbenen Ted Grant) nicht vor ihrer Einschätzung bewahrt, dass die nepalesische maoistische Partei „[die] Rolle von Leo Trotzki erkennt“ (www.marxist.com, 20. Oktober 2009). Die Grundlage für diese Behauptung war ein Artikel von Bhattarai, der in einer nepalesischsprachigen Zeitschrift der VKPN(M) erschien, in dem er, der IMT-Übersetzung zufolge, schrieb:

Heute ist die Globalisierung des imperialistischen Kapitalismus auf ein Vielfaches angewachsen verglichen mit der Periode der Oktoberrevolution. Die Entwicklung der Informationstechnologie hat die Welt in ein globales Dorf verwandelt. Dies hat jedoch, aufgrund der ungleichen und extremen Entwicklung, die dem kapitalistischen Imperialismus innewohnt, Ungleichheit zwischen den verschiedenen Nationen geschaffen. In diesem Zusammenhang gibt es immer noch (irgendeine) Möglichkeit der Revolution in einem einzigen Land ähnlich der Oktoberrevolution, aber um die Revolution aufrecht zu erhalten, brauchen wir definitiv eine globale oder zumindest eine regionale Welle der Revolution in einer Reihe von Ländern. In diesem Zusammenhang sollten marxistische Revolutionäre im aktuellen Zusammenhang die Tatsache anerkennen, dass Trotzkismus wichtiger geworden ist als der Stalinismus, um die Sache des Proletariats voranzubringen. (The Red Spark, 1 (Juli 2009), S. 10, unsere [IMT] Übersetzung aus dem Nepali).
Sanchez & Hulaki 2009 [Eig. Übers.]Sanchez, Pablo; Hulaki, Kamred: Communist Party of Nepal recognises role of Leon Trotsky. Website: In Defence of Marxism (International Marxist Tendency). (2009-10-20).

Falls die Übersetzung korrekt ist, wäre es in der Tat höchst bedeutend, dass Nepals führender maoistischer Theoretiker bereit ist, die Bedeutung der Aspekte der politischen Analyse Trotzkis anzuerkennen. Aber die IMT geht weiter:

In der Vergangenheit pflegten die nepalesischen Maoisten den „Revisionismus“, der von Chruschtschow, Breschnew und Deng in Russland und China eingeführt wurde, für das Scheitern des Sozialismus verantwortlich zu machen, aber jetzt beschuldigen sie direkt den Stalinismus. Dies ist eine Entwicklung, die wir begrüßen und unterstützen.
•     •     •
In der Vergangenheit hatte die VKPN(M) die Parteikader ausschließlich auf der Grundlage des Maoismus und Stalinismus ausgebildet, aber die Lehren ihres 10-jährigen bewaffneten Kampfes haben die Richtigkeit der Grundsätze der Permanenten Revolution (wie von Dr. Bhattarai synthetisiert) betont und die maoistisch-stalinistische Theorie der Revolution widerlegt, d. h. die „Revolution in einem Land“ und die „Zwei-Etappen-Theorie“.
Die Zeit ist gekommen für marxistische Internationalisten, den nepalesischen Maoisten eine helfende Hand zu reichen, um die Widersprüche zu lösen, die aus ihren Fehlern in der Vergangenheit entstanden sind, und bei der Entwicklung einer durchführbaren Strategie basierend auf proletarischem Internationalismus zu helfen.
IMT 2009 [Eig. Übers.]International Marxist Tendency: Maoists in Nepal looking for new strategic direction. (2009-10-20).

Es gab kein Anzeichen für eine „synthetisierte“ permanente Revolution in den Diskussionen innerhalb der VKPN(M), obwohl ihre Mitglieder eindeutig nicht mit den maoistischen Standarderklärungen zufrieden sind,

[...] warum die proletarischen Mächte [die Sowjetunion unter Stalin und China unter Mao] sich in ihr Gegenteil verwandelten ohne Blutvergießen, gleich nach dem Ableben oder dem Ergreifen der wichtigsten Führung.
KPN(M) 2006, S. 3Letter from the Central Committee, Communist Party of Nepal (Maoist) to the Central Committee, Revolutionary Communist Party, USA. 2006-07-01. In: RCP 2009

Bhattarai, der ursprünglich die Idee einer bürgerlich-demokratischen Unteretappe vor der Neuen Demokratie unterstützte, vertritt weiterhin die Strategie einer „Übergangsphase“ gegen die Befürworter eines schnelleren Vorstoßes für eine „Volksrepublik“. Wir haben keine Beweise gesehen, dass er seine Meinung über die Notwendigkeit einer Periode der kapitalistischen Entwicklung für Nepal und andere neokoloniale Länder geändert hat. Seine Kommentare über den Trotzkismus sind bestenfalls mehrdeutig. Es erscheint wahrscheinlich, dass Bhattarai mit der Erkenntnis der Unmöglichkeit, Nepal ökonomisch durch Ermahnung und Mao-Zedong-Ideen zu verwandeln – und der gleichen Unmöglichkeit Nepals Machthaber zu locken, freiwillig ihre privilegierte Stellung zu liquidieren für eine Art von Neuer Demokratie – zu dem Schluss gekommen ist, dass die sozialistische Revolution in Nepal nicht auf der Tagesordnung steht, außer als Nebenprodukt von Kämpfen anderswo.

Was auch immer der Fall sein mag, die ultraliquidatorische IMT ist kaum qualifiziert Belehrungen über „proletarischen Internationalismus“ zu erteilen, angesichts ihrer langen Geschichte der opportunistischen Förderung verschiedener kleinbürgerlicher Bonapartisten und Konterrevolutionäre wie Polens Lech Wałęsa und Russlands Boris Jelzin (siehe IBT 2008a). Die Versuche der IMT zu behaupten, dass Bhattarai sich in eine Art Kryptotrotzkist verwandelt habe, imponierte einem Anhänger der VKPN(M) nicht, der kommentierte:

Dies ist nicht (wie die [IMT-]Website bewusst impliziert) eine Rechtfertigung von Trotzkis historischer Rolle oder seiner Kernpositionen, sondern eine provokative Art gegen dogmatische Annahmen und mechanisches Denken zu argumentieren.
Es ist relativ ungewöhnlich für die Anhänger von Mao, Trotzki in dieser Weise zu zitieren (aber unter den Nepalesen hat es schon vorher Bezugnahmen auf Rosa Luxemburg, Che und Trotzki gegeben).
Aber … es ist sicherlich nicht der Fall, dass, wenn „XXX YYY erwähnt, er ein heimlicher YYYist sein muss.“ Ähnlich ist es, wenn Chávez Trotzki erwähnt (wie er es gelegentlich tut), und manche dieser internationalen trotzkistischen Kräfte denken, dass dies bedeuten muss, dass Chávez ein heimlicher Trotzkist ist. Die geistige Schlichtheit dessen spricht für sich.
Sims 2009 [Eig. Übers.]Sims, Nando: On Rumors of Nepali Maoists, Trotskyism and Socialism in One Country. (2009-10-22). kasamaproject.org

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez, der behauptet, seine Position als Führer des kapitalistischen Staats zu nutzen, um Venezuela inkrementell in eine sozialistische Gesellschaft zu verwandeln, hat gelegentlich versucht, seiner bürgerlich-nationalistischen Politik mit Verweisen auf die Schriften von Leo Trotzki eine linke Färbung zu geben. Die IMT hat die populistische Demagogie des Anführer der „Bolivarischen Revolution“ als Beweis ausgelegt, dass Venezuela in eine sozialistische Richtung geleitet wird (Siehe IBT 2008b).

Bolschewik-Leninismus: Der einzige Weg

Die Notwendigkeit programmatischer Klarheit und revolutionärer Führung in Nepal wird immer akuter. Indem die VKPN(M) die Massen mobilisiert, zugleich aber politisch unbewaffnet lässt, legt sie ebenso sicher die Grundlage für ein Blutbad, wie es die PKI unter Maos Bevormundung tat. Der wachsenden Gefahr einer endgültigen militärischen „Lösung“ kann nicht durch ein weiteres morsches Bündnis mit einigen Elementen der Parteien der Bosse entgegengewirkt werden. Die Zeit wird knapp:

Der Refrain von „gib dem Krieg eine Chance“ ist stetig lauter und eindringlicher geworden in den Monaten seit die Maoisten erstmals die Führung der Regierung übernahmen ….

. . .

Das bedeutet, es ist die Priorität für Spielverderber, Umstände zu schaffen, in denen eine Rückkehr zum Konflikt als vernünftige Option erscheint. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten …. Ein Anstoß für „Null-Toleranz“ seitens der Polizei, wie bereits in der Presse propagiert, könnte verwendet werden, um hart gegen die YCL [Young Communist League] durchzugreifen und eine Reaktion zu provozieren. Das Schüren von Unruhe im Terai wäre nicht schwer, angesichts der instabilen politischen Mischung und der Gelegenheit mit vielfältigen Zwistigkeiten zu spielen. Die Erklärung eines Notstands könnte als vernünftiger Schritt vorgeschlagen werden, um Störungen einzudämmen, zumal es dem verzögerten Verfassungsprozess eine sechsmonatige Verlängerung gewähren würde. Der Präsident, dem grünes Licht von Parteien gegeben wurde, die froh sind, dass er gegen die Maoisten eingegriffen hat, könnte zu weiteren Schritten ermutigt werden.
ICG 2009b, S. 36f [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal's Future: In Whose Hands?. Asia report. Bd. 173. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2009. 53 S.

Indem die ICG ein immer häufigeres Thema in Nepals bürgerlichen Medien wiedergibt, hat sie unzufriedene Maoisten herausgefordert, sich zu positionieren oder für immer zu schweigen:

Wenn maoistische Ideologen Kiran, Gaurav [führende“ linke“ Figuren] und ihre Anhänger wirklich reine Revolutionäre sein wollten, dann sollten sie zurück in den Dschungel gehen, den „Volkskrieg“ wiederaufnehmen und damit aufhören, so zu tun, als seien sie Teil des Prozesses“.
ICG 2009b, S. 36f [Eig. Übers.]International Crisis Group: Nepal's Future: In Whose Hands?. Asia report. Bd. 173. Kathmandu [u.a.] : International Crisis Group, 2009. 53 S.

Um ein Desaster zu vermeiden, müssen nepalesische Revolutionäre sich in der Tat von der Teilnahme an „dem Prozess“ der bürgerlichen Stabilisierung distanzieren und den unruhigen Massen erklären, dass der einzige Weg zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse in der Ergreifung der Staatsmacht und der Enteignung der Ausbeuter liegt.

Doch eine Revolution der Arbeiter in Nepal könnte nicht unbegrenzt überdauern, geschweige denn, eine klassenlose Gesellschaft in der Isolation erreichen. Was die Arbeiterklasse braucht, ist eine konsequente internationalistische Perspektive, basierend auf der Erkenntnis, dass jede Revolution sich auf das mächtige indische Proletariat (einschließlich seiner Hunderttausende eingewanderten Nepalesen) ausweiten und versuchen muss, Unterstützung von Arbeitern in der gesamten Region zu mobilisieren und in den imperialistischen Zentren in Japan, Europa und Nordamerika. Den Schlüssel für die Lage bildet das massive chinesische Proletariat. Eine revolutionäre Arbeiterregierung in Nepal würde ihre bedingungslose Verteidigung der überlebenden Errungenschaften der chinesischen Revolution von 1949 deutlich machen und an chinesische Werktätige appellieren, die herrschende stalinistische Bürokratie beiseite zu fegen und ihre eigenen Organe der proletarischen politischen Macht zu gründen.

Der Weg zur Überwindung der tiefen Rückständigkeit Nepals, für ein Ende der sexuellen und ethnischen Unterdrückung und der Verwirklichung einer sozialistischen Zukunft, verläuft über den Kampf für eine sozialistische Föderation von Südasien. Immer wieder haben nepalesische Arbeiter und Bauern außergewöhnlichen revolutionären Eifer gezeigt. Um ihre heroische Energie zu nutzen ist die Überwindung dessen notwendig, was Trotzki die „historische Krise der Führung des Proletariats“ nannte, durch den Aufbau einer bolschewistisch-leninistischen Partei, deren Kader nicht nur Mut, Ausdauer und Opferbereitschaft besitzen, sondern auch die Fähigkeit, die Lehren aus der revolutionären Geschichte zu ziehen und anzuwenden.


Quellen

Für die Übersetzung der Quellen wurden möglichst deutschsprachige Veröffentlichungen herangezogen. In allen anderen Fällen handelt es sich um eigene Übersetzungen.

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URL http://www.atimes.com/atimes/South_Asia/JD19Df03.html

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