Ursprünge des Pabloismus

Die SWP und die Vierte Internationale, 1946-54

Die amerikanische Socialist Workers Party und die europäischen Pabloisten sind auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichem Rhythmus zum Revisionismus gelangt, um sich Anfang der sechziger Jahre in einer unstabilen Allianz, in einer prinzipienlosen „Wiedervereinigung“ zusammenzufinden, die jetzt, wo die amerikanische SWP den Übergang vom Pabloismus zum reinsten Reformismus vollzogen hat, im Zusammenbruch begriffen ist. Das aus der „Wiedervereinigung“ von 1963 hervorgegangene „Vereinigte Sekretariat“ wankt an der Grenze der offenen Spaltung; das „antirevisionistische“ „Internationale Komitee“ ist 1971 auseinandergefallen. Der Zerfall der verschiedenen rivalisierenden Gruppen, die für sich den Namen der Vierten Internationale beanspruchen, stellt eine für die Wiedergeburt einer authentisch trotzkistischen internationalen Tendenz äusserst günstige Gelegenheit dar. Wesentlich im Wiederaufbau der Vierten Internationale durch einen Prozess von Spaltungen und Fusionen ist die Einsicht in die Ursachen und charakteristischen Züge des pabloistischen Revisionismus und in die mangelhafte Reaktion der Anti-Pabloisten, die zu ungenügend und zu spät, im nationalen Rahmen den Kampf aufgenommen haben, während sie die Weltbewegung praktisch aufgaben.

Der Zweite Weltkrieg: die Vereinigten Staaten und Frankreich

Vor Kriegsbeginn hatten Trotzki und die Vierte Internationale geglaubt, dass der verfaulende Kapitalismus und der Aufstieg des Faschismus die Möglichkeiten des Reformismus und damit der bürgerlich-demokratischen Illusionen innerhalb der Massen beseitigt hätten. Doch musste den Trotzkisten mehr und mehr die Tatsache bewusst werden, dass der Abscheu der Arbeiterklasse vor dem Faschismus und die drohende faschistische Okkupation zum Aufschwung sozialchauvinistischer Emotionen und zur Erneuerung des, Vertrauens in die „demokratische“ Bourgeoisie führten, von denen die proletarischen Massen in ganz Europa und den USA durchdrungen wurden, Angesichts eines solchen Widerspruchs führte der enorme Druck des rückständigen Nationalismus und der demokratischen Illusionen innerhalb der Arbeiterklasse zu zentrifugalen Tendenzen in der Vierten Internationale. Einige Sektionen nahmen eine sektiererische Haltung ein, andere kapitulierten vor dem unter den Massen grassierenden Sozialpatriotismus. Die SWP vertrat vorübergehend die Position der sogenannten „proletarischen militärischen Politik“ und propagierte militärische Ausbildung unter Kontrolle der Gewerkschaften, was die utopische Idee beinhaltete, die amerikanischen Arbeiter könnten auch ohne das Vorhandensein eines Arbeiterstaates in den USA den Faschismus bekämpfen, indem sie die Armee des US-Imperialismus „kontrollierten“. Der britische Trotzkist Ted Grant ging sogar noch weiter, indem er in einer Rede von den Streitkräften des britischen Imperialismus als „unsere Achte Armee“ sprach. Die deutsche IKD verfiel in den reinsten Menschewismus mit ihrer Theorie, der Faschismus hätte „eine Zwischenetappe, die im wesentlichen einer demokratischen Revolution gleichzusetzen ist“, notwendig gemacht („Drei Thesen“, 19. Oktober 1941).

Die während des Krieges in mehrere Teile gespaltene französische trotzkistische Bewegung liefert das beste Beispiel für diesen Widerspruch. Eine ihrer Gruppen ordnete die Mobilisierung der Arbeiterklasse den politischen Gelüsten des gaullistischen Teils der imperialistischen Bourgeoisie unter. Eine andere Gruppierung verzichtete auf jeden Kampf innerhalb der Widerstandsbewegung zugunsten einer ausschliesslichen Arbeit auf Betriebsebene und versuchte, das vorherrschende reformistische Bewusstsein unter den Arbeitern ignorierend, während der „Befreiung“ von Paris auf abenteuerliche Weise die Fabriken zu besetzen, während die Arbeitermassen auf den Strassen waren. Das Dokument der europäischen Konferenz vom Februar 1944, das als Grundlage einer Fusion der beiden französischen Gruppen zur Parti Communiste Internationaliste diente, charakterisierte die beiden Gruppen wie folgt:

„Statt zwischen dem Nationalismus der besiegten Bourgeoisie, der Ausdruck ihrer imperialistischen Interessen bleibt, und dem Nationalismus der Massen, der nur ein reaktionärer Ausdruck ihres Widerstandes gegen die Ausbeutung durch den imperialistischen Okkupanten ist, zu unterscheiden, hielt die Führung der POI den Kampf ihrer eigenen Bourgeoisie für progressiv….“
„Die CCI… weigerte sich unter dem Vorwand, das Erbe des Marxismus-Leninismus intakt zu halten, hartnäckig, zwischen dem Nationalismus der Bourgeoisie und der Widerstandsbewegung der Massen zu unterscheiden."

I. Der Isolationismus der SWP

Der europäische und der amerikanische Trotzkismus reagierten zunächst unterschiedlich auf die verschiedenen Aufgaben und Probleme nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der ungefestigte Internationalismus der SWP, der durch die enge Zusammenarbeit mit Trotzki während seines Asyls in Mexiko aufrechterhalten wurde, überlebte die Ermordung Trotzkis und den Kriegsausbruch nicht. Die amerikanischen Trotzkisten verschanzten sich in einer Isolierung, die ihnen nur teilweise durch die vom Triumph des Faschismus und der Illegalisierung bedingte Zersetzung der europäischen Sektionen aufgezwungen wurde.

In Voraussicht der Schwierigkeiten einer internationalen Koordinierung während des Krieges war in New York aus den dort anwesenden Mitgliedern des Internationalen Exekutivkomitees ein ständiger Ausschuss („Resident International Executive Committee“) eingesetzt worden. Doch scheint seine einzige ernsthafte Tätigkeit die Einberufung einer „Notkonferenz“ der Internationale gewesen zu sein, die „auf Initiative der amerikanischen, mexikanischen und kanadischen Sektionen“ vom 19. bis 26. Mai 1940 „irgendwo in der westlichen Hemisphäre“ tagte. Diese Rumpfkonferenz, an der weniger als die Hälfte der Sektionen teilnahmen, wurde hauptsachlich zu dem Zweck einberufen, sich mit den internationalen Auswirkungen der Shachtman-Spaltung in der amerikanischen Sektion zu befassen, die den Abfall der Mehrheit des „Resident IEC“ mit sich gebracht hatte. Die Versammlung solidarisierte sich in diesem Fraktionskampf mit der SWP und bestätigte ihren Status als einzige amerikanische Sektion der Vierten Internationale. Ausserdem nahm die Konferenz ein von Trotzki verfasstes „Manifest der Vierten Internationale über den imperialistischen Krieg und die proletarische Weltrevolution“ an. Doch nach Trotzkis Tod verschwand das „Resident IEC“ von der Bildfläche.

Zumindestens rückblickend kann man sagen, dass die amerikanische Sektion die Initiative hätte ergreifen sollen, in einem neutralen europäischen Land ein geheimes, aus qualifizierten SWP-Genossen und aus Emigranten anderer Sektionen zusammengesetztes Sekretariat zu bilden, um die Arbeit der Trotzkisten in den vom Faschismus besetzten Ländern zu zentralisieren undwenn möglichdirekt zu überwachen. Doch die SWP beschränkte ihre internationale Tätigkeit während des Krieges auf die Publikation von Briefen und Fraktionsdokumenten europäischer Trotzkisten in ihren internen Bulletins. Die Verabschiedung des „Voorhis-Gesetzes“ im Jahre 1941, das die „Zugehörigkeit amerikanischer Gruppen zu internationalen Organisationen unmöglich machen sollte; war für die SWP eine zusätzliche Rechtfertigung, um ihre internationale .Verantwortlichkeit herunterzuspielen. Die Legalität dieses Gesetzes ist bislang übrigens noch nie gerichtlich angefochten worden.

Die Arbeit der SWP während des Krieges zeugte durchaus von einer internationalistischen Perspektive. Hafenarbeiter der SWP nutzten das Anlaufen von Schiffen aus Wladiwostok an der Westküste, um heimlich an die sowjetischen Matrosen Trotzkis Broschüre „Brief an die russischen Arbeiter“ in russischer Sprache zu verteilen. Die SWP konzentrierte ihre Genossen in der Handelsmarine auf die Nachschubfahrten nach Murmansk; erst die äusserst hohen Verluste auf diesen Fahrten zwangen die Partei, die Konzentration auf Murmansk aufzugeben. (Es war eine Reaktion auf derartige Aktivitäten, dass die GPU den antitrotzkistischen Spionagering um die Soblen-Bruder wieder aufleben liess. Ein paar Jahre später enthüllten Zeugenaussagen, dass das Telefon von Cannon durch die GPU abgehört wurde und dass der Geschäftsführer der Zeitschrift der SWP Fourth International, ein gewisser Michael Cort, einer der GPU-Agenten war.) Doch zu den internationalistischen Aufgaben der SWP gehörten vor allem die Aufrechterhaltung und Führung der Vierten Internationale, und dies hätte zumindest die gleiche Dringlichkeit haben müssen, wie die Arbeit, die die SWP auf eigene Rechnung unternahm.

Die Führung der SWP kam im wesentlichen intakt durch die Kriegszeit, jedoch in ihren isolationistischen Tendenzen verstärkt und theoretisch nicht genügend ausgerüstet, um mit der Nachkriegssituation fertig zu werden.

Während der letzten Kriegsjahre und in der Periode unmittelbar nach dem Krieg konnte die SWP einige eindrucksvolle Erfolge erzielen. Während des Booms verankerte sie ihre Kader in den Betrieben und rekrutierte eine neue Schicht proletarische Genossen, die von den Trotzkisten angezogen wurden, weil diese die von der KP betriebene Politik des Spzialpatriotismus und des Klassenfriedens bekämpften.

Optimismus und Orthodoxie

Zu Beginn der Nachkriegsperiode beurteilte die SWP die Aussichten der proletarischen Revolution mit heiterem Optimismus. Die Parteikonferenz von 1946 (siehe deren Resolution „The Coming American Revolution“) sah die ununterbrochene Fortsetzung der Erfolge für die SWP voraus. Die isolationistische Perspektive der Partei trat auf dieser Konferenz ganz klar zu Tage. Der notwendigerweise internationale Charakter von Krisen und Revolutionen wird zwar gesehen, nicht dagegen der damit eng verbundene internationale Charakter der Avantgardepartei. Faktisch verharmlost die Resolution die politische „Rückständigkeit der amerikanischen Arbeiterklasse; gleichzeitig preist sie ihre Militanz und präsentiert folgenden Syllogismus: Die entscheidenden Kämpfe der Weltrevolution werden in den fortgeschrittenen Ländern, wo die Produktionsmittel hoch entwickelt sind und das Proletariat stark ist, stattfinden insbesondere in den USA; also genügt es, die amerikanische Revolution voranzutreiben und der Weltkapitalismus wird gestürzt werden. Ihr ausgeprägter Impressionismus brachte die SWP dazu, die Welt aus dem Blickwinkel des amerikanischen Kapitalismus zu sehen, der aus dem Krieg als die unangefochten-vorherrschende kapitalistische Weltmacht hervorgegangen war.

Die Stabilisierung des europäischen Kapitalismus nach Ende des Krieges, die Entwicklung stalinistischer Parteien zu vorherrschenden reformistischen Arbeiterparteien in Europa, die Expansion des Stalinismus in Osteuropa (scheinbar die Negation der trotzkistischen Analyse, dass der Stalinismus nur verraten könne), die Zerstörung des Kapitalismus durch sich auf die Bauernschaft stützende stalinonationalistische Gruppierungen in Jugoslawien und China all diese Entwicklungen stellten die trotzkistische Bewegung vor neue theoretische Probleme, welche die SWP, der die kleinbürgerliche Shachtman-Spaltung eine ganze Schicht begabter Intellektueller geraubt hatte und die kurz darauf die Anleitung durch Trotzki verlor, nicht bewältigen konnte. Die unmittelbare Reaktion der SWP bestand darin, sich in eine sterile Orthodoxie ohne realen theoretischen Inhalt zu flüchten, was ihre Isolierung noch vollständiger machte.

Die Fünfziger Jahre brachten eine neue Welle spontaner Arbeiterkämpfe in West- und Osteuropa, doch begann für die SWP damals die Hexenjagd des Kalten Krieges: die Verfolgungen von KP-Mitgliedern und ehemaligen KP-Mitgliedern mittels des „Smith-Act“; die Erstickung des gesellschaftlichen und intellektuellen Lebens in allen seinen Formen; die unermüdliche Heraussäuberung bekannter „Roter“ und kämpferischer Elemente aus den Gewerkschaften, wodurch die jahrelang mühsam aufgebauten Verbindungen der SWP mit der Arbeiterbewegung abgeschnitten wurden; der Verlust der ganzen von der Partei in den Vierziger Jahren rekrutierten Schicht proletarischer Genossen. Der objektive Druck war stark, nur mehr Entwicklungen in Europa und der kolonialen Welt beifällig zu kommentieren und zu unterstützen; doch hielt die SWP an ihrer verbal-orthodoxen Verpflichtung fest, für die Revolution in Amerika zu kämpfen.

II. Kontinuitätsbruch in Europa

Die Anfälligkeit der europäischen trotzkistischen Bewegung gegenüber dem Revisionismus beruhte auf den historischen Schwächen der europäischen Organisationen, verstärkt durch die Zerschmetterung ihrer Kontinuität mit der früheren Epoche. Als Trotzki 1934 den Kampf für den Aufbau der Vierten Internationale aufnahm, fehlte der europäischen Arbeiterklasse, die sich vor die entscheidende Wahl zwischen Sozialismus und Barbarei gestellt sah, eine kommunistische Führung. Die Aufgabe der Vierten Internationale war klar: die Klasse gegen die Drohung von Faschismus und Krieg zu mobilisieren und Kader für die revolutionäre Weltpartei zu sammeln, die auch angesichts des herannahenden imperialistischen Krieges und gegenüber der sozialchauvinistischen Kapitulation der Zweiten und Dritten Internationale den proletarischen Internationalismus vertreten würden.

Doch die immense Schwierigkeit für die bewusste Vorhut, in einer Periode erdrückender Niederlagen der Klasse Fortschritte zu erzielen und das „ausserordentliche Missverhältnis zwischen, den Aufgaben und den Mitteln“ hatte schon Trotzki hervorgehoben („Gegen den Strom“, April 1939). Die Schwäche der europäischen Bewegung zeigte sich beispielhaft in der französischen Sektion, die wiederholt von Trotzki kritisiert worden ist; ihre kleinbürgerliche Abweichung und ihr Dilettantismus wurden in einer besonderen Resolution auf der Gründungskonferenz der Vierten Internationale 1938 behandelt.

„Seiner ganzen Natur nach ist der Opportunismus nationalistisch, denn er beruht auf lokalen und zeitgebundenen Bedürfnissen des Proletariats und nicht auf dessen historischen Aufgaben. Opportunisten finden internationale Kontrolle unerträglich, und sie reduzieren ihre internationalen Bindungen soweit wie möglich auf harmlose Formalitäten… mit der Massgabe, dass keine Gruppe die andere daran hindert, gegenüber ihren eigenen nationalen Aufgaben eine opportunistische Politik durchzuführen…. Für uns ist internationale Einheit keine dekorative Fassade, sondern genau die Achse unserer theoretischen Konzeptionen und unserer Politik. Inzwischen gibt es nicht wenige Ultralinke …, die einen halbbewussten Kampf fuhren, um die Kommunistische Opposition in unabhängige nationale Gruppen aufzuspalten und sie von internationaler Kontrolle zu befreien.“
— „Die Verteidigung der Sowjetunion und die Opposition“, 7. September 1929
„Wir sind nicht für Demokratie im allgemeinen, sondern für zentralistische Demokratie. Genau aus diesem Grund stellen wir die nationale Führung über die lokale Führung und die internationale Führung über die nationale Führung.“
— „Offener Brief an alle Mitglieder des Leninbundes“ 6. Februar 1930

Die Vierte Internationale setzte zum entscheidenden Kampf gegen den Faschismus und den Krieg an und sie verlor diesen Kampf. Im Laufe des Krieges und der Nazibesetzung wurden die Ansätze internationaler, ja sogar nationaler Koordination zerstört. Die Internationale löste sich in kleine Gruppen aktiver Kämpfer auf, die ihre politische Linie improvisierten. Das Ergebnis war teilweise opportunistisch, teilweise heroisch. Die 65 französischen und deutschen Genossen, die im Juli 1943 wegen ihrer revolutionär-defätistischen Verbrüderung und des Aufbaus einer trotzkistischen Zelle in der deutschen Armee von der Gestapo erschossen wurden, sind ein Denkmal des internationalistischen Mutes einer schwachen revolutionären Bewegung, die unter unüberwindlichen Bedingungen kämpfte.

Die Dezimierung der trotzkistischen Kader

Im August 1943 wurde der Versuch gemacht, die Ansätze einer Organisation in Europa wiederherzustellen. Das europäische Sekretariat, das auf diesem Treffen in Belgien eingesetzt wurde, zählte in seinen Reihen nur ein einziges überlebendes Mitglied der Führung aus der Vorkriegszeit. Hauptsächlich diesem Mangel an bewährten Kadern ist es zuzuschreiben, dass Michel Pablo (Raptis), ein fähiger Organisator in der illegalen Arbeit, der sich zuvor weder als politischer Führer noch als Theoretiker hervorgetan hatte, zum Führer der Internationale wurde. Als im Juni 1945 ein europäisches Exekutivkomitee zur Vorbereitung einer internationalen Konferenz zusammentrat, waren die führenden erfahrenen Kader und die talentiertesten der jungen Trotzkisten (A. Leon, L. Lesoil, W. Held) nicht mehr am Leben, Opfer der Nazis und der GPU. Die Kontinuität des Trotzkismus in Europa war gebrochen. Doch nicht nur hier fand dieser tragische Vorgang statt: Es kam zur Einkerkerung und schliesslich Hinrichtung von Ta Thu-tau und den vietnamesischen Trotzkisten, zur praktischen Ausrottung der chinesischen Trotzkisten und Liquidierung der übriggebliebenen russischen Trotzkisten (neben Trotzki, Leo Sedow, Rudolf Klement und Ignatz Reiss). Die Europäer hatten offenbar einen derart dringenden Bedarf an erfahrenen Führungskadern, dass Pierre Frank (führendes Mitglied der Molinier-Gruppe, die Trotzki 1935 als „demoralisierte Zentristen“ bezeichnet und 1938 wegen ihrer Weigerung, nach der „französischen Wendung“ mit der französischen Sozialdemokratie zu brechen, ausgeschlossen hatte) nach dem Krieg ein Führer der französischen Sektion werden konnte.

An diesem entscheidenden Wendepunkt hätte die Intervention und Anleitung durch eine wahrhaft internationalistische amerikanische trotzkistische Partei der Entwicklung einen anderen Verlauf geben können. Doch die SWP, die die Führung der Internationale während der Kriegsjahre hätte übernehmen sollen, ging in ihren eigenen nationalen Schwierigkeiten auf. Cannon stellte später fest, dass die SWP-Führung absichtlich die Autorität Pablos aufgebaut habe und dabei „soweit [gegangen sei], dass sie viele unserer Differenzen herunterspielte“ (Juni 1953). Die zwingende Verpflichtung der SWP, die trotz ihrer Mängel die stärkste und erfahrenste trotzkistische Organisation war, hätte darin bestanden, genau das Gegenteil zu tun.

III. Beteuerung der Orthodoxie

Die unmittelbare Aufgabe, vor der die Trotzkisten nach dem Krieg standen, war, ihre Kader neu zu orientieren und die Situation der Avantgarde und der Arbeiterklasse im Lichte früherer Perspektiven neu einzuschätzen. Die Erwartungen der Trotzkisten, die westeuropäischen kapitalistischen Regime würden in ihren Grundfesten erschüttert werden und neue, heftige Klassenkämpfe würden überall in Europa, vorallem in Deutschland, wo der Zusammenbruch der Nazimacht ein Vakuum hinterlassen hatte, ausbrechen, fanden sich bestätigt. Jedoch gelang es den Reformisten, besonders den stalinistischen Parteien, erneut, den spontanen Aufschwung der Arbeiterklasse einzudämmen. Die Kontrolle der französischen Arbeiterklasse durch die CGT ging von der Sozialdemokratie (SFIO), die die CGT vor dem Krieg kontrolliert hatte, in die Hände der französischen Stalinisten über. So ergriff das Proletariat, trotz des offenkundigen revolutionären Willens der europäischen Arbeiterklasse und der grossen Welle von Generalstreiks in ganz Europa (vor allem in Frankreich, Belgien, Griechenland und Italien), nicht die Macht und der stalinistische Apparat konstituierte sich mit neuer Macht und Festigkeit.

Die Vierte Internationale reagierte durch einen Rückfall in sterile Orthodoxie; man verschloss sich hartnäckig der Erkenntnis, dass für die folgende Periode diese Kämpfe niedergeschlagen worden waren:

„Unter diesen Bedingungen werden die Teilniederlagen … zeitweilige Phasen des Rückzugs … die Arbeiterklasse nicht demoralisieren. … Die wiederholt demonstrierte Unfähigkeit der Bourgeoisie, Wirtschaft und politisches Regime auf halbwegs stabiler Grundlage wiederherzustellen, bietet den Arbeitern neue Gelegenheiten, zu noch höheren Stadien des Kampfes überzugehen.
Der Zustrom zu den Reihen der traditionellen Organistionen in Europa, vor allem der stalinistischen Parteien… hat fast überall seinen Höhepunkt erreicht. Die Phase des Abklingens beginnt.“
— Europäisches Exekutivkomitee, April 1946

Rechtsopportunistische Kritiker innerhalb der trotzkistischen Bewegung, wie die deutsche IKD und die Goldman-Morrow-Fraktion in der SWP, wiesen zu Recht auf den übertriebenen Optimismus einer solchen Analyse hin und gaben zu bedenken, dass bei einem neuen Aufschwung von Kämpfen und Militanz immer zuerst die traditionellen reformistischen Führungen der Arbeiterklasse profitieren. Als „Lösung“ jedoch boten sie die Beschränkung des trotzkistischen Programms auf bürgerlich-demokratische Forderungen an; sie traten z.B. für die kritische Unterstützung der bürgerlichen französischen Nachkriegsverfassung ein. Ihr Plädoyer für eine entristische Politik gegenüber den europäischen reformistischen Parteien wurde von der Mehrheit ohne viel Federlesens verworfen; diese erwartete, die Arbeiter würden sich mehr oder minder spontan um das trotzkistische Banner scharen. Implizit ignorierte man den Einfluss der Reformisten; als eine solche Haltung nicht mehr aufrechtzuerhalten war, bereitete dies den Weg für eine drastische Kehrtwendung in der Entrismusfrage.

Die Perspektiven der Vierten Internationale unmittelbar nach dem Krieg wurden in einem Artikel von Ernest Germain (Mandel) in Fourth International (August 1946) zusammengefasst. Schon der Titel „Die erste Phase der europäischen Revolution“ zeigt uns die Betrachtungsweise: „Die Revolution“ wird stillschweigend zu einem metaphysischen, kontinuierlich andauernden und unvermeidlich zum Siege voranschreitenden Prozess umgedeutet, statt als eine scharfe und notwendigerweise zeitlich begrenzte Konfrontation um die Frage der Staatsmacht gesehen zu werden, deren Resultat die ganze folgende Periode bestimmen wird.

Stalinophobie

Der späteren, pabloistischen Kapitulation vor dem Stalinismus wurde durch Stalinophobie, impressionistische Übertreibung ihres Gegenteils, der Boden bereitet. Im November 1947 definierte Pablos Internationales Sekretariat die Sowjetunion als einen

„Arbeiterstaat, der soweit degeneriert ist, dass alle von den Oktober-Errungenschaften übrig gebliebenen progressiven Züge mehr und mehr von den katastrophalen Auswirklungen der stalinistischen Diktatur neutralisiert werden.
Was von den Oktober-Errungenschaften übrig geblieben ist, verliert mehr und mehr seinen historischen Wert als Voraussetzung für eine sozialistische Entwicklung.
…von den russischen Besatzungskräften oder von prostalinistischen Regierungen, die durch und durch reaktionär sind, fordern wir nicht die Enteignung der Bourgeoisie….“

Innerhalb der SWP begann das Gerücht umzugehen, Cannon liebäugele damit, der Sowjetunion den Charakter eines völlig degenerierten Arbeiterstaates, d.h. eines „staatskapitalistischen“ Regimes, zuzuschreiben, eine Position, die Natalia Trotzki kurze Zeit später bezog.

In der Beurteilung der stalinistischen Expansion in Osteuropa war die Vierte Internationale in einfältiger Orthodoxie einig. Ein ausführlicher Diskussionsartikel von E. R. Frank (Bert Cochran), „Der Kreml in Osteuropa“ (Fourth International, November 1946) war schrill in seinem antistalinistischen Ton und tendierte zu der Ansicht, in den von der Roten Armee besetzten Ländern würde ganz absichtlich die kapitalistische Ordnung aufrechterhalten werden. Eine Polemik, Germains gegen Shachtman vom 15. November 1946 äusserte sich noch kategorischer: Die Theorie, „ein degenerierter Arbeiterstaat könne in einem Land installiert werden, wo vorher noch keine proletarische Revolution stattgefunden hat“, wird .einfach als „absurd“ abgetan, und Germain stellt die rhetorische Frage: „Glaubt [Shachtman] wirklich, dass die stalinistische Bürokratie in unserem halben Kontinent erfolgreich den Kapitalismus gestürzt hat?“ (Fourth International, Februar 1947).

Die hier angewandte Methode ist dieselbe, die in späteren Jahren allerdings zynischer das „Internationale Komitee“ bei der Behandlung der Kubafrage verfolgte (Motto: „Bist du verwirrt, leugne einfach die Realität!“); mit dem Unterschied, dass der Klassencharakter Osteuropas, wo bei Aufrechterhaltung kapitalistischer Wirtschaftsinstitutionen die Besatzungsarmee eines degenerierten Arbeiterstaates die Staatsmacht innehatte, weitaus schwieriger zu begreifen war. Empiristen und Renegaten hatten natürlich bei der Einschätzung der osteuropäischen Staaten keine Schwierigkeiten:

„Jedermann weiss, dass die Stalinisten in den Ländern, wo sie die Macht übernommen haben, dazu übergegangen sind, mit allenfalls unterschiedlichem Tempo genau dasselbe wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Regime wie das in Russland herrschende zu etablieren. Jedermann weiss, dass die Bourgeoisie enteignet ist oder unmittelbar vor ihrer Enteignung steht, aller ihrer wirtschaftlichen Macht, in vielen Fällen sogar der blossen Existenz verlustig gegangen ist. … Jedermann weiss, dass die Überreste des Kapitalismus, die in diesen Ländern noch bestehen, schon morgen nicht einmal mehr Überreste sein werden, und dass die allgemeine Tendenz dahin geht, das gleiche soziale System wie im stalinistischen Russland zu etablieren.“
— Max Shachtman. „The Congress of the Fourth International“. New International, Oktober 1948

Trotz der für sie peinlichen Lächerlichkeit dieser Situation blieben die orthodoxen Trotzkisten in ihrer Analyse gefangen, da sie nicht fähig waren, eine Theorie zu entwickeln, die die Umwandlungen in Osteuropa erklären konnte, ohne zu nichtrevolutionären Schlüssen zu führen.

In der für ihn in diesen Jahren typischen Weise hat Germain wenigstens das theoretische Dilemma klar aufgezeigt: Ist die trotzkistische Auffassung des Stalinismus richtig, wenn der Stalinismus sich in einigen Fällen als bereit zeigt, irgendeine Art antikapitalistische soziale Umwandlung zu vollbringen? Sich an die Orthodoxie klammernd hatten die Trotzkisten ein echtes Verhältnis zur Theorie verloren und den einen Teil von Trotzkis dialektisches Verständnis vom Stalinismus verdrängt: die Konzeption einer parasitären und konterrevolutionären Kaste, die sich auf die Errungenschaften der Oktoberrevolution stützt, als eine Art verräterischer Mittler zwischen dem siegreichen russischen Proletariat und dem Weltimperialismus. Nachdem sie so den dialektischen Materialismus zu einem statischen Dogma reduziert hatten, wurde ihre Desorientierung vollkommen, als sie genötigt waren, Germains Frage mit ja zu beantworten. Damit war der Weg für den pabloistischen Revisionismus geebnet, ins theoretische Nichts zu stürzen.

Die Vierte Internationale flirtet mit Tito

Praktisch die gesamte Vierte Internationale wurde durch die jugoslawische Revolution desorientiert. Nach reichlich zwanzig Jahren des stalinistischen Monolithismus waren die Trotzkisten wohl ziemlich schlecht auf eine sorgfältige Analyse der sich gegen Stalin auflehnenden jugoslawischen KP vorbereitet. Die jugoslawischen Titoisten wurden als „Genossen“ und „Linkszentristen“ und Jugoslawien wurde als ein „durch eine proletarische Revolution errichteter Arbeiterstaat“ bezeichnet. In einem von mehreren „Offenen Briefen“ an Tito schrieb die SWP: „Das Vertrauen der Massen in ‚Eure Partei‘ wird enorm ansteigen, und sie wird zum effektiven kollektiven Ausdruck der Interessen und Wunsche des Proletariats ihres Landes werden.“ Die jugoslawische Revolution warf ein neues Problem auf, wiederholt später durch die Erfahrungen mit China, Kuba und Vietnam: Im Gegensatz zu Osteuropa, wo die sozialen Umwandlungen von der Armee eines ausländischen degenerierten Arbeiterstaates vollzogen wurden, war die jugoslawische Revolution offenkundig eine eigenständige soziale Revolution, die ohne Intervention der Arbeiterklasse und ohne Führung einer trotzkistischen Partei einen (deformierten) Arbeiterstaat etablieren konnte. Die

Vierte Internationale umging das theoretische Problem, indem sie diese Revolution „proletarisch“ und die Titoisten „Linkszentristen“ taufte. (Die SWP umging die China-Frage, indem sie sich bis 1955 weigerte, das maoistische Regime unzweideutig als deformierten Arbeiterstaat zu charakterisieren. Noch 1954 erschienen in der Zeitschrift der SWP, Fourth International, zwei Artikel der Phillips-Tendenz, die China als staatskapitalistisch bezeichneten.)

Wieder wird die Orthodoxie erhalten, jedoch ihres Inhalts beraubt. Die unterschwellige Tendenz, der man widerstrebte, bis ihr dann Pablo konsequenten Ausdruck verlieh, bestand in dem Gedanken, dass die Vierte Internationale ihre Existenzberechtigung verlöre, wenn nichtproletarische, nichttrotzkistische Kräfte eine wie auch immer geartete soziale Umwälzung zustande bringen könnten. Die entscheidende , qualitative Unterscheidung zwischen einem Arbeiterstaat und einem deformierten Arbeiterstaat obwohl die Unterscheidungslinie mit Blut gezeichnet ist und in der Notwendigkeit der politischen Revolution ihren Ausdruck findet, welche den Weg zu einer sozialistischen Entwicklung und zur Ausdehnung der Revolution auf andere Länder weist ging verloren.

IV. Der Pabloismus siegt

Unter den Kadern der Vierten Internationale in der Nachkriegszeit, die zahlenmässig schwach, von der Klasse isoliert, unerfahren und theoretisch ungerüstet s waren, konnte sich in einer Situation wiederholter vorrevolutionärer Aufschwünge, auf deren Verlauf sie keinen Einfluss auszuüben vermochten, leicht Desorientierung und Ungeduld breit machen. Anfang 1951 begann sich ein neuer Revisionismus, der Pabloismus, zu behaupten. Auf die frustrierende objektive Situation antwortete er mit der Konstruktion eines Pseudo-Auswegs aus der Isolierung der Vierten Internationale von der Hauptbewegung der Arbeiterklasse. Der Pabloismus war die Verallgemeinerung dieses Impulses zu einem revisionistischen Theoriegebäude, welches impressionistische Antworten bot, die konsequenter waren, als die einseitige Orthodoxie der Vierten Internationale in den ersten Nachkriegsjahren.

Nachdrücklich betont werden muss, dass die organisatorische Schwäche, die fehlende Verwurzelung im Proletariat, die theoretische Unfähigkeit und Desorientierung, die die Voraussetzung für die revisionistische Degeneration der Vierten Internationale bildeten, nicht einfach mit der Konsolidierung und dem Sieg dieses. Revisionismus gleichgesetzt werden. Trotz schwerer politischer Fehler war die Vierte Internationale in den unmittelbaren Nachkriegsjahren noch revolutionär. Die SWP und die Internationale klammerten sich an eine sterile Orthodoxie wie an einen Talisman, um keine nichtrevolutionären Schlüsse aus Weltereignissen ziehen zu müssen, die sie nicht mehr verstehen konnten. Die Geschichte zeigt, dass revolutionäre Marxisten an entscheidenden Wendepunkten fähig waren, eine inadäquate Theorie hinter sich zu lassen. So war Lenin vor dem April 1917 nicht theoretisch gerüstet, um in einem rückständigen Land wie Russland eine proletarische Revolution vorzusehen; Trotzki hatte bis 1933 den russischen Thermidor mit einer Rückkehr zum Kapitalismus gleichgesetzt. Der Pabloismus war mehr als nur eine symmetrische falsche Theorie, mehr als eine übertriebene impressionistische Reaktion auf die „Orthodoxie“; er war vielmehr die theoretische Rechtfertigung für einen nichtrevolutionären Impuls, der auf dem Verzichten auf die Perspektive für den Aufbau einer proletarischen Avantgarde in den fortgeschrittenen wie in den kolonialen Ländern beruhte.

Im Januar 1951 wagte sich Pablo mit einem „Wohin gehen wir?“ betitelten Dokument in das Reich der Theorie. Trotz ganzer Absätze voller konfusen Blödsinns und bombastischer Inhaltsleere zeigt sich die ganze revisionistische Konstruktion deutlich:

„Das Kräfteverhältnis auf dem internationalen Schachbrett entwickelt sich jetzt zum Nachteil des Imperialismus.
Eine Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus, die schon begonnen hat und recht weit gediehen ist. …Diese Umwandlung wird sich wahrscheinlich über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten erstrecken und wird in dieser Zeit von Übergangsformen und Übergangsregimen zwischen Kapitalismus und Sozialismus angefüllt sein, die notwendigerweise von den ‚reinen‘ Formen und Normen abweichen werden.
Der objektive Prozess bleibt letztlich der einzige entscheidende Faktor, der alle Hindernisse subjektiver Natur überwindet.
Es besteht weiterhin unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, dass die Kommunistischen Parteien sich eine annähernd revolutionäre Orientierung geben.“

Der Vorrang, den Pablo dem „objektivenProzess“ als einzigem entscheidenden Faktor“ einräumt, somit den subjektiven Faktor (das Bewusstsein und die Organisation der Avantgardepartei) zur Bagatelle degradierend, die Diskussion über „mehrere Jahrhunderte“ des „Übergangs“ (später von den Gegnern Pablos als „Jahrhunderte deformierter Arbeiterstaaten charakterisiert) und der Hinweis, dass die revolutionäre Führung sehr wohl durch die stalinistischen Parteien und nicht durch die Vierte Internationale übernommen werden könnte die ganze analytische Struktur des pabloistischen Revisionismus trat zutage.

In einem anderen Dokument, „Der kommende Krieg“, stellte Pablo seine Politik des „Entrismus sui generis“ (Entrismus einer besonderen Art) vor:

„Um uns in die reale Bewegung der Massen zu integrieren, um z.B. in den Massen-Gewerkschaften zu arbeiten und zu bleiben, sind ‚Schliche‘ und ‚Kapitulationen‘ nicht nur akzeptabel, sondern auch notwendig.“

Im wesentlichen sollten die Trotzkisten die Perspektive des kurzfristig angelegten Entrismus aufgeben, dessen Ziel es immer gewesen war, Organisationen der Arbeiterklasse auf einer harten programmatischen Basis zu spalten; praktisch also eine Taktik des Aufbaus der trotzkistischen Partei. Die neue Entrismuspolitik leitete sich direkt von Pablos Analyse ab. Da der von Pablo behauptete Umschwung im Kräfteverhältnis in der Welt zugunsten des Fortschreitens der Revolution die stalinistischen Parteien zwingen würde, eine revolutionäre Rolle zu spielen, war es nur logisch, dass die Trotzkisten ein Teil dieser Parteien werden und hauptsächlich eine Politik des Drucks auf den stalinistischen Apparat verfolgen sollten.

All das hätte unter den internationalen trotzkistischen Kadern wie eine Bombe einschlagen müssen. Schliesslich war ja Pablo der Leiter des Internationalen Sekretariats, der permanenten politischen Führungskörperschaft der Vierten Internationale. Doch von einer Alarmierung war nichts zu merken, geschweige denn von der Herausbildung der notwendigen internationalen antirevisionistischen Fraktion. Ein langes Dokument von Ernest Germain („Zehn Thesen“) und vielleicht ein gewisses unterirdisches Poltern zwangen Pablo, in der Frage der „Übergangsperiode“ einen Versuch in Richtung Orthodoxie zu machen; andere schriftliche Resonanz auf Pablos offensichtlichsten Angriff auf das Programm des Trotzkismus gab es nicht.

Der Widerstand Germains

Im März 1951 veröffentlichte Germain die „Zehn Thesen“, einen verschleierten Angriff auf „Wohin gehen wir?“, ohne aber Pablo oder sein Dokument beim Namen zu nennen. Germain betonte die marxistische Anwendung des Konzepts der „Übergangsperiode“ als der Periode zwischen dem Sieg der Revolution (der Diktatur des Proletariats) und der Realisierung des Sozialismus (der klassenlosen Gesellschaft). Ohne sich irgendwie explizit auf die Position von Pablo zu beziehen, schrieb er: „Der Stalinismus wird genauso wenig wie die Bourgeoisie einen Krieg überleben, einen Krieg, der sich in einen weltweiten Aufschwung der Revolution verwandeln wird.“ Germain hob den widersprüchlichen bonapartistischen Charakter des Stalinismus hervor, der auf proletarischen Eigentumsformen basiert und gleichwohl die privilegierte Stellung der Bürokratie gegen die Arbeiter schützt. Er betonte die Doppelnatur der Kommunistischen Massenparteien ausserhalb der UdSSR, die einerseits durch eine proletarische Basis bestimmt werden und andererseites den an der Macht stehenden stalinistischen Bürokratien unterworfen sind.

Germain bemühte sich, dem pabloistischen Impuls, der davon ausging, dass die ohne trotzkistische Führung vollbrachte Zerstörung des Kapitalismus in Osteuropa, China und Jugoslawien die Vierte Internationale überflüssig mache, eine orthodoxe Antwort entgegenzustellen. Auch hier bezog er sich nicht auf die Positionen, die er bekämpfte; man hätte glauben können, dass die "Zehn Thesen“ einfach als interessante theoretische Übung vom Himmel gefallen seien, und nicht als Reaktion auf das Erscheinen einer revisionistischen Strömung, die dem Sinne der Gedanken Germains völlig entgegengesetzt war. Die Tatsache hervorhebend, dass ein neuer weltweiter revolutionärer Aufschwung den Stalinismus nicht stabilisieren sondern ihn tödlich bedrohen würde, schrieb er:

„Gerade weil die neue revolutionäre Welle den Keim der Zerstörung der stalinistischen Parteien als solchen in sich trägt, sollen wir heute den kommunistischen Arbeitern viel näher sein. Dies ist nur eine Phase unserer grundlegenden Aufgabe: neue revolutionäre Parteien aufzubauen….“ [Hervorhebung von uns]
‚Den stalinistischen Arbeitern näher‘ sein heisst also gleichzeitig, mehr als je zuvor unser eigenes trotzkistisches Programm und unsere eigene trotzkistische Politik zu bekräftigen.“

Die „Zehn Thesen“ haben gezeigt, dass noch keine Tendenz der trotzkistischen Bewegung fähig war, das Wesen der sozialen Veränderungen Osteuropas zu erfassen (obwohl die Analyse der Mehrheit des britischen RCP von Haston-Grant, die von der Vern-Ryan-Gruppierung der SWP aus Los Angeles übernommen wurde, den Ansatz aber auch nur den Ansatz eines Verständnisses mit der Erkenntnis erreichte, dass in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Untersuchung der herrschenden Eigentumsformen kaum genügen würde, da ja die Staatsmacht in Osteuropa eine fremde Besatzungsarmee, die Rote Armee, war). 1951 noch betrachtete Germain den Prozess der „strukturellen Assimilation“ als nicht abgeschlossen (!) und sagte die Assimilation der Armeen der Staaten Osteuropas in die sowjetische Armee vorausd.h. Osteuropa würde einfach der Sowjetunion einverleibt werden. Sicher erkannte Germain an, dass die Veränderung in Osteuropa den Kapitalismus zerstörte, aber selbst im Sieg ein entscheidendes bürokratisches Hindernis zur sozialistischen Entwicklung in sich trug; er hob die Tatsache hervor, dass die Expansion der nichtkapitalistischen Produktionsweise der UdSSR „weit weniger wichtig ist, als die Zerstörung der lebenskräftigen Arbeiterbewegung, die ihr voranging“.

In China und besonders in Jugoslawien wurde kein solches inneres Hindernis festgemacht. Die Trotzkisten waren unfähig, das Phänomen des Stalinismus von der Person Stalins zu trennen; der Bruch der Titoisten mit dem Kreml verhinderte jede Möglichkeit, zu erkennen, dass Jugoslawien notwendigerweise eine qualitativ gleiche Innen- und Aussenpolitik verfolgen würde, um die Interessen ihres eigenen nationalen bürokratischen Regimes gegen die Arbeiterklasse zu schützen. Da es ihm widerstrebte zu gestehen, dass stalinistische Kräfte an der Spitze bäuerlicher Massen je eine antikapitalistische Revolution vollbringen könnten, bezeichnete Germain in seinen „Zehn Thesen“ die Ereignisse in China und Jugoslawien als proletarische Revolutionen und versicherte auch, dass „diese Parteien unter diesen Bedingungen aufhören, stalinistische Parteien im klassischen Sinne des Wortes zu sein.“

Während Pablo diese Ereignisse als die Erscheinung eines neuen revolutionären Modells einschätzte, das die „‚reinen‘ Formen und Normen“ (d.h. die russische Revolution) ungültig machte, betonte Germain auch hier ohne jemals Pablo zu erwähnen dass sie das Resultat von Ausnahmebedingungen waren, die in keinem Fall für die entwickelten industrialisierten Länder gültig sein könnten. Er setzte „die Einheitsfront, die heute faktisch zwischen den kolonialen Revolutionen in Asien und der sowjetischen Bürokratie existiert und ihren objektiven Ursprung darin hat, dass beide vom Imperialismus bedroht werden…“, gegen die Möglichkeiten in Europa. Er war mit der Vorhersage eines unmittelbar bevorstehenden dritten Weltkrieges zwischen „der imperialistischen Einheitsfront einerseits und der UdSSR, ihren Glacis-Staaten und der. kolonialen Revolutionen andererseits“ einverstanden, aber anstatt das Herannahen dieses Krieges zu begrüssen, bezeichnete er ihn als konterrevolutionär. Der Kernpunkt von Germains Argument ist folgender:

„Das Ausschlaggebende in der jetzigen Periode ist es, dem Proletariat eine internationale Führung zu geben, die fähig ist, ihre Kräfte zu koordinieren und zum Weltsieg des Kommunismus fortzuschreiten. Die stalinistische Bürokratie, die gezwungen ist, sich wütend gegen die erste proletarische Revolution ausserhalb der UdSSR [Jugoslawien!] zu wenden, ist vom sozialen Standpunkt aus unfähig, eine solche Aufgabe zu erfüllen. Darin besteht die historische Mission unserer Bewegung. & .Die historische Berechtigung unserer Bewegung … beruht auf der Unfähigkeit des Stalinismus, den Weltkapitalismus zu stürzen, eine Unfähigkeit, die im sozialen Wesen der sowjetischen Bürokratie ihre Wurzeln hat.“

Der Vorteil des Abstandes und die Erfahrung der letzten zwanzig Jahredas konterrevolutionäre Wesen des Stalinismus, das in Ungarn 1956 am klarsten bewiesen wurde; die kubanische Revolution von 1960, wo der kleinbürgerliche Nationalismus an der Spitze der bäuerlichen Guerilla den Kapitalismus stürzte, um schliesslich sowohl im Inneren als auch im internationalen Rahmen mit dem stalinistischen Apparat zu fusionieren; die konsequent nationalistische und stalinistische Politik der an der Macht stehenden KP Chinas machen es leicht zu sehen, dass die „Zehn Thesen“ in ihren Analysen und Vorhersagen mangelhaft sind. Was aber viel wichtiger ist, das ist der konsequent und absichtlich nichtfaktionelle Ton des Dokuments, der Germains Weigerung vorausahnen liess, sich selbst ins Lager der Antipabloisten zu begeben. Abgelöst von jeglichem Vorsatz, für eine korrekte Linie in der Vierten Internationale zu kämpfen, bedeutete Germains theoretische Verteidigung des Trotzkismus in der Tat recht wenig. Es handelt sich eigentlich nur um einen Pabloismus der zweiten Generation, der sich durch die Leugnung des subjektiven Faktors im revolutionären Prozess auszeichnet.

Der dritte Weltkongress

Der dritte Weltkongress der Vierten Internationale wurde im August/September 1951 abgehalten. Das wichtigste politische Referat versuchte zwischen den Kommunistischen Parteien und den „reformistischen Parteien“ zu differenzieren; und zwar auf der Grundlage, dass nur erstere in sich widersprüchlich seien und dass sie unter dem Druck eines starken Aufschwungs zu revolutionären Parteien werden könnten. Die opportunistische Natur der pabloistischen Version der Entrismustaktik verriet sich ganz klar im Fallenlassen des prinzipiellen Zieles des Entrismus: scharfe Polarisierung und Spaltung: „Die Möglichkeiten bedeutender Spaltungen in den Kommunistischen Parteien & werden durch.eine linke Bewegung.innerhalb der kommunistischen Parteien unter den Mitgliedern an der Basis ersetzt.“ Es gab überhaupt keine Erwähnung der in den Arbeiterstaaten von China und Osteuropa vor sich gegangenen entscheidenden Deformationen, so dass der Kongress stillschweigend nur einen quantitativen Unterschied zwischen der Sowjetunion Lenins und den degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten machte. Das Referat zog die Möglichkeit in Betracht, dass Tito „die Führung einer Umgruppierung der vom Kapitalismus und vom Kreml unabhängigen revolutionären Kräfte übernehmen… und so eine Hauptrolle in der Bildung einer neuen revolutionären Führung spielen“ könne. Die Perspektive der permanenten Revolution für die kolonialen Länder wurde nicht erwähnt.

Die Anwendung der pabloistischen Politik des „Entrismus sui generis“ wurde von der österreichischen Kommission erarbeitet:

„Die Tätigkeit unserer Mitglieder in der SP wird durch folgende Richtlinien geregelt sein: A. Nicht als Trotzkisten unser vollständiges Programm vorlegen. B. Prinzipienfragen und programmatische Fragen nicht in den Vordergrund schieben….“

Kein Quantum verbaler Orthodoxie in den Resolutionen hätte länger denen, die sehen wollten, Sand in die Augen streuen dürfen.

Die französische Parti Communiste Internationaliste stellte die „Zehn Thesen“ Germains zur Abstimmung (nachdem Germain sich offensichtlich geweigert hatte, es selbst zu tun) und brachte Verbesserungsanträge zum Hauptdokument ein. Über die „Zehn Thesen“ und die französischen Verbesserungsanträge fand keine Abstimmung statt. Die PCI stimmte gegen die Annahme der Linie des Hauptdokumentes; sie war die einzige Sektion, die das tat.

In den folgenden Monaten wurde die pabloistische Linie nach den Skizzen erarbeitet, die vor und während des dritten Weltkongresses klar entworfen worden waren:

„Wir treten [in die stalinistischen Parteien] ein, um dort lange Zeit zu bleiben, auf die grösse Möglichkeit setzend, dass diese Parteien, unter neue Bedingungen gestellt [„eine allgemein irreversible vorrevolutionäre Periode“], zentristische Tendenzen entwickeln, die eine ganze neue Etappe der Radikalisierung der Massen und der objektiven revolutionären Prozesse führen werden….“
— Pablo, Referat am 10. Plenumdes Internationalen Exekutivkomitees, Februar 1952
„Eingekeilt zwischen der imperialistischen Bedrohung und der Kolonialrevolution, sah sich die Sowjetbürokratie gezwungen, sich mit der letzteren gegen den ersten zu verbünden…. Die Zersetzung des Stalinismus innerhalb dieser Parteien sollte nicht… als eine organisatorische Auflösung… oder als ein offener Bruch mit dem Kreml, sondern als eine fortschreitende interne Umwandlung verstanden werden.“
— „Aufstieg und Niedergang des Stalinismus“, Internationales Sekretariat, September 1953

V. Die Antipabloisten

Mit der Kapitulation Germains dessen Rolle inden einleitenden Konflikten über die pabloistische Politik zweideutig war, in den die Franzosen jedoch ein gewisses Vertrauen zu haben schienen fiel die Aufgabe, gegen den Pabloismus zu kämpfen, an die Mehrheit der französischen PCI unter Bleibtreu/Lambert und an die „amerikanische SWP. Trotz einer beachtlichen Mythologieproduktion, die das Gegenteil behauptete, schwankten die PCI und die SWP als der Revisionismus sich an der Spitze der Vierten Internationale zeigte; sie scheuten nur davor zurück, ihn in den eigenen Sektionen anzuwenden. Beide Gruppen kompromittierten sich durch ihre Zustimmung (zwar voller Unbehagen und im Falle der PCI kombiniert mit sporadischem Widerstand) zur Politik Pablos, bis die für ihre Sektionen selbstmörderischen organisatorischen Folgen scharfe Kämpfe notwendig machten. Beide vermieden es, den Kampf gegen den Revisionismus in jedes Gremium und jede Sektion der Vierten Internationale zu tragen, und beide zogen sich mit der Gründung des „Internationalen Komitees“ auf der Basis der „Prinzipien des orthodoxen Trotzkismus“ aus der Schlacht zurück. Von seiner Entstehung an existierte das IK als internationale Tendenz nur auf dem Papier, bestehend aus Gruppen, die bereits Spaltungen zwischen ihren propabloistischen und orthodoxen Flügeln erlitten hatten.

Die PCI bekämpft Pablo

Das Internationale Sekretariat verkündigte, dass die Mehrheit der PCI bankrott war und setzte die pro pabloistische Minderheit mit Mestre und Frank an die Spitze der französischen Sektion. Die Mehrheit beteuerte jedoch weiterhin ihr Einverständnis mit der Linie des dritten Weltkongresses und behauptete, dass Pablo, das IS und das IEK dessen Beschlüsse verletzten! Der Pabloismus „benützt“ nach Meinung der Franzosen „die Unklarheiten und die Widersprüche des Weltkongresses dort, wo er sich nicht durchsetzen konnte um sich nach dem Weltkongress zu behaupten“ („Erklärung der Tendenz Bleibtreu-Lambert über die im IEK getroffenen Abkommen“, ohne Datum März oder April 1952).

Ein wichtiger Brief vom 16. Februar 1952, von Renard im Namen der Mehrheitder PCI an Cannon geschrieben, appellierte an die SWP. Der Brief Renards betonte sein Einverständnis mit der Linie des dritten Weltkongresses, inklusive der seiner französischen Kommission, und kontrastierte den angeblich nicht-pabloistischen Weltkongress (verschwommene Gemeinplätze zitierend, um dessen „orthodoxes“ Wesen zu demonstrieren) mit den Taten und der späteren Linie Pablos im IEK und im IS. Renard behauptete, dass „der Pabloismus auf dem dritten Weltkongress nicht vollständig gesiegt“ habe. (Klugerweise vermied er jeden Versuch zu erklären, warum seine Organisation gegen die Hauptdokumente des Kongresses gestimmt hatte!) Die Hauptthese dieses Briefes ist ein Appell gegen die Intervention der internationalen pabloistischen Führung in die nationale französische Sektion.

Die Antwort Cannons vom 29. Mai bezichtigte die Mehrheit der PCI des stalinophoben Opportunismus in der Gewerkschaftsbewegung (Blockbildung mit den fortschrittlichen Antikommunisten gegen die KP) und bestritt, dass es so etwas wie den Pabloismus überhaupt gebe.

Die Mehrheit der PCI zeigte ein klares Verständnis der Implikationen des pabloistischen Entrismus. In einer Polemik gegen die Minderheitstheoretikerin Mestre hatte die Mehrheit geschrieben:

„Wenn diese Ideen stimmen, sollten wir mit dem Gerede über den Entrismus, sogar über den Entrismus sui generis, aufhören und klar unsere neuen Aufgaben stellen: die einer konsequenteren Tendenz, nicht einmal eine Linksopposition… deren Rolle es ist, dem Stalinismus zu helfen, seine schwankende Unschlüssigkeit zu überwinden und, unter den besten Bedingungen, zum entscheidenden Konflikt mit der Bourgeoisie anzusetzen. … Wenn der Stalinismus sein Wesen geändert hat… [so heisst das,] er spiegelt nicht mehr die besonderen Interessen einer bürokratischen Kaste wider, deren Existenz selbst vom schwankenden Gleichgewicht zwischen den Klassen abhängt, er ist nicht mehr bonapartistisch, sondern spiegelt nur mehr…die Verteidigung des Arbeiterstaates wider. Dass sich eine solche Umwandlung nicht durch die Intervention des sowjetischen Proletariats vollzogen habe… sondern durch die Entwicklung der Bürokratie selber… würde uns dazu führen, nicht nur das Übergangsprogramm, [sondern] das gesamte Werk Leo Trotzkis seit 1923 und der Gründung der Vierten Internationale zu revidieren.“
— „Erste Widerspiegelung des Zick-Zacks“, Internes Bulletin der PCI Nr. 2, Februar 1952

Doch die Mehrheit der PCI, darin der SWP recht ähnlich, zeigte sich zu einem konkreten Internationalismus unfähig, als sie vor der Perspektive stand, den Kampf gegen den Pabloismus allein zu führen.

Am 3. Juni 1952 forderte die Mehrheit der PCI die Anerkennung zweier französischer Sektionender Vierten Internationale, um es so der Mehrheit zu ermöglichen, ihre eigene Politik in Frankreich durchzuführen. Das war eine klare Verletzung der Gründungsstatuten der Vierten Internationale und bedeutete die Liquidation der Internationale als disziplinierter Weltorganisation. Stattdessen hätte man einen internationalen Fraktionskampf um die politische Linie der Vierten Internationale führen müssen. Doch die PCI-Mehrheit war nicht bereit, die Arbeit in Frankreich dem notwendigen Kampf für die Legitimität und Kontinuität der Vierten Internationale unterzuordnen. Die Weigerung Pablos, dieser Forderung nachzukommen, führte direkt zur Abspaltung der Mehrheit der PCI.

Die SWP tritt in den Kampf ein

Die SWP schloss sich dem Kampf gegen den Revisionismus erst dann an, als in der amerikanischen Partei eine propabloistische Tendenz, der Clarke-Flügel innerhalb der Cochran-Clarke-Fraktion, auf den Plan trat. In seiner Antwort an Renard vom 29. Mai 1952 hatte Cannon gesagt:

„Wir sehen [„überhaupt keine prostalinistische Tendenz“] in der internationalen Führung der Vierten Internationale, auch kein Zeichen oder Symptom dafür. Wir sehen keinen Revisionismus [in den Dokumenten] … wir halten diese Dokumente für vollkommen trotzkistisch. … Es ist die einstimmige Meinung der Führer der SWP, dass die Autoren dieser Dokumente der Bewegung grosse Dienste erwiesen haben.“

Die Geschichte, dass die SWP einige Verbesserungsanträge zu den Dokumenten des dritten Weltkongresses vorbereitet habe, und Clarke (Vertreter der SWP bei der Internationale) sie verbrannt habe statt sie vorzulegen, könnte stimmen, doch ist sie nicht gerade von Belang, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Cannon im entscheidenden Moment Pablo seine politische Loyalität erklärte, indem er sich weigerte, sich mit der antipabloistischen Mehrheit der PCI zu solidarisieren.

Gegen die von Cochran-Clarke vertretene Orientierung auf die Mitläufer der KP betonte die Mehrheit der SWP ihre Unterstützung der pabloistischen Entrismustaktik in die KPen im allgemeinen, betonte jedoch den quasi „Ausnahme“charakter Amerikas, indem sie den Kontrast zwischen den Massenparteien Europas und dem lächerlichen Milieu der amerikanischen KP, der jegliche Arbeiterbasis fehlte und die von jämmerlichen Intellektuellen dritter Sorte bevölkert war, hervorkehrte.

Als Antwort auf die Cochran-Clarke-Gefahr baute Cannon mit Hilfe der Führung um Weiss in Los Angeles eine Fraktion in der SWP auf. Cannon versuchte, die alten Kader der Partei um die Frage des Versöhnlertums gegenüber dem Stalinismus zu vereinen und appellierte an die Gewerkschaftler der Partei wie Dunne und Swabeck, indem er eine Analogie zwischen der Notwendigkeit von Fraktionskämpfen innerhalb der Partei und dem Kampf in der Klasse gegen Reformisten und Arbeiterverräter zog, als parallele Prozesse des Fraktionskampfes gegen eine dem Marxismus fremde Ideologie. Auf dem Plenum des Nationalen Komitees der SWP im Mai 1953 berichtete er:

„im Laufe des vergangenen Jahr es hatte ich tiefe Zweifel an der Überlebensfähigkeit der SWP… .Ich glaubte, dass unsere Bemühungen von fünfundzwanzig Jahren … mit einem katastrophalen Misserfolg geendet hätten und dass wieder einmal eine Handvoll Genossen die Reste sammeln und neu anfangen müsste, um auf der alten Grundlage neue Kader einer neuen Partei aufzubauen.“
— Schlussrede, 30. Mai

Doch Cannon wählte einen anderen Weg. Statt sich zu einem resoluten Kampf wohin sie auch führen möchte zu entschliessen, bildete Cannon mit dem Dobbs-Kerry-Hansen-Apparat einen Block gegen die liquidatorischen organisatorischen Konsequenzen der Cochran-Clarke-Linie. Als Gegenleistung für ihre Unterstützung versprach Cannon dem routinemässigen und konservativen Dobbs-Regime die totale Verfügung über die SWP. Er, Cannon, würde sich nicht mehr einmischen („ein neues Regime in der Partei“).

Die Reaktion der SWP, als sie innerhalb der SWP das Übergreifen der Auseinandersetzung in der Internationale bemerkte, war eine Verstärkung ihres Isolationismus zu einem virulenten Anti-Internationalismus. In seinem Referat bei der Versammlung der Mehrheitsfraktion der SWP am 18. Mai 1953 sagte Cannon: „Wir sehen uns nicht als Filiale einer internationalen Gesellschaft, die Befehle vom Boss erhält, und er pries Diskussionen, in denen „wir, wenn möglich [!], eine gemeinsame Linie erarbeiten“. Cannon leugnete die Legitimität einer internationalen Führung und sprach von „einigen Leuten in Paris“. Er stellte der Vierten Internationale die Komintern Lenins gegenüber, die die Staatsmacht besass und eine Führung hatte, deren Autorität in breitem Rahmen anerkannt wurde; er leugnete also, dass die aktuelle Vierte Internationale eine demokratisch-zentralistische Organisation sein könne.

Cannon erhob verspätete Einwände gegen das Verhalten von Pablo gegenüber der französischen Mehrheit, doch nur in der Organisationsfrage, entsprechend jener Konzeption, dass die Führung der Internationale nicht in die Angelegenheiten der nationalen Sektionen eingreifen solle. Er schrieb:

„… wir waren über die in den jüngsten französischen Auseinandersetzungen und bei der dortigen Spaltung angewendeten Taktiken und über den unfassbaren Präzedenzfall, der da geschaffen wurde, bestürzt. Deshalb verzögerte ich meine Antwort auf Renard so lange. Ich wollte dem IS politische Hilfestellung leisten, aber ich sah nicht, wie ich die gegen die Mehrheit einer gewählten Führung angewendeten organisatorischen Massnahmen sanktionieren konnte. Letzten Endes habe ich das Problem so gelöst, dass ich diesen Teil des Briefes von Renard stillschweigend überging.
— „Brief an Tom“, 4. Juni 1953

Der „Brief an Tom“ wiederholte auch die Position, der dritte Weltkongress sei nicht revisionistisch.

Die entscheidenden Schwächen des Kampf es der PCI und der SWP gegen den Pabloismus wurden von den Pabloisten prompt ausgenutzt: Das 14. Plenum des IEK warf Cannon seine Konzeption der Internationale als einer „föderativen Union“ vor. Das Plenum stellte fest, dass die SWP sich nie prinzipiell gegen die pabloistische Entrismuspolitik gewandt hatte und beschuldigte die SWP, mit der PCI einen prinzipienlosen Block in der Chinafrage gebildet zu haben. Indem sie die einseitige Orthodoxie der SWP ausnutzten (die von Hansen verteidigte Formulierung eines SWP-Mehrheitlers, der Stalinismus sei „durch und durch konterrevolutionär“ eine Charakterisierung, die nur auf die CIA zutrifft!), konnten die Pabloisten ihre Liquidierung eines unabhängigen trotzkistischen Programms mit scheinheiligen Beteuerungen über die Widerspräche des Stalinismus als einer konterrevolutionären Kaste, die sich auf den von der Oktoberrevolution geschaffenen Eigentumsformen erhoben hat, verschleiern.

Die Bildung des Internationalen Komitees

Nach der Cochran-Clarke-Spaltung brach die SWP in jäher Weise öffentlich mit Pablo. Am 16. November 1953 wurde im Militant „Ein offener Brief an die Trotzkisten in aller Welt“ abgedruckt, der Cochran-Clarke und Pablo angriff und sich reichlich verspätet mit der „ungerechtfertigt ausgeschlossenen“ Mehrheit der PCI solidarisierte. Die früheren Charakterisierungen des dritten Weltkongresses durch die SWP als „vollkommen trotzkistisch“ führte notwendigerweise in diesem sogenannten „Offenen Brief“ zu einem Versuch, die Entstehung des Pabloismus in die Zelt nach dem Kongress zu verlegen. Deshalb konnte die SWP nur ein wenig überzeugendes Bild zeichnen, wobei sie sich hauptsächlich auf-ein oder zwei 1953 veröffentlichte Flugblätter der pabloistischen französichen Minderheit stützte. Etwa zur selben Zeit veröffentlichte die SWP das Dokument „Gegen den pabloistischen Revisionismus“ (November 1053), worin eine kompetentere Analyse von Pablos liquidatorischer Anpassung an den Stalinismus enthalten war:

„Die Vorstellung, dass eine kommunistische Massenpartei den Weg zur Macht einschlagen wird, wenn nur genügender Druck der Massen auf sie ausgeübt wird, ist falsch. Die Verantwortung für Rückschläge der Revolution wird damit von der Führung auf die Massen abgewälzt.
Die Arbeiterklasse verwandelte sich [nach den Theorien Pablos] in eine ‚Pressure-group‘ und die Trotzkisten werden zu einer zusätzlichen kleinen ‚Pressure-group‘, die einen Teil der Bürokratie in Richtung auf die Revolution treibt. Damit hört die Bürokratie auf, die Revolution zu bremsen und zu verraten, und wird zu einer Hilfskraft beim Vorantreiben der Revolution.“

1954 wurde das Internationale Komitee gebildet. Es umfasste die französische PCI-Mehrheit, die amerikanische SWP (mit dem Status „brüderlicher Beobachter“) und die Gruppe um Healy (Burns) in England. Die letztere spielte im Kampf gegen den Revisionismus keine bedeutsame und eigenständige Rolle. Die Abspaltung der Healy-Lawrence-Fraktion von der auseinanderfallenden Revolutionary Communist Party kurz nach dem Krieg hatte die Perspektive dieser Fraktion auf einen tiefen Entrismus in der Labour Party zur Ursache und wurde von Pablos Internationalem Sekretariat gefördert, das zwei Sektionen in Grossbritannien anerkannte und beiden gleiche Vertretung im IEK zugestand. Healy war Cannons „Mann“ in England und wurde in seinen Auseinandersetzungen innerhalb der RCP von der SWP systematisch unterstützt. Als die SWP mit Pablo brach, spaltete sich die Healy-Lawrence-Fraktion: Healy schloss sich an die SWP an und Lawrence an Pablo (wie Mestre von der Minderheit der französischen PCI ging Lawrence bald darauf zum Stalinismus über). Doch trotz ihrer Teilnahme am neuen internationalen antipabloistischen Block verfolgte die Healy-Gruppe weiterhin ihren erz-pabloistischen Opportunismus gegenüber der Labour Party. Sie hatte innerhalb des IK keinerlei Gewicht, bis sie dann nach der ungarischen Revolution 1956 eine bedeutende Schicht von Intellektuellen und Gewerkschaftlern aus der KP rekrutierte (von denen sie die meisten später wieder verlor) und damit zu einem Faktor in der britischen Linken wurde.

Ebenso zahlte das IK die chinesische (Emigranten-) Sektion, die gerade eine Spaltung hinter sich hatte, sowie die kleine Schweizer Sektion in seinen Reihen.

Das IK schaffte es, im Frühjahr 1954 einige interne Bulletins herauszubringen, hat sich aber als wirkliches internationales Gremium nie konstituiert, noch je eine zentralisierte Führung gewählt. Hinsichtlich des vierten Weltkongresses war es die Taktik der SWP, diesen „als eine reine Versammlung der Pablo-Fraktion welche keine Legitimität als Vierte Internationale beanspruchen könne, zu boykottieren.

Die Weltbewegung musste dieses Zurückweichen teuer bezahlen. Nennen wir nur ein einziges Beispiel: Ceylon. Die ceylonesische LSSP nahm gegenüber dem Pabloismus eine nichtfraktionelle Position ein und appellierte an die SWP, sich nicht abzuspalten und am vierten Weltkongress teilzunehmen. Ein harter, aggressiver Kampf hätte gegen die skeptisch veranlagten, passiven Ceylonesen geführt werden müssen, um eine Polarisierung zu erzwingen und einen im Kampf gehärteten Kader herauszubilden. Statt dessen schwammen die Ceylonesen ins Fahrwasser Pablos. Ungefähr zehn Jahre später wurde der revolutionäre Ruf des Trotzkismus in den Augen aller Revolutionäre der Welt durch den Eintritt der LSSP in die bürgerliche Koalitionsregierung in den Schmutz gezogen, was eine Spaltung in letzter Minute seitens der internationalen pabloistischen Führung zur Folge hatte. Wenn 1953 in der ceylonesischen Sektion ein harter antirevisionisitischer Prinzipienkampf geführt worden wäre, dann hätte man vielleicht eine harte revolutionäre Organisation mit einem eigenständigen Anspruch auf trotzkistische Kontinuität schaffen können und hätte so verhindert, dass der Name des Trotzkismus mit dem grundlegenden Verrat der LSSP in Zusammenhang gebracht worden wäre.

Doch der antirevisionistische Kampf wurde bewusst nicht in die Weltbewegung hineingetragen: Das Internationale Komitee bestand hauptsächlich aus denjenigen Gruppen, die sich wegen der Anwendung der pabloistischen Politik in ihren eigenen Ländern schon gespalten hatten, und so blieb der Kampf gegen den Revisionismus und für den Wiederaufbau der Vierten Internationale auf der Basis des authentischen Trotzkismus ein totgeborenes Kind.

Vom Flirt zur Vollziehung

1957 liebäugelten Pablos Internationales Sekretariat und die SWP mit einer eventuellen Wiedervereinigung (siehe die Korrespondenz Hansen-Kolpe). Die damalige Basis bildete eine gewisse formale Orthodoxie die Ähnlichkeit der politischen Linien des IS und der SWP in bezug auf die ungarische Revolution von 1956. Die SWP, die vielleicht naiv mit einer Wiederholung der 1953 von Clarke vertretenen Position (mögliche Selbstliquidierung der stalinistischen Bürokratien) gerechnet hatte, neigte dazu, die formell trotzkistischen Beschlüsse des IS über die ungarische Frage für bare Münze zu nehmen. Diese ersten Ansätze zu einer Wiedervereinigung führten auf Grund der Opposition der französischen und englischen Gruppen und auch wegen des Verdachts von Cannon, es könnte sich um ein Manöver Pablos handeln, zu nichts. An die ganze Frage ging man falsch heran: Man begnügte sich damit, eine scheinbare empirische Übereinstimmung festzustellen, ohne die früheren Meinungsverschiedenheiten und die aktuelle Bewegung zu untersuchen.

Als die Frage der Wiedervereinigung, diedann 1963 mit der Bildungdes Vereinigten Sekretariats vollzogen wurde, wieder auf die Tagesordnung kam, hatte sich die politische Lage vollkommen verändert. Das Internationale Sekretariat und die SWP waren sich in der kubanischen Frage einig. Doch die Basis dafür war nicht mehr ein scheinbares Zusammentreffen auf orthodoxem Boden, sondern der Bruch der SWP mit dem Trotzkismus zugunsten des pabloistischen Revisionismus (über den sie sich mit ihrer klassenkollaborationistischen Politik während des Vietnamkriegs inzwischen in Richtung auf offenen Reformismus hinausentwickelt hat).

Die Grundlage für die Wiedervereinigung 1963 war das Dokument „Für baldige Wiedervereinigung der trotzkistischen Weltbewegung Erklärung des Politischen Komitees der SWP“ vom 1. März 1963. Den Schlüssel für die neue Linie bildete der Absatz 13:

„Auf dem Wege einer Revolution, die mit einfachen demokratischen Forderungen beginnt und der Zerschlagung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse endet, kann ein von landlosen Bauern und halbproletarischen Elementen geführter Guerillakrieg unter einer Führung, die zu dem Entschluss kommt, die Revolution bis zum Ende zu treiben, eine entscheidende Rolle bei der Schwächung und beimSturz der kolonialen und halbkolonialen Macht spielen. Das ist eine der wichtigsten Lehren aus der Erfahrung seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie muss zielbewusst in die Strategie für den Aufbau von revolutionären Parteien in kolonialen Ländern einbezogen werden.“

Demgegenüber betonte die Spartacist-Tendenz in ihrem Dokument „Vorwärts zur Wiedergeburt der Vierten Internationale“ vom 12. Juni 1963 [siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. l, Frühling 1974]:

„Die Ereignisse seit dem Zweiten Weltkrieg haben bewiesen, dass ein Guerilla-Krieg mit bäuerlicher Basis und kleinbürgerlicher Führung als optimalen Ausgang nur ein antiproletarisches, bürokratisches Regime hervorbringen kann. Die Entstehung solcher Regime haben der niedergehende Imperialismus, die durch stalinistischen Verrat erzeugte Demoralisierung und Desorientierung sowie das Fehlen einer revolutionär-marxistischen Führung der Arbeiterklasse ermöglicht. Die Kolonialrevolution bekommt nur dann einen eindeutig progressiven Charakter, wenn das revolutionäre Proletariat eine solche Führung besitzt. Der Revisionismus in bezug auf die proletarische Führung der Revolution in ihrer Strategie aufzunehmen, stellt also eine grundlegende Leugnung des Marxismus-Leninismus seitens der Trotzkisten dar, mögen auch so viele fromme Wünsche über den „Aufbau revolutionär-marxistischer Parteien in Kolonialländern“ geäussert werden. Der Weg zum Sozialismus mittels bäuerlichen Guerilla-Kriegs ist mit dem von Lenin bekämpften Programm der Sozialrevolutionäre historisch verwandt; ihn zu akzeptieren, bedeutet Abenteurertum. Marxisten müssen ihn entschieden bekämpfen, da er für die sozialistischen Ziele der Bewegung katastrophal wäre und unter gewissen Umständen einem Selbstmord der Abenteurer gleichkäme.“

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die fortgesetzte Rechtsentwicklung der SWP sie jetzt dazu führt, die grundlegende Linie des zitierten Absatzes vonder entgegengesetzten Seite her zurückzuweisen die Propagierung von kleinbürgerlichen Konzeptionen des bewaffneten Kampfes ist viel zu abenteuerlich für die in die Legalität vernarrte SWP, die darauf aus ist, die Massenpartei des amerikanischen Reformismus zu werden.

Spartacist und die Vierte Internationale

In seinem Kampf für die Gründung der Vierten Internationale betonte Trotzki immer die absolute Notwendigkeit einer revolutionären Organisation auf internationaler Grundlage. Die längere nationale Isolierung in einem Land führt notwendigerweise nach einiger Zeit zur Desorientierung, deformiert und zerstört jede revolutionäre Gruppierung, egal welch subjektive Festigkeit sie besitzt. Nur eine disziplinierte und prinzipielle internationale Zusammenarbeit kann ein Gegengewicht zu dem von der Bourgeoisie und ihren ideologischen Agenten in der Arbeiterbewegung geschaffenen mächtigen Druck insularer Beschränktheit und Sozialchauvinismus liefern. Trotzki hat es gewusst: Diejenigen, die die Notwendigkeit einer demokratisch-zentralistischen programmatisch basierten Weltpartei abstreiten, leugnen die leninistische Konzeption der Avantgardepartei selbst. Die Zerstörung der Vierten Internationale durch den pabloistischen Revisionismus, was als Parallele die organisatorische Zersplitterung in zahlreiche konkurrierende internationale Blöcke hat, macht einen unermüdlichen Kampf für ihre Wiedergeburt notwendig.

In den zehn Jahren unseres Bestehens hat die Spartacist-Tendenz wiederholt erfolgreich einem starken objektiven Druck widerstanden, ihre internationalistische Perspektive aufzugeben. Durch das organisatorische Sektierertum und die anschliessende politische Degeneration des Internationalen Komitees von Gerry Healy jeglicher Möglichkeit internationaler Verbindungen beraubt, weigerte sich die Spartacist League, sich passiv in die ihr auf gezwungene internationale Isolierung zu schicken. Wir weisen nachdrücklich den „Ersatz-Internationalismus“ zurück, der seine internationalen Verbindungen um den Preis eines föderalistischen Nichtangriffspakts knüpft und so von vornherein auf den Kampf für eine disziplinierte internationale Organisation verzichtet. Wir haben versucht, mit Gruppen in anderen Ländern freundschaftliche Verbindungen zu entwickeln, als Teil des Klärungs- und Polarisierungsprozesses. Unser Ziel ist die Kristallisierung einer kohärenten internationalen demokratisch-zentralistischen Tendenz, auf der Basis einer prinzipiellen programmatischen Einheit der Grundstein einer wiederaufgebauten Vierten Internationale.

Die Risse, die heute in vielen internationalen „trotzkistischen“ Blöcken auftreten, liefern der Spartacist -Tendenz verstärkte Gelegenheiten, in die Weltbewegung einzugreifen. Unsere Geschichte und unser Programm können den Strömungen, die sich jetzt zum authentischen Trotzkismus hinbewegen, als Führer dienen, weil wir trotz unserer zeitweiligen unfreiwilligen nationalen Isolierung entschlossen unsere internationalistische Perspektive auf rechterhalten und ununterbrochen einen prinzipienfesten Kampf gegen den Revisionismus geführt haben.

Der Zusammenbruch der Behauptungen von Revisionisten und Zentristen, sie hätten eine internationale Organisation, die Enthüllung, dass das Vereinigte Sekretariat, das Internationale Komitee usw. nichts weiter als faule föderalistische Blöcke gewesen waren oder sind, verbunden mit einem weltweiten Aufstieg der proletarischen Kampfbereitschaft im Zusammenhang mit scharfen interimperialistischen Konflikten und einer tiefen Krise des Kapitalismus, liefern eine noch nie dagewesene objektive Gelegenheit für die Kristallisierung und Entwicklung der Spartacist-Tendenz auf internationaler Ebene. Während die politischen Leichen der revisionistischen Blöcke weiterhin verfaulen, muss die Vierte Internationale, die Weltpartei der sozialistischen Revolution, wiedergeboren werden.

Für die Wiedergeburt der Vierten Internationale!